Reagenzglaeser

Wiener Desinfektionsmittel-Datenbank mit Weltgeltung

Welche Bedeutung die WIDES-Datenbank in der einschlägigen Fachwelt mittlerweile einnimmt, zeigt sich neben zahlreichen Vortrags-Einladungen zu internationalen Kongressen auch daran, dass sich ein Erlass des Sozialministeriums (BMASGK) betreffend Händedesinfektion und Beschäftigungsverbot gemäß Mutterschutzgesetz auf die WIDES-Datenbank bezieht.

Text Hansjörg Preims

Zur Erinnerung: Vor 18 Jahren hat die Stadt Wien das Programm „ÖkoKauf Wien“ mit dem Ziel implementiert, alle Dienstleistungen und Produkte nach ökologischen Kriterien zu beschaffen. Dazu wurden in mehr als zwei Dutzend Arbeitsgruppen ökologische Mindestkriterien und Auswahlinstrumente für die von der Stadt Wien zu beschaffenden Produktgruppen entwickelt.

Marion-Jaros
Dipl.-Ing. Marion Jaros, Wiener Umweltanwaltschaft, Leiterin der „Arbeitsgruppe Desinfektion“

Eine dieser Arbeitsgruppen, geleitet von Dipl.-Ing. Marion Jaros von der Wiener Umweltanwaltschaft, beschäftigt sich seitdem ausschließlich mit dem Thema „Desinfektion“ bzw. damit, wie man Desinfektionsmaßnahmen möglichst umweltschonend gestalten kann. Man evaluierte den Einsatz von Desinfektionsmaßnahmen in den Spitälern, Pflegeheimen, Bädern und Kindergärten der Stadt Wien und hat als Orientierungs- und Bewertungshilfe für diese Desinfektionsmittel-Anwender die Wiener Desinfektionsmittel-Datenbank, kurz WIDES-Datenbank, entwickelt, die unter www.wides.at von jedermann kostenlos genutzt werden kann. Die ausreichende Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels gegenüber Krankheitserregern hatte dabei von Anfang an oberste Priorität. Dies wird sichergestellt, indem für jedes Produkt, das bewertet wird, ein unabhängiger Nachweis der Wirksamkeit erforderlich ist – zum Beispiel durch Zertifizierungen von Hygienegesellschaften wie der ÖGHMP oder dem deutschen Verbund für Angewandte Hygiene (VAH).

Immer auf letztem Wissensstand

Welche Bedeutung diese Desinfektionsmittel-Datenbank in der einschlägigen Fachwelt mittlerweile einnimmt, zeigt sich neben zahlreichen Vortrags-Einladungen zu internationalen Kongressen auch daran, dass sich ein Erlass des Sozialministeriums (BMASGK) betreffend Händedesinfektion und Beschäftigungsverbot gemäß Mutterschutzgesetz auf die WIDES-Datenbank bezieht: Zur Prüfung der Zulässigkeit von Händedesinfektionsmitteln für schwangere Arbeitsnehmerinnen wird als das einfachere von zwei möglichen Nachweisverfahren ein „Gegencheck von Produkten in der Desinfektionsmitteldatenbank WIDES“ empfohlen. „Dadurch wird die WIDES-Datenbank also zum Instrument, um zu erkennen, ob ein Händedesinfektionsmittel aufgrund der Inhaltsstoffe auch von schwangeren Arbeitnehmerinnen verwendet werden darf oder nicht“, erklärt Jaros. Die Datenbank werde vom „Technischen Büro Klade“ auch etwa halbjährlich upgedatet, es werde immer der letzte Stand des Wissens zu den gefährlichen Eigenschaften von Wirkstoffen eingearbeitet. Zumal durch die Biozidprodukte-Verordnung und auch die REACH-Verordnung das Volumen an toxikologischen Daten rasant zunehme, so Jaros. „Dabei kommen jedes Mal neue Daten hinzu, und es zeigt sich auch tatsächlich, dass Stoffe plötzlich als problematisch, z.B. als fruchtschädigend, eingestuft werden, die bisher als harmlos gegolten haben. Und das schauen wir uns dann im Expertenteam und in Absprache mit dem Umweltbundesamt an. Prinzipiell weisen wir in der WIDES auch Datenlücken aus, und der Erlass des Sozialministeriums nimmt diese Datenlücken sehr ernst. Produkte mit unzureichend untersuchten Inhaltsstoffen dürfen von schwangeren Arbeitnehmerinnen nicht verwendet werden, bis ihre Unbedenklichkeit geklärt ist. Das entspricht sehr vorbildlich dem Vorsorgeprinzip.“ Und anhand der WIDES-Datenbank könne man dann eben sehen, ob ein Stoff den erwähnten Erlass des Sozialministeriums erfülle oder nicht. Seit diesem Erlass habe sie jedenfalls sehr viel mehr Anfragen zu bearbeiten, da die Datenbank in ganz Österreich von allen Branchen, die Händedesinfektionsmittel einsetzten, verwendet werde und dadurch insgesamt bekannter geworden sei.

Weitere Verbesserungen erwirkt

Als einen von mehreren Schwerpunkten in den letzten Jahren hat die ÖkoKauf-Arbeitsgruppe „Desinfektion“ bei allen Dienststellen der Stadt Wien, die sie bezüglich Desinfektion berät, ein Monitoring der Desinfektionsmittel-Auswahl vorgenommen und weitere Verbesserungen erwirkt. Und zwar nicht nur in den Spitälern und Pflegeheimen, sondern auch in Schulen, Kindergärten, öffentlichen Bädern, der Zentralwäscherei oder der Wiener Rettung. Obwohl die meisten dieser Dienststellen die WIDES-Datenbank kennen und als Einkaufsgrundlage nutzen, schaute man sich also an, welche Desinfektionsmittel sie tatsächlich verwenden und ob Produkte mit besonders bedenklichen Inhaltstoffen darunter sind oder nicht. „Und im Großen und Ganzen waren wir sehr zufrieden“, sagt Jaros, „auch die HygieneexpertInnen, die diese Dienststellen beraten, haben den ArbeitnehmerInnenschutz im Blickfeld und schauen zumeist selbstständig in die WIDES-Datenbank.“ Man habe aber doch auch einige Ausreißer gefunden, zum Beispiel den Einsatz von mikrobiziden Seifen, die Triclosan enthalten. „Das ist dann Gott sei Dank abgestellt worden, und ein Jahr später ist dann auch tatsächlich von der EU-Kommission Triclosan für Desinfektionsprodukte für die menschliche Hygiene verboten bzw. nicht mehr neu zugelassen worden.“ (Triclosan ist hoch umweltgiftig und steht unter anderem unter Verdacht, hormonell wirksam zu sein  und zudem Antibiotikaresistenzen bei Bakterien zu fördern). Solche Produkte werden jetzt also ohnehin rasch vom Markt verschwinden oder sind es inzwischen schon.
Die in der WIDES-Datenbank enthaltene Produktzahl ist inzwischen deutlich gestiegen. Jaros: „Es sind mittlerweile auch viel mehr zusätzliche Firmen damit konfrontiert, dass es diese Datenbank gibt und ihre Händedesinfektionsmittel auch die in der WIDES ausgewiesenen Kriterien erfüllen sollten. Diese Firmen melden sich auch bei uns und lassen dann oft auch gleich Desinfektionsprodukte aus anderen Anwendungsbereichen in die WIDES integrieren.“ Es würden aber immer wieder auch Produkte aus der WIDES-Datenbank herausfallen – „weil wir als ein Qualitätskriterium eben auch verlangen, dass die Wirksamkeit der Produkte von einer unabhängigen Institution wie zum Beispiel ÖGHMP oder VAH getestet wurde. Solche Zertifikate über die Wirksamkeit sind aber immer nur ein paar Jahre gültig bzw. müssen dann erneuert werden, und wenn eine Firma das nicht macht, fällt das Produkt eben wieder raus aus der Datenbank.“

Herausforderung Biozidprodukte-Verordnung der EU

Eine weitere Aufgabe sieht die Arbeitsgruppe „Desinfektion“ im Zusammenhang mit der Biozidprodukte-Verordnung der EU auf sich zukommen. Jaros: „Nach dieser Verordnung müssen nun auch alle schon am Markt befindlichen Desinfektionsmittel neu zugelassen werden, und das ist ein Prozess, der jetzt gerade anläuft. Einige Händedesinfektionsmittel sind also schon in der Pipeline für eine Produktzulassung auf österreichischer oder auf EU-Ebene. Bei dieser Neuzulassung sollte ebenfalls geprüft werden, ob das jeweilige Produkt auch für sensible Personengruppen wie Schwangere erlaubt sein soll. Die Kriterien sind hierbei risikobasiert. Das heißt, dass ein besonders problematischer Stoff nicht prinzipiell, sondern erst ab einer als gefährlich geltenden Konzentration eine Zulassung für Schwangere verhindern wird.

Der geltende Erlass schließt die Verwendung von potentiell krebserregenden, entwicklungs- oder fruchtschädigenden Stoffen schon bei Verdacht aus, sobald ein solcher im Sicherheitsdatenblatt aufscheint.“ Rechtlich werde von einschlägigen JuristInnen derzeit davon ausgegangen, dass der Erlass trotz einer potentiell strengeren Regelung auch weiterhin zulässig sein werde, weil er sich speziell auf schwangere Arbeitnehmerinnen und nicht auf Privatpersonen beziehe. Gespräche zwischen den jeweils zuständigen Institutionen seien im Gange.“ Und: „Zumindest bis vor kurzem waren auch auf EU-Ebene die Zulassungskriterien für den Bereich der sensiblen Personengruppen noch nicht bis ins Detail abgeklärt. Möglicherweise ist hier auch noch ein gewisser Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung denkbar.“

Außerdem hat das Technische Büro Klade für die internationale NGO Health Care Without Harm eine Kategorisierung aller relevanten Wirkstoffe in drei Gefährdungsgruppen vorgenommen, um leichter festzustellen, welche Wirkstoffe man aus gesundheitlichen und/oder ökologischen Gründen nur dann verwenden sollte, wenn es keine Alternativen gibt. „Und es wird auch  demnächst eine Neuprogrammierung der WIDES-Datenbank online gehen, in der eine solche Kategorisierung nach einem Abstimmungsprozess mit unserem Expertenteam auch enthalten sein wird“, so Jaros. Die WIDES Datenbank werde nicht nur von der Stadt Wien finanziert und betrieben, sondern auch vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und vor allem von der AUVA fachlich und auch finanziell maßgeblich unterstützt. „So ist die WIDES Datenbank eines der vielen Projekte zum Schutz von ArbeitnehmerInnen, die ohne die AUVA in dieser Qualität nicht möglich wären“, betont Jaros abschließend.

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