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Sanierungshilfe im Katastrophenfall

Die Branche der Brand- und Wasserschadensanierer ist unscharf zwischen Facility Management, Reinigung, globalen Playern und lokalem Gewerbe angesiedelt. Der junge Sektor boomt, aber die Anforderungen steigen ebenso. Wer die Sanierer sind, wo sie punkten, wie ihre Dienstleistungen aussehen.

Text: Heinz van Saanen

Das Glück ist ja sprichwörtlich ein Vogerl, das Pech aber auch. Und das schlägt oft genug zu. Und wenn es so richtig zuschlägt, werden Katastrophen existenzbedrohend. Das gilt selbst für Vorzeige-Industriebetriebe wie Engel in Schwertberg. Das Jahrhunderthochwasser vor rund 10 Jahren hat Engel damals geschätzte 150 Millionen Euro gekostet. Und überlebt hat das der Leitbetrieb möglicherweise nur, weil das Finanzministerium so etwas wie eine „Lex-Engel“ angewendet hat und von einer „harten“ Prüfung der steuerlichen Unterlagen abgesehen hat. Mit gutem Grund. Die Papierbelege und Computer sind in der Flut genauso untergegangen wie die Produktionshallen. Kleinere oder größere Katastrophen treffen aber auch KMU oder Privatpersonen. Und sind dort oft nicht weniger existenzbedrohend. Dann schlägt die Stunde der Schadensanierer. Der Markt für Brand- und Wasserschadensanierung ist vergleichsweise jung. Die Ursprünge der Branche liegen im großindustriellen und gewerblichen Umfeld, wo seit rund 40 Jahren spezialisierte Dienstleistungen angeboten werden. Für die Großkunden sind mehrere Faktoren ausschlaggebend, die für den Einsatz externe Schadensanierer sprechen. Ein Ziel ist es etwa, die Dauer von Betriebs- und Produktionsstörungen zu minimieren. Produktionsausfälle sind – wie Sachschäden – zwar versicherbar, für einen Industriebetrieb ist das freilich nur die halbe Miete. Marktanteilsverluste oder Imageschäden sind nicht versicherbar, und diese Risiken können beträchtlich sein. Die Flutkatastrophe in Ostasien hat etwa die halbe Festplattenindustrie lahm gelegt. Betroffen waren nicht nur die Datenträgerhersteller selbst, die Unterbrechung der globalen Lieferketten setzt seit einem halben Jahr auch die IT- und PC-Hersteller gehörig unter Druck.
Auch wenn die Anfänge schon länger zurückliegen, den großen Schub verzeichneten die Schadensanierer erst Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre. Etwa in diese Zeit fällt auch die Gründung der heute führenden globalen und lokalen Platzhirsche (s. Infokasten S. 36). Ein Mitgrund für die rasante Entwicklung seit etwa 20 Jahren ist, dass die professionelle Brand- und Wasserschadensanierung auch im Privatbereich üblich geworden ist. Zusätzlich treiben die Versicherer das Geschäft an. Diese orten gleich mehrfach Kostenvorteile. Einerseits durch schnelle Reparatur, andererseits aber auch durch die Standardisierung und den Großeinkauf von Standardabläufen. Wie der Markt in Österreich genau aussieht, lässt sich mangels Studien nur umreißen. Bei der Anzahl der Anbieter etwa kommen die befragten Branchenexperten zu höchst unterschiedlichen Einschätzungen. Die einen sehen vielleicht „20 bis 30 Unternehmen“, die anderen wieder „mehrere hundert“. Die Divergenz ist aber leicht zu erklären. Der Markt für Schadensanierung ist ziemlich fragmentiert. Der Bogen reicht von Big Playern bis zu Kleinstunternehmen, von Generalisten bis hin zu Spezialisten im Leckortungs- oder Tatortreinigungsbereich. Drückt man die Augen zu, gehen selbst Maler oder Installateure als Schadensanierer durch, wenn sie einschlägige Zusatzdienstleistungen anbieten. Dazu kommt, dass die Branche in den letzten Jahren einen regelrechten Boom verzeichnet hat. Vor allem Kleinanbieter sind wie Schwammerl aus dem Boden geschossen. Mit „Rainbow International“ hat sich sogar ein Anbieter etabliert, der Management-Dienstleistungen rund um Schadensanierung, Versicherungen und Hausverwaltungen via Franchise-System im Komplettpaket verkauft.

Marktturbulenzen

„Der Markt war einmal beschaulich. Dann kam die Pionier- und Aufbruchsphase, zuletzt die Goldgräberstimmung, wo jeder mitmischen will. Und jetzt kommt, was kommen muss: Eine Konsolidierung ist absehbar“, sagt Christian Kohl, Geschäftsführer von Polygon Austria.

Die großen internationalen Anbieter sind ausgewachsene Konzerne. Die US-amerikanische BELFOR hat weltweit rund 5500 Mitarbeiter und Töchter oder Niederlassungen in 30 Ländern. Zu den Riesen zählt auch die deutsch/dänische Polygon, die es auf ein Netzwerk von 2800 Technikern in 15 Ländern bringt. Ein Spezifikum der Branchengrößen: So international sie auch agieren, so lokal müssen sie aufgestellt sein. Polygon Austria bringt es etwa quer über die Bundesländer auf stolze 16 Stützpunkte vor Ort. Marktführer in Österreich dürfte – nach Schätzungen – die oberösterreichische Mibag sein. Die Sierninger bringen es alleine in Österreich auf kolportierte 30 Millionen Euro Umsatz. Der Umsatz wird fast zur Gänze im Bereich Brand- und Wasserschaden generiert, ein kleiner Teil entfällt auf Spezialsegmente wie etwa Mauerabdichtung. Die Mibag Holding ist aber nicht nur in der Alpenrepublik tätig, sondern auch in den Nachbarmärkten Deutschland, Tschechien und Slowakei und zählt – zumindest nach mitteleuropäischen Maßstäben – auch schon zu den Riesen. Einen kometenhaften Aufstieg in den Reigen der größeren heimischen Anbieter hat soeben ETS Egger hingelegt. Am 1. Mai war für die Steirer ein besonderer „Tag der Arbeit“. ETS schloss mit diesem Datum die Übernahme von Teilbereichen der EISBÄR Dry-Tec ab. Die Fusion der Sanierungs- und Trocknungsprofis schafft auf einen Schlag einen neuen Mitbewerber, der beinahe bundesweit und flächendeckend agiert. Wie sich das auf die Marktverhältnisse auswirkt, bleibt noch abzuwarten. Nach Meinung von Branchenexperten katapultiert sich das steirische Traditionsunternehmen damit in die obere Liga der heimischen Anbieter.

Heimo Ernst Weiss
„Die Versicherungen versuchen mit unterschiedlichen Ansätzen bei Schadensanierern so günstig als möglich einzukaufen. Das Modell ist in gewissem Sinn das der Standardisierung und Organisation des KFZ-Haftpflichtbereichs“, so BELFOR Austria Chef Heimo Ernst Weiss. In der Brand- und Wasserschadensanierung sei das aber ungleich schwieriger.

Eine Entwicklung ist freilich absehbar. Der Einstieg von ETS in das bundesweite „Big Business“ dürfte die ohnehin leicht volatile Marktsituation nicht gerade entspannen. Vor allem wenig spezialisierte Klein- und Kleinstanbieter dürften nach der Boomphase unter Druck geraten. „Der Markt war einmal beschaulich, dann kam die Pionier- und Aufbruchsphase, zuletzt die Goldgräberstimmung, wo jeder mitmischen will. Und jetzt kommt, was kommen muss: Eine Konsolidierung ist absehbar“, sagt Christian Kohl, Chef von Polygon Austria. Mit der Einschätzung und dem Statement steht Kohl nicht alleine da. BELFOR Austria Boss Heimo Ernst Weiss formuliert das beispielsweise so: „Der Markt ist nicht nur leicht inhomogen. Er wird auch härter, könnte man sagen“. Dass der Markt härter wird, liegt aber nicht nur auf der Anbieterseite. Auch die Nachfrager machen Druck. Neben den großen Hausverwaltungen ziehen vor allem die Versicherer die Kostenschrauben an. Haben früher die Schadensreferenten vor Ort noch quasi „freihändig“ vergeben, erfolgt der Einkauf von Schadensanierungs-Dienstleistungen zunehmend zentral gesteuert. Zudem wünschen sich die großen Nachfrager zunehmend einen „One stop shop“. Dieser soll Schäden nicht nur schnell beheben, sondern auch noch die ganze Erhebung und Abwicklung koordinieren – und das am besten bundesweit. „Das Modell ist in gewissem Sinn das der Standardisierung und Organisation des KFZ-Haftpflichtbereichs“, sagt Weiss. Der BELFOR-Austria-Boss spricht an, wo der Branchenschuh drückt: „Wenn die Versicherer einen Weg finden, solche Rahmenvertragsmodelle konsequent zu platzieren, ist das nur für eine beschränkte Anzahl von Anbiertern vorteilhaft – und wird den Preisdruck erhöhen.“

ProfessionAlisierungsdruck und Nischen-Suche

Rosa Zelenka
„Wir kümmern uns auch um den Faktor Mensch. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei den Schadensfällen oft um einschneidende oder gar existenzbedrohende Ereignisse handelt“, sagt Rosa Zelenka, Prokuristin der ASTRA-Services. Neben Wasser- und Brandschadensanierung hat sich ASTRA auch auf Tatortreinigung spezialisiert.

Zumindest Off Records werden Weiss‘ Kollegen noch deutlicher: „Wie das Amen im Gebet wird man versuchen, uns jedes Jahr wieder Prozente herunterzureißen.“ Druck spürt die Branche aber auch bei der Professionalisierung (s. Infokasten). Die SANAG etwa – kein Marktgigant, aber einer der größeren Player – hat gleich ein Dutzend Dienstleistungen im Angebot. Neben 24-Stunden Hotline, Leistungsdokumentation mit Sachverständigen, Direktverrechnung mit Versicherungen oder Projektleitern vor Ort haben die Wiener eine ganze Palette an Brand- und Wasserschadensanierung im Portfolio. Plus einigen Schmankerln wie Infrarot-Thermographie für Leckortung oder speziellen Services für Abdichtungstechnik oder bei Einbruch und Diebstahl. Wie die SANAG bietet auch die Wiener ASTRA-Services ein breites Portfolio rund um Brand- und Wasserschadensanierung – und zudem mit Tatortreinigung ein Spezialsegment, mit dem die ASTRA in Österreich Marktführer ist. Daneben zählt ASTRA noch Schimmelsanierung zu ihren Spezialitäten. Das klingt banal, aber ASTRA-Prokuristin Rosa Zelenka verweist auf feine, aber wichtige Unterscheidungen: „Was in Österreich mangels Rechtsbestimmungen als Sanierung gehandelt wird, wäre in Deutschland gar nicht mehr zulässig. Hierzulande wird mehr behandelt als saniert.“ Als „Schimmelsanierung“ geht in Österreich notfalls auch durch, dass ein Maler eine Wand abkratzt und neu bemalt. Das sieht dann zwar gut aus, verhindert aber nicht, dass die Schimmelsporen in der Wand munter weiter gedeihen.
Ein Asset ortet die ASTRA auch jenseits von Schadenstatistiken, nackten Ziffern und Marktanteilen. „Wir kümmern uns auch um den Faktor Mensch. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei den Schadensfällen oft um einschneidende oder gar existenzbedrohende Ereignisse handelt“, so Zelenka. Die Suche nach unbesetzten Nischen ist allseits spürbar. Die Linzer LOT Leckortungstechnik beschäftigt sich etwa nicht nur mit Leckortung, sondern spezialisiert sich noch weiter auf Leckortung in Pools und Schwimmbädern. Dass die fachlichen Anforderungen an die Sanierer permanent steigen, zeigt schon ein Blick in das Firmenbuch. In den Chefetagen tummeln sich zumeist Ingenieure, Diplomingenieure und einschlägige Akademiker. Den Vogel schießt Andreas Slupetzky, Chef der oberösterreichischen TEAM RED, ab, der gleich Doppel-Akademiker ist. Für „extreme“ Spezialaufträge ist die technische und personelle Hürde für Wald- und Wiesen-Anbieter ohnehin kaum mehr zu nehmen. Was Marktleader anbieten, erinnert schon mehr an CSI als an „gewöhnliche“ Sanierung. Das reicht bis hin zur Wiederherstellung von Dokumenten, Datenträgern oder historisch unersetzlichen Kunstwerken. Bei letzterem der jüngste Fall in Österreich: Nach dem Brand im Wiener Neustädter Dom tauchten bei der gemeinsamen Analyse des Bundesdenkmalamtes und BELFOR unerwartete Befunde auf. Um die schädlichen Rauchgasniederschläge tatsächlich aus der ganzen Kirche zu entfernen, setzt BELFOR jetzt auf High-tech. Die Wandoberflächen werden mit einem Film besprüht, der sich nach dem Aushärten abziehen lässt und dabei alle Kontaminationen mitnimmt.


Der Markt im Überblick

Der Markt der industriellen und gewerblichen Schadensanierer ist etwa vier Jahrzehnte alt. Die großen Player haben sich jedoch erst rund Mitte der 80er bis Anfang der 90er formiert. Zu den Platzhirschen in der internationalen Liga zählt etwa BELFOR mit 5500 Mitarbeitern in 30 Niederlassungen weltweit oder Polygon mit einem Netzwerk von 2800 Technikern in 15 Ländern. Heimischer Platzhirsch dürfte die die Mibag sein. Die Oberösterreicher sind nicht nur in sieben Bundesländern präsent, sondern auch in Deutschland, Tschechien und der Slowakei – womit die Holding ihrerseits schon ein kleiner Riese ist. Oberösterreich dürfte ein gutes Pflaster für Schadensanierer sein. In Linz ist etwa die „Brand-, Wasser- und Sturmschadensanierung“ BWS oder die LOT Leckortungstechnik domiziliert, in Traun TEAM RED. Die Karten im Markt neu mischen dürfte ETS Egger. Die Steirer haben erst Anfang Mai Teilbereiche von EISBÄR Dry-Tec übernommen und zählen jetzt zur Spitzengruppe der heimischen Anbieter. In Wien bietet etwa die SANAG das komplette Dienstleistungsspektrum. Die ASTRA-Services saniert nicht nur Brand- und Wasserschäden, sondern hat mit Tatortreinigung eine Nische besetzt. Wie viele Schadensanierer sich im heimischen Markt tummeln, ist schwer zu sagen. Die Expertenschätzungen reichen – je nach Sichtweise – von 20 bis mehreren hundert Unternehmen. Beim Gros der Anbieter handelt es sich um lokale Kleinfirmen. Lokal und Klein heißt hier nicht schlecht. Trotz Globalisierungstendenzen werden die Märkte auch weiterhin lokal geprägt sein. In noch einem Punkt sind sich die Experten einig: Nach einer Boomphase wird eine Konsolidierung und steigender Preisdruck erwartet.


Extrem gestiegene Anforderungen

Wer einen Heizlüfter aufstellen kann, ist noch lange kein Schadensanierer. Zumindest nicht mehr heute. Die Branche hat sich extrem professionalisiert. Seit etwa 10 Jahren zählen etwa im kritischen Industriebereich „Service Level Agreements“ (SLA) als harte Währung. Bei Katastrophenfall sind Sachschäden und Produktionsausfälle zwar versicherbar, Marktanteils- oder Imageverluste freilich nicht. Mit SLA‘s wird dieses Risiko und die Kosten minimiert. Das motiviert nicht nur die großen Industriekunden, sondern auch die Versicherer. Diese üben auf die Schadensanierer zunehmend Druck aus, um nicht nur standardisierte, sondern auch exzellente Dienstleitungen einzukaufen. Die „gewöhnliche“ Brand- und Wasserschadensanierung ist nicht die Kür, sondern Pflicht. Große Player und kleine Spezialisten haben heute auch Produkte im Portfolio, die mit Schadensanierung im „alten Stil“ nur mehr wenig zu tun haben. Saniert werden etwa auch Dokumente, historische Baudenkmäler, IT und Elektronik, komplexe Maschinen oder Datenträger. Auch die Kundenlandschaft hat sich gewandelt. Neben Facility Managern, Versicherern, Hausverwaltungen, Produktion oder Bauindustrie kaufen auch neue Spezialsegmente wie Windkrafterzeuger oder Schifffahrt bei den Sanierern ein. Maurer oder Installateure können in dieser Liga meist nicht mitspielen. Dort sind Hardcore-Spezialisten gefragt, die selten sind wie Trüffel.

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