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Schädlings-„Austreibung“ im Stift Admont

Bohrmehlhäufchen in den Regalen der größten Klosterbibliothek der Welt markierten den Anfang eines beispiellosen Schädlingsbekämpfungs- und Reinigungsprojekts.

Text: Hansjörg Preims

Es war ein Jahrhundert-Projekt. Von 2004 bis 2008 wurde die Bibliothek des Benediktinerstifts Admont, die größte Klosterbibliothek der Welt, komplett restauriert. Das war dringend notwendig geworden, da der Weiterbestand von Teilen der baulichen Substanz und eines beträchtlichen Teils der Bücher gefährdet war. In drei großen Arbeitsphasen wurden unter der Aufsicht des Bundesdenkmalamtes alle Bestände aus Stein und Metall, die Deckenfresken, der gesamte Skulpturenschmuck sowie sämtliche Bestandteile aus Holz restauriert, der gesamte Buchbestand von rund 70.000 Stück wurde gereinigt und auf Schäden hin untersucht. Über 5.000 Bücher wurden restauriert. 2008 erstrahlte dieses architektonische und kunstgeschichtliche Juwel dann wieder in altem Glanz und sollte somit für weitere Generationen gesichert sein.

Doch es vergingen nicht einmal zehn Jahre, bis erneut großer Schaden drohte: Bohrmehlhäufchen in den Regalen, besonders vor Büchern mit dunklem Ledereinband waren ein klares Zeichen für aktiven Käferbefall. „Es waren seit der Generalrestaurierung nämlich nur der Boden und das Gesimse regelmäßig gereinigt worden, mit der Reinigung der Bücher und der Regale hatte man sich eigentlich kaum mehr befasst“, sagt Karin M. Schamberger, seit 2014 Bibliothekarin im Benediktinerstift Admont und auch zuständig für Bestandserhaltung der Stiftsbibliothek. Über Jahre hatten sich also Larven von Buchschädlingen ungestört in die Einbände bohren, sich dort verpuppen und als ausgewachsene Käfer weiter auf Nahrungssuche gehen können. Ein Gutachter wurde hinzugezogen, der schon Erfahrung hatte mit Käferbefall von Büchern. In den Fensternischen wurden Insektenfallen aufgestellt, und durch Beobachtung derselben konnten die Übeltäter identifiziert werden: Am Werk waren Gemeiner Diebskäfer und Speckkäfer sowie auch Silberfischchen. In den Büchern fanden sich lebende Maden, die sich in den Einband hineingefressen hatten.

Begasung war unumgänglich

Über den Sommer 2014 nahm der Befall dann sichtlich zu, man ließ ein Expertengutachten erstellen, welches das ganze Ausmaß des Befalls sichtbar machte – und wonach es sich dann als unumgänglich erwies, eine Giftbegasung durchzuführen. Schnelles Handeln war dabei nicht nur wegen des zunehmenden Befalls gefragt, sondern auch, weil für die Wirksamkeit des Gases eine gewisse Raumtemperatur gegeben sein musste. Zumindest sollten die Käfer noch nicht in der Winterstarre sein, sodass das Kloster noch im Oktober 2014 die Firma Binker Materialschutz GmbH aus Deutschland mit der Begasung des 70 Meter langen, 14 Meter breiten und 13 Meter hohen Büchersaals beauftragte. Alle Lebensstadien der Schädlinge – Käfer, Larven, Puppen und Eier bzw. Brut – mussten vollständig bekämpft werden. Aber ohne der wertvollen Bibliothek, den Büchern und Bänden, Skulpturen und Fresken mit ihren vielen Legierungen und Farben Schaden zuzufügen. Und ohne dass chemische Rückstände oder Gasreste für Besucher und Nutzer zurückbleiben.

Deshalb entschied sich die Firma Binker für eine spezielle Begasung mit Sulfuryldifluorid, das so genannte Altarion-Viklean®-Verfahren (s. Infobox), bei welchem das handelsübliche Begasungsmittel „Vikane®“ nochmals direkt vor Ort mittels patentierter Filterstufen von jeglichen fabrikmäßigen Verunreinigungen wie Säuren gereinigt wurde. Damit konnte gewährleistet werden, dass es zu keinen Korrosionen oder unerwünschten Reaktionen an den begasten Kunstgütern und Baumaterialien sowie an deren Oberflächen kommen würde.

Zuvor aber mussten die mehr als 60 Fenster, die Türen und sonstige Öffnungen sorgfältig gegen das Entweichen des Gases mit speziellen Gassperrfolien versiegelt werden. Die Bibliothek und auch angrenzende Räume wurden für fünf Tage gesperrt. Der Begasungsleiter der Fa. Binker und seine Crew überprüften mittels eines Dichtigkeitstests die hinreichende Dichtigkeit. Zusätzlich wurden zur Wirksamkeitskontrolle der Begasung Testinsekten in genormten Holzklötzen in die zu begasenden Bibliotheksräume ausgelegt. Damit auch während der Gaseinwirkzeit stets genügend Begasungsmittel auf die Schädlinge einwirken konnte, erfolgten regelmäßig Konzentrationsmessungen über vorher in der Bibliothek verlegte Messleitungen. Die Messwerte zur Präzisionsbegasung wurden in der Rechenzentrale der Fa. Binker mit einem eigens entwickelten Computerprogramm ausgewertet. Nach wenigen Tagen Einwirkzeit wurden die begasten Bibliotheksräume dann wieder kontrolliert belüftet und nach Gasspürmessungen mit hochempfindlichen Messgeräten schließlich zum gefahrlosen Wiederbetreten der Öffentlichkeit freigegeben.

Langfristiges Reinigungskonzept

Damit war für das Stift Admont dieses gewaltige und kostenintensive Schädlingsbekämpfungsprojekt aber noch lange nicht abgeschlossen. Denn wie der vom Stift beauftragte Restaurator Christian Moser vom Stadtarchiv Salzburg aufgrund seiner Erfahrung in anderen Bibliotheken wusste, ist es mit dem Abtöten der Insekten allein nicht getan. Und schließlich galt es auch, für die Zukunft zu planen bzw. ein Reinigungskonzept zu erstellen, das dauerhaft wirksam sein würde. Da die Fenster der Bibliothek nicht dicht sind – und aus klimatechnischen Gründen auch keinesfalls abgedichtet werden dürfen – und jährlich 60.000 Menschen die Bibliothek besuchen, war zunächst einmal klar, dass immer wieder Schadinsekten in die Bibliothek eindringen würden. Das erste Ziel musste deshalb sein, diesen neuen Insekten möglichst wenige Nahrungsquellen zu bieten, um ihre Vermehrung in Grenzen zu halten. Und dies bedeutete, dass man daran gehen musste, alle toten Insekten, Larven und Eier aus den Büchern und Regalen zu entfernen – gerade diese Kadaver sind auch beliebte Plätze zur Eiablage. Diese Reinigungsaktion ist noch im Laufen und wird laut Bibliothekarin Schamberger erst Ende 2016 abgeschlossen sein.

Bohrmehl und Staub, der sich auf den Buchschnitten ablagert, sind ebenfalls zu entfernen. Zu bedenken war bei der Vorbereitung dieses Reinigungsprojektes auch, dass einerseits der laufende Betrieb keinesfalls durch Staubsaugerlärm gestört werden darf, andererseits es aber auch nicht möglich sein würde, die Bestände als Gesamtes aus der Bibliothek zu entfernen und an einem anderen Ort zu reinigen. Restaurator Christian Moser hatte schließlich die zündende Idee, zwei Staubsauger an der Außenfassade des Stiftes anzubringen und vier lange Saugschläuche durch die Fenster in den Bibliotheksraum zu führen. Seitdem reinigen speziell eingeschulte ArbeiterInnen auf Gerüsten die Bücher systematisch von oben nach unten. Zunächst werden die Buchschnitte rundherum abgesaugt, dann werden die Bücher geöffnet und nach Bedarf Seite für Seite gereinigt. Zuletzt werden die Regale abgesaugt und desinfiziert.

Die Linzer Munz GmbH lieferte die speziell adaptierten Staubsauger samt verschiedenen Saugbürsten und so genannten Sauglanzen, mit denen man auch in den Hohlraum hinter einem Buchrücken hineinkommt. „Wir haben natürlich auch das Problem, dass wir ein wechselndes Klima in der Bibliothek haben, im Winter nahezu null Grad und im Sommer über 25 Grad, deshalb haben wir jetzt über den Winter die ganze Aktion in einen angrenzenden Raum verlegt, wo die Bücher zur Säuberung hingebracht werden“, sagt Karin M. Schamberger. Nach Abschluss dieser akribischen Bücher- und Regalreinigung will man zumindest eine der Damen behalten, die das Ganze weiter fachgerecht betreuen soll. Die regelmäßig Insektenfallen aufbringt und beobachtet, ob neue Insekten hereinkommen. Die auch mal mit einem Handstaubsauger durchgeht und die Regale sowie hinter den Büchern und auch die Buchschnitte reinigt. Die beobachtet, ob frisches Bohrmehl anfällt.

„Jedenfalls wollen wir zukünftig nicht mehr mit Gift begasen“, so Frau Schamberger, „sondern im äußersten Fall regalweise Stickstoff einsetzen.“ Das könne man auch neben dem Besucherverkehr machen, es würden dann einfach die einzelnen Regalreihen mit Plastik abgedeckt, um Stickstoff einzuleiten und für mehrere Wochen zu belassen.“

Pheromonfallen- und Lockstoffmonitoring

Um in Zukunft rechtzeitig neuem Schädlingsbefall vorzubeugen, installierte die Bibliotheksverwaltung auch ein von der Fa. Binker angebotenes Pheromonfallen- und Lockstoffmonitoring. Bei einem dieser neuentwickelten Monitoringsysteme kriechen die Larven der Schädlinge – wie Museums- und Teppichkäfer – angelockt von einem Fraßköder in die Öffnungen eines Lockstoffbehälters und verweilen und fressen darin. Dabei nehmen sie an Umfang zu und müssen sich häuten. Die Häute verbleiben im Behälter und werden somit bei der regelmäßigen Inspektion von vielen in der Bibliothek ausgelegten Behältern sofort erkannt – der Befall in der Bibliothek wird sichtbar (Monitoring). Auch kann dadurch der Befallsumfang abgeschätzt werden. So lassen sich innerhalb der Bibliothek die Befallsherde eingrenzen – was vor allem im Anfangsstadium eines Befalls wichtig ist, damit er sich nicht etabliert.


Das Altarion-Viklean®-Verfahren

Beim Altarion-Viklean-Verfahren wird als Begasungsmittel Sulfuryldifluorid (Vikane*) verwendet, welches vor dem Einleiten in den zu begasenden Raum über ein patentiertes Filtersystem geleitet wird, die dem Sulfuryldifluoridgas vorwiegend die herstellungsbedingten, sauren Verunreinigungen entziehen. Es wird somit nur säurefreies und hochreines Sulfuryldifluorid appliziert und Nebenreaktionen, wie bei anderen toxischen und reaktiven Begasungsmitteln, sind bisher noch nicht beobachtet worden. Selbst bei Begasungen in Kirchen zeigen die extrem empfindlichen, polierten Orgelpfeifen aus Zn-Pb-Legierungen keinerlei registrierbare Schäden. Untersuchungen an historischem Glas, Metallen, Pigmenten, Gold- und Silberauflagen, feuchtem Holz etc. geben unter den genannten Bedingungen ebenfalls keine Hinweise auf Materialveränderungen.

Sulfuryldifluorid ist hochwirksam, farblos, nicht brennbar, geruchlos und ungefähr 3,5-mal schwerer als Luft. Durch den extrem niedrigen Siedepunkt von -55 °C besteht keine Gefahr der Kondensation an kalten Oberflächen, und eine hohe Mobilität der Gasmoleküle ist selbst bei kalten Umgebungstemperaturen gewährleistet. Der Einsatz von Wärmetauschern ist nicht notwendig. Umweltstudien zufolge ist das Gas weder krebserregend noch ozonschädigend.

Quelle: Binker Materialschutz GmbH (D)


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