Tagreinigung

Tagreinigung

Bewusstseinsarbeit  vonnöten

Ein Teil der Kunden könnte durch ein höheres Bewusstsein für das Thema Tagreinigung kompromissbereiter werden – meint Dr. Karin Sardadvar, Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung der WU Wien.

Karin Sardadvar
Dr. Karin Sardadvar

Rückblick 1: Im Rahmen einer AK-Info- und Diskussionsveranstaltung mit dem Titel „Der Wunsch nach dem Ende der Unsichtbarkeit (von Reinigungskräften)“ referierte Dr. Karin Sardadvar, damals FORBA – Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt, im Oktober 2013 über „Verbesserte Arbeitsbedingungen in der Reinigung“. Dazu präsentierte sie „Internationale Beispiele aus dem EU-Forschungsprojekt wal

qing (Work and Life Quality in New & Growing Jobs)“, an welchem – auf unterschiedliche Branchen verteilt – 11 Staaten beteiligt waren. Im Bereich Reinigung wurden Österreich, Norwegen, Spanien und Belgien untersucht. Tagreinigung eine Win-win-win-Situation? Gut für die Mitarbeiter, gut – oder zumindest nicht schlecht – für den Kunden und gut für den Dienstleister? Sardadvar, die derzeit an der WU Wien ein Projekt zum Thema Geteilte Dienste in der Reinigungsbranche und im Pflegebereich leitet: „Hier stellt sich die Frage, wie viel Bewusstsein beim Kunden dazu überhaupt besteht. Warum Tagesreinigung auch gut für den Kunden sein könnte,
wurde in dem erwähnten EU-Forschungsprojekt walqing herausgearbeitet. Damals gab es in Belgien auch eine große öffentliche Kampagne für Tageszeitreinigung, und da hat man auch die entsprechenden Vorteile hervorgestrichen“
(s. Info-Kasten S.19). Fragmentierte Arbeitszeiten hätten ja auch für die Dienstleistungsunternehmen Nachteile: „Punkto
Organisation und Personaleinteilung wäre es oft wesentlich einfacher, wenn die MitarbeiterInnen zum Beispiel sechs Stunden am Stück arbeiten könnten.“
Rückblick 2: Nach einer EFCI-Studie (Europäischer Dachverband der Reinigungsbranche) aus dem Jahr 2014 war der Anteil der Tagreinigung in Österreich damals sehr gering – 8 Prozent gegenüber mehr als 70 Prozent beispielsweise in Schweden und Finnland. Nun hätte man diese „österreichischen“ 8 Prozent vermutlich etwas genauer hinterfragen müssen, denn allein die in den Verträgen der Bundesbeschaffung geleisteten Stunden finden – von der BBG 2014 erhoben – zu 70 Prozent in der Zeit von 8 bis 16 Uhr statt. Und auch in den vielen Bereichen im Gesundheitswesen findet natürlich Tagesreinigung statt. Dennoch muss man die Frage stellen: Wie kamen die Skandinavier zu diesem derart hohen Tagreinigungsanteil? „Durch gemeinsame Bemühungen der beteiligten AkteurInnen, vor allem der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, aber auch unter Einbeziehung der Kunden, ist es etwa in Norwegen gelungen, den Austausch zu verstärken und Bewusstsein für das Thema herzustellen“, erklärt Sardadvar diese Entwicklung. „Weitere Faktoren, welche die Erhöhung des Tagreinigungsanteils begünstigt haben, waren hohe Kosten für Nachtzuschläge, der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit und generelle Professionalisierungstendenzen in der Branche. Was letztlich wirklich entscheidend war, gilt es erst noch zu erforschen. Im Frühjahr fahre ich dazu nach Norwegen, um vertiefende Forschungen anzustellen.“
Auch genaue Daten dazu, ob sich in Österreich in den letzten Jahren etwas verändert hat in Richtung mehr Tagreinigung, gelte es erst zu recherchieren. „Vereinzelt gewinne ich jedoch den Eindruck, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt und dadurch auch mehr Bewusstsein entsteht“, so Sardadvar. Zwei Arbeitgeber hätten ihr etwa kürzlich von Umstellungen auf Tagesarbeitszeit in ihren Unternehmen berichtet, und in beiden Fällen habe man erzählt, „dass man erst einmal hatte darauf kommen müssen, dass es diesbezüglich eine Problematik gab.“ Und habe sich dann – so ihr Eindruck – gesagt: ,Jetzt, wo uns das klar ist, versuchen wir, das auch zu ändern.‘ Daher sei sie überzeugt, dass man durch entsprechende Aufklärung und Bewusstseinsarbeit schon einiges in diese Richtung bewirken könnte – umso mehr, als sie im Rahmen ihrer Forschungsarbeit festgestellt hätte, wie unbekannt diese Problematik einer breiteren Bevölkerung sei. „Ich glaube, dass ein Teil der Kundinnen und Kunden durch ein höheres Bewusstsein für diese Problematik auch kompromissbereiter werden könnte“, so Sardadvar.

Müssen viel Aufklärungsarbeit leisten

Gerhard Komarek, LIM Wien und Berufsgruppenobmann, will Möglichkeiten finden, die Auftraggeber von der Vorteilen, die alle von Tagreinigung haben, zu überzeugen. Von einer Regelung, die den Dienstleister und weiters den Auftraggeber verpflichtet, die Reinigung untertags durchführen zu lassen, hält er aber nichts – „auch weil das bei manchen Kunden gar nicht ginge.

Gerhard Komarek
Gerhard Komarek

Dem österreichischen Reinigungskunden ist angewöhnt worden, untertags nicht durch die Reinigung gestört zu werden. Gibt es abgesehen von diesem Gewohnheitsaspekt etwas, das auf Kunden-Seite gegen Tagreinigung spricht? Gerhard Komarek, LIM Wien und Berufsgruppenobmann: „Beispiel AMS – da ist es ganz klar, dass man nicht untertags, sondern in der Früh und am Abend Reinigungskräfte einsetzt, da es sehr viele Beratungsbereiche gibt, sprich: Bereiche, wo der Berater / die Beraterin mit einem Arbeitssuchenden im Gespräch ist und ein Staubsauger im Einsatz ganz klar stören würde. Oder zum Beispiel auch im Besprechungsbereich in einem Ministerium oder auch bei großen privaten Kunden, die mehrere Besprechungsbereiche haben.“ Es gebe viele Bereiche, wo es möglich sei, aber auch viele Bereiche, wo es nicht möglich sei, zum Beispiel in einem lebensmittelverarbeitenden Betrieb wie einem Schlachthof oder auch in einer Therme, wo untertags Tausende Menschen die Anlagen benutzen. Bei einem Thermenbetrieb 8 bis 22 Uhr könne die Reinigung eben erst um 22 Uhr anfangen. „Deshalb kann man es auch nicht kollektivvertraglich verpflichtend so gestalten, dass es einen Zuschlag geben muss, wenn in der Nacht oder zu Randzeiten gereinigt wird“, ist Komarek überzeugt. „Denn wie käme eine Therme oder ein Produktionsbetrieb, wo Tagreinigung nicht möglich ist, dazu, automatisch mehr zahlen zu müssen? Das wäre also der falsche Weg.“

Vorteile für den Kunden

Komarek glaubt vielmehr, „dass es unsere jetzige Hauptaufgabe ist, diese geteilten Dienste von einer Person wegzubekommen.“ Für eine Reinigungskraft, die am Vormittag 4 Stunden arbeite, dann 6 Stunden Pause habe und dann noch einmal 4 Stunden arbeite, seien das keine guten Bedingungen. Und es gebe viele Bereiche, wo man das sehr wohl umstellen könnte auf Tagesreinigung, aber eben nicht überall – und vor allem nicht verpflichtend. „Denn sonst müssten wir noch eher die Sorge haben, dass am Abend dann, wenn es um Zuschläge geht und die Leute auch mehr verdienen, auch viel mehr am Abend arbeiten wollen. Man sieht das ja bei den Reinigungsbetrieben, die in speziellen Bereichen tätig sind, wo Mitarbeiter für bestimmte Tätigkeiten auch mehr Geld bekommen. Oder weil es Arbeiten sind, die nach 21 Uhr stattfinden und für die es um einiges mehr Geld gibt“, so Komarek. Diese Betriebe bekämen sofort viel mehr Mitarbeiter, als es für diese Tätigkeit brauche – obwohl es in der Nacht wäre. Von einer Verpflichtung halte er hier also nichts, „vielmehr müssen wir viele Aufklärungsgespräche führen.“ Denn da, wo Tagreinigung möglich wäre, sieht Komarek auch Vorteile für den Kunden: „Ein Kundenvorteil ist, dass er einen geringeren Energieaufwand hat, denn zumindest in den Wintermonaten muss zeitig in der Früh und am Abend immer mit Licht gearbeitet werden.“ Oder im Bereich der Hochsicherheit: „Wenn es da für die Reinigung am Abend bzw. nach Betriebsschluss zusätzlich auch noch Personen braucht, die die Reinigungstätigkeit eigens bewachen oder beaufsichtigen, bedeutet das einen beträchtlichen (personellen und finanziellen) Mehraufwand gegenüber einer Reinigung untertags bzw. während des laufenden Betriebes.“ Für den Kunden sei es kostentechnisch, energietechnisch und sicherheitstechnisch sicher von Vorteil.

Geteilte Dienste familien­technisch eine Belastung

Bei den Vorteilen mitarbeiterseitig bei mehr Stunden am Stück anstatt geteilter Dienste denkt Komarek vor allem an die Reinigungskraft mit Kindern, die um 6 in der Früh mit der Arbeit beginnen muss: „Diese Reinigungskraft schafft es nicht, ein Kind selber in den Kindergarten zu bringen. Das heißt, sie hat das sowieso anders organisiert bzw. ein Familienmitglied oder die Nachbarin bringt das Kind in den Kindergarten, denn sie ist schon ab 5:30 Uhr zum Arbeitsplatz unterwegs. Es ist aber eine psychische Belastung für sie, wenn sie immer daran denken muss, ob es eh alles klappt. Und dann vielleicht noch zu Mittag, wenn sie das Kind wieder abholt vom Kindergarten, die Sorge, vielleicht länger zu brauchen – diese Arbeitszeitenverschiebungen sind auch familientechnisch ganz schwierig, die psychische Belastung ist hier sicher groß.“ Wenn diese Reinigungskraft aber am Vormittag ab 7 oder 8 arbeiten könnte, hätte sie jedenfalls Zeit und Ruhe, das Kind in den Kindergarten zu bringen, und hat daher auch „die Sicherheit, dass alles geklappt hat und das Kind gut versorgt ist.“
Erleichterung für die

Organisation der Betriebe

Und für den Dienstleister? Erleichtert ihm Tagesreinigung die Logistik? Komarek: „Ein Dienstleister, der um 7 oder 8 Uhr beginnt, findet sicher viel einfacher Personal als einer, der um 6 Uhr beginnt. Wenn man Objekte hat, wo man nur geringe Zeiten am Tagesrand zur Verfügung hat und dann statt 5 Reinigungsdamen 10 braucht, oder wie in vielen Bereichen 20 statt 10, dann ist der Aufwand mit Organisieren der Personen, mit Vertretungen bei Krankenstand oder Urlaub viel höher.“ Und das Anstellen von Mitarbeitern zeitig in der Früh und für wenig Stunden werde immer schwieriger: „Die Zeiten, wo wir uns haben aussuchen können, welche Reinigungskräfte wir einsetzen, sind vorbei“, sagt Komarek. Aus dem Westen Österreichs höre er, dass mittlerweile Aufträge nicht mehr angenommen werden könnten, weil es keine Menschen gebe, die in der Reinigung tätig werden wollten. „Das heißt, wir sind sowieso sukzessive gezwungen, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fast auf Händen zu tragen und zu motivieren, damit sie auch weiterarbeiten wollen. Das ist eine große Herausforderung. Und für den Objektleiter oder Service-Manager ist es natürlich viel einfacher, Leute zu bekommen, die um 8 in der Früh anfangen und dann 4 – 5 Stunden arbeiten können, als für die Zeit davor. Das heißt, es würde auch für unsere Betriebe und deren Organisation eine Erleichterung geben.“

Es muss dann auch ent­sprechend ausge­schrieben werden

Komarek auf die Frage, worin sich bezüglich Tagreinigung die Ansichten der Arbeitgebervertretung von jenen der Gewerkschaft unterscheiden: „Grundsätzlich haben wir hier die gleichen Ansichten. Das Einzige, was uns unterscheidet, ist der Wunsch der Gewerkschaft, dass Tagreinigung gesetzlich vorgeschrieben wird, sprich: dass wir eine Regelung finden, die den Dienstleister und weiters den Auftraggeber verpflichten würde, die Reinigung untertags durchführen zu lassen. Und das wollen wir nicht. Weil das bei manchen Kunden gar nicht ginge, Beispiel Schulhaus, und zum anderen, weil wir für unsere Firmen keine Einschränkung wollen, wie sie ihre Dienstleistung zu gestalten haben.“ Schließlich sei der Auftraggeber der, der zahle, und wenn dieser einen guten Grund habe zu sagen, das das bei ihm nicht gehe, dann müsse ihm das auch zugestanden werden. „Mir ist viel lieber, wir finden Möglichkeiten, die Auftraggeber von der Vorteilen, die alle, auch sie, davon haben, zu überzeugen und dass dann auch entsprechend ausgeschrieben wird“, sagt Komarek.

Unsere Kunden entscheiden

Ing. Markus Holly, Bundesbeschaffung GmbH, Fachbereichsleiter Strategischer Einkauf Facilities und Arbeitswelten, im Kurzinterview zum Thema Tagreinigung.

Reinigung aktuell: Tagreinigung wird allenthalben als Win-win-win-Situation beschrieben – gut für die Mitarbeiter, gut für den Kunden und gut für den Dienstleister. Nur wirklich bewegen tut sich hierzulande kaum etwas. Hat sich bei den Kunden der BBG etwas verändert?

Markus Holly
Markus Holly

Holly: Ob Tagesreinigung eine Win-win Situation erzeugt, entscheiden unsere Kunden und Auftraggeber. In unseren Ausschreibungen haben wir die Reinigungszeiten so festgelegt, wie sie im KV geregelt sind, also von 6 bis 21 Uhr. Der Auftraggeber kann diese dann innerhalb dieses Rahmens mit dem Dienstleister auch anders vereinbaren, wobei wir Tagreinigung für uns selber als die Zeit von 8 bis 18 Uhr definieren. Wir haben jetzt eine neue Schnellumfrage gemacht, bei der wir sehen, dass es gegenüber unserem Letztstand nur geringfügige Veränderungen gibt.

Nach einer Datenerhebung der BBG im Jahr 2014 fanden 70 Prozent aller in Ihren Verträgen geleisteten Reinigungsstunden von 8 bis 16 Uhr statt. Hat sich hier etwas verändert?
Die Tagreinigung ist gegenüber dieser Studie, die wir 2014 gemacht haben, von 70 auf 68 Prozent leicht gesunken, mit Randzeiten-Reinigungen liegen wir bei 32 Prozent. Das ist für uns aber auch begründbar, weil wir eine Verschiebung hauptsächlich durch einen einzigen Großauftraggeber haben, der sein Leistungsprofil so definiert hat, dass eben nur zu den Randzeiten gereinigt werden kann.
2014 war es so, dass 19 Prozent der Reinigungszeiten bei unseren Kunden auf die Zeit von 6 bis 8 Uhr fielen – das hat sich nur um 0,1 Prozent verändert –, um 0,5 Prozent hat sich der Wert zwischen 8 und 16 Uhr erhöht, und von 16 bis 18 Uhr ist dieser um 2,4 Prozent gesunken, von 18 bis 21 Uhr von 11 auf 12,7 Prozent gestiegen. Bei den Kunden der BBG hat die Tagreinigung zwischen 8 und 18 Uhr das absolute Übergewicht.

Gibt es die Möglichkeit, bei Ihren Kunden quasi auf eine Veränderung hin zu mehr Tagreinigung zu drängen?
Nein, diese Möglichkeit besteht aufgrund unserer gebündelten Vergaben eher nicht. Der Anteil an Tagreinigung, den wir jetzt haben, hat sich mehr oder weniger selbst so generiert. Wir bewerben dieses Thema nicht aktiv, legen es auch in unseren Verträgen nicht fest. Der Kunde kann sich, wie gesagt, die Reinigungszeiten mit dem Dienstleister selbst vereinbaren.

Man könnte, wenn man wollte…

Ursula Woditschka, Gewerkschaft Vida, wünscht der Reinigungsbranche „aufgeklärte Mitarbeiter in den Firmen, die Aufträge vergeben.“

Ursula Woditschka
Ursula Woditschka

Für Ursula Woditschka von der Gewerkschaft Vida, Fachbereich Gebäudemanagement, müsste (wie auch für Gerhard Komarek, s. S. 20) die Umsetzung von mehr Tagreinigung schon bei der Auftragsvergabe beginnen. Daher wünscht sie den Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Reinigung „aufgeklärte Mitarbeiter in den Firmen, die Aufträge vergeben.“ Dagegen seien es vielfach Laien, die in den Unternehmen mit Beschaffungsaufgaben beschäftigt sind. Und für diese entscheide im Normalfall nur der Preis, sagt Woditschka, weil er aus seinem Wissen heraus gar nicht mit anderen Kriterien bemessen könne, ob es auch das beste Angebot sei. Generell zum Thema „Tagreinigung“ brauche man sich nur anzuschauen, wie ein Bürobetrieb funktioniere: „Die wenigsten sitzen 8 Stunden an ihrem Arbeitsplatz, es gibt Raucher, die zwischendurch mal rausgehen, bei Besprechungen sind gleich mehrere Büros zeitgleich unbesetzt – man könnte also, wenn der Wille eines Auftraggebers gegeben und die Koordination zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer besser funktionieren würde bzw. wenn es abgesprochen wäre, durchaus in nahezu allen Bereichen eine Tagesreinigung einführen“, meint Woditschka. Dazu sei aber Aufklärung notwendig – „und bei der Beschaffung Personen, die auch Fachfrauen und Fachmänner in der Reinigung sind.“

kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

neueste beiträge