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Wo der Schuh drückt

… und wie die Wirtschaftskammer die Unternehmen darin unterstützt und unterstützen kann. Dazu Rolf Gleißner, Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der WKO, im Gespräch.

Text Hansjörg Preims

Rolf Gleißner
Rolf Gleißner

Reinigung aktuell: Herr Gleißner, Sie haben kürzlich in einem Vortrag unter anderem gesagt, das, was die Wirtschaftskammer für die Betriebe tun könne, sei auf jeden Fall zu versuchen, bestimmte Belastungen zu verhindern. Zum Beispiel?
Gleißner: Dinge zu verhindern, ist natürlich nicht so sexy, wie Erfolge durchzusetzen, und vor allem nicht so sichtbar. Dabei gibt es ganz konkrete Belastungen, die ohne uns gekommen wären. Zum Beispiel eine Quote für ältere Mitarbeiter. Nach dem Vorbild des Ausgleichstaxfonds für behinderte Menschen sieht das Regierungsprogramm nämlich vor, dass  bestimmte Quoten für jede Branche festgelegt werden, wie viel ältere Menschen im Schnitt zu beschäftigen sind, und wenn ein Betrieb unter dieser Quote läge, müsste er eine Extrasteuer zahlen. Wir wollten dieses System nicht, und es ist am Ende auch nicht umgesetzt worden.
Ohne uns wäre  auch die Lohnnebenkostensenkung nicht gekommen. Immerhin ist es ein erster größerer Schritt, dass die Lohnnebenkosten jetzt schrittweise bis 1.1.2018 um 0,7 Prozent sinken. Das mag nach nicht viel klingen, aber ganz Österreich betrachtet, ist das immerhin fast eine Milliarde Euro. Auch das also ein Erfolg, den die Wirtschaftskammer durchgesetzt hat.

Reinigung aktuell: Auch mit dem Lohn- und Sozialdumpinggesetz sind die Unternehmen nicht glücklich. Warum nicht?
Gleißner: Seit 2011 haben wir das Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz, wonach eine Verwaltungsstrafe droht, wenn ein Betrieb den Grundlohn unterschreitet. Nun ist der Grundlohn transparent, die Einhaltung meist nicht schwierig. Seit 1.1.2015 aber haben wir insofern eine Verschärfung, als nicht mehr der Grundlohn, sondern das Entgelt als Maßstab gilt. Das ist schon  komplexer, weil hier viele Entgeltbestandteile hinzukommen. Die Wirtschaftskammer wollte diese Verschärfung natürlich nicht, denn es kann schon einmal passieren, dass sich bei der Lohnverrechnung Fehler einschleichen, und wenn dafür dann  hohe Strafen verhängt werden, ist das unverhältnismäßig. Doch die Politik bestand auf dieser Verschärfung, und wir haben dann versucht, das Gesetz durch großzügige Nachsichtsregelungen zu entschärfen. Wir konnten durchsetzen, dass ein Betrieb, wenn die Unterentlohnung nicht mehr als 10 Prozent beträgt, die Anzeige und somit die Strafe immer abwenden kann, indem er die Differenz nachzahlt. Hier haben wir also erreicht, dass der Grundsatz „Nachsicht statt Strafe“ im Gesetz verankert wurde. In der Praxis kommt es daher selten zu Strafen, auch wenn manche Praktiken im Vollzug die Betriebe verärgern und verunsichern.

Reinigung aktuell: Sollte das Lohn- und Sozialdumpinggesetz nicht vor allem für einen fairen Wettbewerb sorgen?
Gleißner: Dieses Gesetz ist ein zweischneidiges Schwert: Eigentlich  soll es  für einen fairen Wettbewerb sorgen, speziell gegenüber ausländischen Unternehmen. Denn seit der Öffnung des Arbeitsmarktes arbeiten sehr viele ausländische Unternehmen nach Österreich herein, die aber nicht die österreichischen Löhne zahlen. Dieses Gesetz bietet an und für sich eine Handhabe, gegen diese Unternehmen vorzugehen. Der Vollzug ist  aber  schwierig. Mit anderen Worten: Es besteht der Eindruck, dass man die heimischen Betriebe  erwischt und die ausländischen nur teilweise.

Reinigung aktuell: Unangenehm für die Betriebe, speziell für die Reinigungsunternehmen (unser Ranking der Top 50 ab Seite 27), ist auch die Kündigungsabgabe…
Gleißner: Die Auflösungsabgabe ist gekommen als ein Element des Sparpakets 2011 nach der Wirtschaftskrise 2008–2009. Ursprünglich war  ein weit höherer Betrag vorgesehen, aber auch die derzeit 121 Euro Auflösungsabgabe sind  natürlich ein Ärgernis. Die Reinigungsbranche ist davon  stärker betroffen als andere: Erstens ist der Durchschnittslohn aufgrund des hohen Teilzeitanteils niedriger als in anderen Bereichen, die Auflösungsabgabe ist aber immer dieselbe, egal ob ein hochbezahlter oder ein Teilzeitmitarbeiter gekündigt wird. Zweitens ist  die Fluktuation in dieser Branche natürlich höher.
Allerdings hat  die Steuerreform dieser Branche insofern auch Vorteile gebracht, als speziell die Menschen mit unterdurchschnittlichem Lohn wesentlich von der Lohnsteuer entlastet wurden und auch die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge refundiert bekommen. Das sind im Endeffekt auch Lohnnebenkosten, die stark reduziert wurden, und es bringt auch der Branche etwas, wenn ihre Arbeitnehmer entlastet werden.

Reinigung aktuell: Ein weiterer Schuh, der die Unternehmen drückt, ist die Behindertenausgleichstaxe. Gäbe es da nicht andere, weniger belastende Lösungsmöglichkeiten?
Gleißner: Realpolitisch werden wir von dieser Taxe nicht herunterkommen, weil aus den Einnahmen Menschen mit Behinderung und ihre Arbeitgeber am Arbeitsmarkt unterstützt werden und die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung stark gestiegen ist.  Man könnte die Taxe innerhalb der Wirtschaft  umverteilen, doch da wird man niemand finden, der gerne mehr bezahlt, damit Branchen wie die Gebäudereiniger entlastet werden. Klar ist, dass die Reinigungsbranche auch hier stärker belastet ist als andere, weil es eben eine Kopfsteuer ist und der Durchschnittslohn in der Branche nicht so hoch ist wie in anderen Bereichen.
Was können wir hier tun? Man könnte natürlich umstellen auf Vollzeitäquivalente. Einen großen Vorteil sähe ich für die Branche darin aber nicht. Auf der einen Seite müsste die Branche weniger Menschen mit Behinderung beschäftigen, denn Vollzeitäquivalente hat die Branche ja viel weniger als Köpfe. Auf der anderen Seite würden die Behinderten, die die Branche beschäftigt, natürlich auch nur mit ihrem Stundenanteil auf die Pflichtzahl angerechnet werden.  Man könnte auch umstellen auf das übliche  System der Lohnnebenkosten – sagen wir, 0,1 bis 0,2 Prozent für alle. Dann stellt sich aber die Frage, ob man weiterhin Kleinbetriebe bis 25 Mitarbeiter ausnimmt oder diese erstmals belastet, was wir natürlich nicht wollen. Und deswegen ist es auch so schwierig, von dem bestehenden System der Behindertenausgleichtaxe wegzukommen.

Reinigung aktuell: Glauben Sie, würden die Betriebe lieber bzw. mehr Behinderte beschäftigen, wenn der Kündigungsschutz für Behinderte abgeschafft oder reduziert würde?
Gleißner: Wir haben diesen Kündigungsschutz schon stark gelockert, man sieht aber aus zwei Gründen kaum Beschäftigungseffekte für Menschen mit Behinderung: Erstens hat sich  die Arbeitsmarktlage insgesamt stark verschlechtert. Zweitens bedeutet Lockerung nicht Abschaffung. Die Wirtschaftskammer ist daher für die Streichung des Kündigungsschutzes. Das wäre ein starker Anreiz für Betriebe,  ist aber  politisch kaum durchsetzbar.

 

Auf den folgenden Seiten finden Sie wieder unser alljährliches Ranking der Top 50 Dienstleister. Und wie jedes Jahr können wir von zwei Unternehmen, die eigentlich ins obere Drittel des Rankings gehörten, mangels deren Bereitschaft, uns die entsprechenden Zahlen mitzuteilen, den Umsatz und die Mitarbeiterzahl nur schätzen. Allerdings nicht über den eigenen Daumen gepeilt, sondern anhand der Schätzzahlen der Creditreform:

    • Hellrein Reinigungsdienst: Umsatz 39,5 Mio. Euro, 1.348 Mitarbeiter
    • IGK Gerhard Hainzl: Umsatz: 28,76 Mio. Euro, 1.036 Mitarbeiter

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