winterdienst

Winterbedingungen werden unberechenbarer

Der Klimawandel hat die tägliche Berichterstattung erreicht. Für Winterdienst-Anbieter steht das Thema schon längst auf der Agenda.

Text: Erika Hofbauer

Robert Kletzander Prokurist Hausbetreuung Dimmi GmbH
Robert Kletzander Prokurist Hausbetreuung Dimmi GmbH

Extreme Wettersituationen wurden in der Öffentlichkeit zuletzt intensiv diskutiert. Die vielen menschlichen Tragödien, die Hochwasser, Tornados oder Waldbrände verursachen, gehen immer auch Hand in Hand mit wirtschaftlichen Problemen. Auswirkungen durch den Klimawandel haben auch Anbieter von Winterdienstleistungen – Stichwort Schneeräumung – in den vergangenen Jahren deutlich bemerkt. „Was wir in den letzten Jahren im Raum Wien beobachten konnten, ist die verspätete Kaltluftzufuhr“, erzählt beispielsweise Robert Kletzander, Prokurist der Hausbetreuung Dimmi: „Während früher der erste Einsatz in der Regel Mitte November gefahren wurde, ist das jetzt rund ein Monat später der Fall. Dafür gibt es immer häufiger im Frühjahr späte Wintereinbrüche.“ Besonders auffällig sei im Jahr 2020 auch die überdurchschnittlich hohe Anzahl an Glatteiseinsätzen gewesen, so Kletzander: „Wir registrieren somit mehr Wetterextreme als früher: warme, trockene Perioden werden von niederschlagsintensiven Ereignissen abgelöst, oft an der Grenze zum Schneefall. Intensive Schneefälle sind daher auch in Zukunft für Wien nicht ausgeschlossen.“ Bei Dimmi plane man deswegen auch kleinere Routen als früher: „Damit wir schneller reagieren können. Angst hat man nur vor dem, was man nicht kennt.“

Problem Haftungsübernahme

Simon-Boris Fink, Abteilungsleiter Hausbetreuung SIMACEK Facility Management Group
Simon-Boris Fink, Abteilungsleiter Hausbetreuung SIMACEK Facility Management Group

Dass der Winterdienst in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten höhere Schwankungen durchlebt, bestätigt auch Simon-Boris Fink, Abteilungsleiter Hausbetreuung der SIMACEK Facility Management Group: „Mal gibt es ruhigere Winter, mal stärkere. Was man allerdings bemerkt, ist, dass es offenbar eine zeitliche Verschiebung gibt. Der Winter beginnt in den letzten Jahren später. Auch die tatsächlichen Räumtage, bei denen hohe Schneefallmengen vorhanden sind, nehmen ab.“ Dies bedeute allerdings nicht, dass die Einsatztage abnehmen, betont Fink: „Das betrifft vor allem Kontrollen speziell an Tagen, wo Tauwetter vorherrscht. Wenn die Erderwärmung allerdings konstant weiter zunimmt, kann man zukünftig mit weniger Schneefall rechnen.“ Diese Vermutung führe bei manchen Kunden zu der Annahme, dass kein professioneller Winterdienst mehr benötigt werde, so Fink weiter: „Hier wird aber oft seitens der Auftraggeber vergessen, dass ein beträchtlicher Teil der Winterdienstleistung die Haftungsübernahme darstellt. Tatsache ist allerdings, dass wir immer wieder Anfragen dann während der Saison haben, speziell an Tagen der ersten Schneefälle. Besser wäre es, gemeinsam rechtzeitig vorzuplanen.“

Michael Hackl, Bereichsleitung Winterservice & Haustechnik bei Attensam
Michael Hackl, Bereichsleitung Winterservice & Haustechnik bei Attensam

Auch bei Attensam bemerkt man erste Anzeichen der Veränderung schon seit geraumer Zeit. Michael Hackl, Bereichsleitung Winterservice & Haustechnik bei Attensam: „In der Saison 2020/2021 waren die Schneeverhältnisse in Süd- und Westösterreich überdurchschnittlich. Im Osten gab es zwar weniger Neuschnee, aber dafür oft Regen bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt – dies führte häufig zu Glatteis und macht die Winterbedingungen noch unberechenbarer, weil dadurch innerhalb kürzester Zeit das Unfallrisiko erheblich steigt.“ Experten gehen davon aus, dass sich der Trend zu wärmeren Wintern weiter fortsetzen wird und auch Wetterextremereignisse stärker ausfallen könnten. „Für uns“, so Hackl weiter, „bedeutet das, diese Spitzen durch ausgeklügelte und vorausschauende Planung möglichst gut zu meistern. Deshalb arbeiten wir schon seit längerer Zeit mit einem professionellen Wetterdienst zusammen, der uns möglichst präzise Vorhersagen liefert.“ Kundenseitig machen sich die klimatischen Veränderungen dadurch bemerkbar, dass Kunden durch die variablen Wetterlagen winterbezogene Dienstleistungen zunehmend kurzfristiger buchen: „Das macht unsere Planung herausfordernder“, so der Attensam-Experte.

Winterdienst auf Radwegen

Manfred_Kretz Regional Manager für die Region Nord im Segment Business Services & Public ISS Österreich
Manfred_Kretz Regional Manager für die Region Nord im Segment Business Services & Public ISS Österreich

Bei ISS Österreich geht man davon aus, dass regionale Winterstürme und Verwehungen künftig zunehmen werden, wie Manfred Kretz, Regional Manager für die Region Nord im Segment Business Services & Public bei ISS Österreich, ausführt: „Derzeit zeigt sich bereits eine leichte Veränderung in manchen regionalen Zonen von Österreich. Dies ist abhängig von landschaftlichen Gegebenheiten wie Bergen, Flachland oder Seehöhe. In den Stauzonen der Alpen und in höheren Regionen ist der Winterdienst, wie bisher, aufwändiger als im Flachland. In den östlichen Bundesländern gibt es teilweise geringere Schneemengen als früher, dafür erhöhte Einsätze von Streudiensten wegen gefrierendem Regen und vermehrter Glatteisbildung. Der Einsatz von abstumpfenden Streustoffen – z.B. Splitt – erhöht die Griffigkeit von winterglatten Fahrbahnen. Bei der Salzstreuung ergibt sich eine tauende Wirkung, wodurch Schneeflächen reduziert und Glatteisbildungen eingedämmt werden.“ Jedoch sollte das Ausbringen von Streugut unbedingt nur in den notwendigen Materialmengen erfolgen, um die Umwelt nicht zusätzlich zu belasten, betont Kretz, der auch in anderer Hinsicht einen neuen ökologischen Aspekt erkennt: „Durch die Medienberichte zum Klimawandel steigt auch das Umweltbewusstsein. Radwege werden ausgebaut und viele Menschen setzen vermehrt das Rad als Alltagsverkehrsmittel ein. Zur Etablierung des Fahrrades als ganzjähriges Verkehrsmittel ist der Winterdienst auf Radwegen im städtischen Bereich ein wichtiger Faktor für die Zukunft, um ein sicheres und schnelles Vorankommen für die Radfahrerinnen und Radfahrer gewährleisten zu können.“ In der Regel sei der jeweilige Wegehalter für den Winterdienst auf Radwegen zuständig. Bei Entfall des Winterdienstes sei jedenfalls in geeigneter Weise darauf aufmerksam zu machen, so Kretz.

Man setzt auf Digitalisierung

Margherita Kern, GF LDS Lederer Gebäudereinigung GmbH
Margherita Kern, GF LDS Lederer Gebäudereinigung GmbH

Margherita Kern, Geschäftsführerin der LDS Lederer Gebäudereinigung GmbH, meint, dass vor dem Winter „generell niemand Angst haben muss – zumindest in Wien nicht.“ Freilich würden die Winter in Österreich immer wärmer, „die vier wärmsten Winter seit Anbeginn der Aufzeichnungen fallen auf das 21. Jahrhundert – eine klare Folge des Klimawandels“, zitiert Kern Aussagen aus einer Studie der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) aus dem Jahr 2017: „Es ist wohl langfristig zu erwarten, dass in einem immer wärmeren Klima die Zahl der Tage mit Schneedecke und die Schneehöhen weiter abnehmen. Das gilt besonders für tiefe und mittlere Höhenlagen, da es hier durch die Klimaerwärmung immer öfter regnen statt schneien wird beziehungsweise gefallener Schnee schneller wieder schmelzen wird.“ Das decke sich auch mit den Erfahrungen, die man in den letzten 20 Jahren in Wien gemacht habe: „Man könnte nun denken, dass sich dadurch das Thema Winterdienst im Laufe der Zeit erledigen wird, aber ganz im Gegenteil“, bestätigt die LDS-Geschäftsführerin die Aussagen ihrer Mitbewerber.

Wie gehen die Dienstleister nun mit diesen neuen Herausforderungen um? Attensam-Bereichsleiter Hackl setzt auf Digitalisierung: „Die hat bei uns im Winterservice bereits voll Einzug gehalten, das reicht von der Planung bis hin zum Einsatz vor Ort: Digitales Kartenmaterial unterstützt dabei, uns schnell einen ersten Überblick zu verschaffen – besonders wenn ein Auftrag sehr zeitnah eintrifft.“ Mit einer extra entwickelten Planungssoftware könne man sämtliche Räumpläne jederzeit digital abrufen und auch aktualisieren: „GPS ist im gesamten Fuhrpark implementiert und sorgt dafür, dass wir unsere Einsatzfahrzeuge sofort orten können. Durch eine NFC-basierte App wissen wir immer, wo sich unsere Teams aufhalten – das trägt maßgeblich dazu bei, dass wir mit einem Klick völlige Transparenz bieten können. Diese digitalen Tools helfen uns dabei, die Auftragsabwicklung flexibler zu gestalten und rasch reagieren zu können.“ Auch Sicherheits- und Nachhaltigkeitsaspekte werden immer wichtiger, so Hackl weiter, weshalb man laufend die Modelle des fast 800 Fahrzeuge zählenden Fuhrparks am neuesten Stand der Technik halte: „Bei den Streumitteln haben wir ökologische Taumittel wie Kaliumcarbonat oder Ökotau im Angebot.“

Ressourcenplanung

Bleiben Aufträge aus, ist es eine große Herausforderung, die Ressourcen zu verplanen – sei es Maschinen, Streumaterial oder Personal, berichtet SIMACEK-Experte Fink aus dem Alltag: „Wir möchten Ressourcenknappheit aufgrund einer konservativen Planung vermeiden. Dies wirkt sich auch auf die Verfügbarkeit der Materialien aus. Deshalb empfehlen wir auch, sich aus ökologischen Gründen rechtzeitig das Material der besten Wahl zu sichern wie zum Beispiel das „Öko-Streugut“, Naturbims-Granulat. Alternativ dazu gibt es auf Kaliumcarbonat-Basis eine umweltfreundliche Lösung, somit gibt es für alle individuellen Anforderung die richtige Wahl.“

Eine ähnliche Planungsproblematik ortet auch ISS Österreich-Regional Manager Kretz: „Der Einsatz von Winterdienstfahrzeugen einschließlich der erforderlichen Fahrzeugaufbauten bedeutet hohe Investitionen – und auch die laufenden Kosten z.B. für Treibstoffe oder Kfz-Besteuerung steigen. Ebenso ist die Logistik und Lagerhaltung von Streugut kostenaufwendig wie auch die Streugutentsorgung, z.B. von Splitt.“ Ein Bereitschaftsdienst sowie die Vorhaltung von Personal seien wesentliche Grundsteine für die Umsetzung von Winterdienstleistungen, so Kretz weiter. Die Einsatzplanung und Umsetzung erfordere flexible sofortige Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter. Eine Vertretungsregelung bei Personalausfall sei unumgänglich, um die Leistungen sicherzustellen.

Verpflichtende Zwischenkehrung

Der Kampf gegen Glatteis ist auch für LDS-Geschäftsführerin Kern ein wichtiger Auftrag: „Der klassische Winterdienst hat sich zwar durchaus gewandelt, der langjährige Durchschnitt an Einsätzen liegt jedoch nach wie vor bei rund 30 Ereignissen pro Saison.“ Galt vor 20 Jahren das Hauptaugenmerk noch der Beseitigung von Schneemengen, so liegt der Fokus derzeit auf der Bekämpfung von Glatteis und überfrorener Nässe: „Natürlich gibt es nach wie vor diverse Schneefalltage, jedoch ist dies im Gegensatz zu vor 20 Jahren ein geringerer Anteil der Einsätze. Heute sind wir mit dem viel haftungsrelevanteren Thema der Beseitigung der Rutschgefahr und der Herstellung der Trittsicherheit beschäftigt. Dies ist eine nicht plakativ sichtbare, jedoch nicht weniger wichtige Arbeit.“ Eine weitere Herausforderung sind seit einigen Jahren sicherlich auch die verpflichtenden Zwischenkehrungen gemäß der Winterdienst-Verordnung, so Kern weiter: „Diese bestimmt, dass Streumittel zu entfernen sind, sobald diese nicht mehr für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs erforderlich sind. In den letzten Jahren gab es lange Perioden, in denen tagsüber Plusgrade herrschten, jedoch in der Nacht überfrierende Nässe, Blitzeis oder aber auch ganz normales Glatteis einsetzte.“ Der Laie verlangt in solchen Perioden regelmäßig nach Zwischenkehrungen, der geschulte Winterdienstverantwortliche weiß jedoch, dass fast täglich in der Nacht deutliche Rutschgefahr besteht, und somit die rutschhemmenden Streumittel nicht zu entfernen sind, berichtet Kern von ihren Erfahrungen: „Dies sorgt oft für Verwunderung, ist jedoch nach Aufklärung mehr als nachvollziehbar.“

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