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Reinigung & Ökologie

Round table mit Gerhard Komarek, Innung, Gunther Weber, BBG,
und Christian Mokricky, Engergie und Umweltagentur NÖ.

Text Hansjörg Preims

Reinigung aktuell: Was ist wirklich ökologisch im Zusammenhang mit chemischen Reinigungsprodukten?

© Doris Würthner
Christian Mokricky, Engergie und Umweltagentur NÖ

Mokricky: Wir haben in den letzten Jahren Kriterien für Einkäufer festgelegt, wobei verstärkt nachhaltige Rohstoffe für die Produkte eingesetzt werden sollen. Trotzdem ist das eine sehr komplexe Frage, denn manche Rohstoffe werden zwar als erneuerbar im Sinne von nachwachsend bezeichnet, aber wenn zum Beispiel der Eintrag von Pestiziden oder Düngemitteln sehr hoch ist, ist der gesamte Effekt der Nachhaltigkeit verloren gegangen. Nachhaltigkeit bedeutet soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, wo und wie produziert wird, hängt mit allen drei Komponenten zusammen. Wenn die Rohstoffe beispielsweise nur möglichst billig eingekauft werden, kann es letztendlich auch nicht ökologisch sein. Aber die Tendenz ist eine gute, vor allem Hersteller von Markenprodukten schreiten mit entsprechendem Bewusstsein voran. Es braucht immer Pioniere, an denen sich die Branche orientiert.

Reinigung aktuell: Reichen die bestehenden Öko-Zertifizierungen für chemische Produkte aus?
Mokricky: Es muss immer ein Nachbessern geben. Wenn wir Zertifikate bzw. Qualitätskriterien entwickeln, treffen wir vielleicht die 5 bis 10 Prozent der Premium Produkte. Und wenn der gesamte Markt nachzieht, dann werden auch die Qualitätskriterien höher, und das ist für die Innovation der gesamten Branche sowohl bei den Rohstoffen wie auch den Produkten letztendlich ein guter Effekt.
Mit dem Umweltzeichen haben wir bei der Kriterienentwicklung eine Vorreiterrolle übernommen, auch auf europäischer Ebene. Die Detergenzienverordnung der EU bewirkte ein Nachziehen bei der Abbaubarkeit der Tenside. Nun muss die gesamte Branche diesen Mindeststandard erreichen. Mit der DID-Liste (Anhang zur Detergenzienverordnung) wurde ein Standard für die Bewertung von Tensiden und Desinfektionswirkstoffen festgelegt. Klein- und Mittelbetriebe, die auch im Fokus sein sollten, aber keine ausreichenden Forschungsmöglichkeiten haben, können sich nun beim Rohstoff-Einsatz an den Einstufungen orientieren.

Reinigung aktuell: Welches ist das Mindestkriterium?
Mokricky: Die Mindestkriterien sind in der Detergenzienverordnung ganz klar festgelegt, es kann kein Produkt auf den Markt gebracht werden, das diese Kriterien nicht erfüllt. Mit dem Umweltzeichen sind höhere Levels gesetzt, und wir haben in Österreich mit der Ökorein-Datenbank auch ein Instrumentarium, wo Produkte aktuell gelistet werden, die den Standard von Umweltzeichen erreichen. Wir bieten damit eine große Palette – rund 450 Produkte – für die gewerbliche Anwendung zur Auswahl an.

Reinigung aktuell: Wie hält es die BBG mit ökologischen Produkten?

Mag. Gunter Weber, BBG
Mag. Gunter Weber, BBG

Weber: Man muss unterscheiden zwischen den Verträgen für die Fremdreinigung und dem Einkauf von chemischen Produkten für unsere Kunden mit Eigenreinigung. Bei der Fremdreinigung haben wir als Mindeststandard in unseren Verträgen, dass die Produkte, die eingesetzt werden,  jedenfalls dem „Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung“ (NABE-Liste) entsprechen müssen. Und hier haben wir in Zusammenarbeit mit der Umweltberatung für rund 200 Produkte ein Ampelsystem entwickelt: GRÜN für Produkte entweder mit Umweltzeichen oder NABE-konform, ORANGE für Produkte, die bei richtiger Dosierung noch NABE-konform sind, und ROT für Produkte, mit denen man auf jeden Fall sensibel umgehen sollte. Diese „Positiv-Negativ-Liste“, wie wir sie nennen, verwenden wir sowohl für die Fremdreinigung als auch für die Eigenreinigungskräfte, um gewisse Empfehlungen auszusprechen. Den Dienstleistern schicken wir diese Liste im Zuge jeder Ausschreibung mit, weil wir in unseren Ausschreibungen nur den Einsatz von Produkten der „Positiv-Seite“ vorsehen. Bei der Fremdreinigung haben wir es mittlerweile geschafft, dass 100 Prozent der eingesetzten Produkte NABE-konform sind. Und von diesen 100 Prozent sind 50,8 Prozent der verbrauchten Liter Umweltzeichen-Produkte. Wir lassen uns von unseren Dienstleistern einmal im Jahr eine Kontrolle über die Verbräuche in den Objekten unserer Kunden liefern, um zu sehen ob unsere Vorgaben eingehalten werden oder nicht. Auf der Fremdreinigungsseite funktioniert das sehr gut. Auf der Eigenreinigungsseite werden zurzeit nur 8,6 Prozent Umweltzeichen-Produkte eingesetzt.
Wir setzen aber noch weiter vorne an als am Produkt: bei der Schulung – auch der Eigenreinigungskräfte –für die richtige Dosierung der Produkte, denn jeder nicht verbrauchte Liter Chemie ist noch besser als der Verbrauch von Chemie mit Umweltzeichen. Über unsere Lieferanten können diese Schulungen produktneutral in Anspruch genommen werden. Denn einer der häufigsten Anwendungsfehler in der Praxis ist die Überdosierung, was zu Qualitätsmängeln führt und schlecht für die Umwelt ist. Wir haben einen dreistufigen Plan eingeführt. Erste Stufe, wie man richtig dosiert, zweite Stufe: wenn man gelernt hat, richtig zu dosieren, ist das Umweltzeichen-Produkt dem Nicht-Umweltzeichen-Produkt jedenfalls vorzuziehen. Und die dritte Stufe: welches Produkt für welchen Anwendungsbereich das richtige ist, um eine optimale Wirkung zu entfalten. Und diese Wirkfaktoren werden gemeinsam mit der Fremdreinigung und der Eigenreinigung auch umgesetzt.

Mokricky: Ich kann mich nur anschließen: Ganz wichtig ist die Vermittlung des Wissens über die Produkte, und zwar nicht nur in der Ausbildung der Reinigungskräfte, wo wir in Österreich sehr gute Standards haben, sondern ganz entscheidend ist auch die Weiterbildung, zumal sich vieles ja auch ändert. Beispiel Dosierung: Noch vor wenigen Jahren wurde viel weniger automatisch dosiert als heute. Man verwendet auch zunehmend mehr vorgefeuchtete Tücher für die Bodenreinigung, das ist eine Erleichterung der Arbeit und auch gut zu kommunizieren. Oder die Durchsetzung des Farbsystems in der Reinigung. Das sind enorme Fortschritte, die nur im Denken passiert sind. Allein durch den Einsatz von Mikrofaser-Technik haben wir eine wesentliche Ersparnis an Reinigungsprodukten. Und die Weiterbildung darf nicht beim Reinigungspersonal enden, es muss genauso der Einkäufer eine entsprechende Unterstützung haben. Alle Beteiligten müssen ständig an Erneuerungen, Verbesserungen und an der Kommunikation dran sein.

Reinigung aktuell: Es gibt immer noch die Voreingenommenheit, dass Öko-Produkte teurer sind und schlechter wirken. Warum ist das so? Weil man sich zu wenig mit diesem Thema beschäftigt? Mangelndes Wissen?

Gerhard Komarek, Innung
Gerhard Komarek, Innung

Komarek: Teils teils. Zum einen darf man nicht vergessen, dass es auch gewisse Grenzen gibt. Zum Beispiel bei einem Sanitärreiniger auf Zitronensäure-Basis gehen wir davon aus, dass er ökologisch wirklich in Ordnung ist und in den Bereichen, wo man nicht allzu hartes Wasser hat, auch funktioniert. Will man aber mit einem Wasser mit 28 Grad Deutscher Härte eine professionelle Sanitärreinigung durchführen, wird man mit einem Zitronensäure-Reiniger wahrscheinlich doppelt so lang brauchen und viel mehr Mechanik einsetzen müssen, um zum gleichen Ergebnis zu kommen wie mit einem Produkt, das vielleicht nicht ganz so ökologisch ist. Es kommt immer auch darauf an, wo man was zu reinigen hat. In einer Großküche etwa, wo pflanzliche und tierische Fette zu entfernen sind, wird man das nur mit ganz bestimmten Produkten effizient tun können. Genauso in der Industrie. Grundsätzlich sei aber gesagt, dass es ein sehr hohes ökologisches Bewusstsein bei den Gebäudereinigern gibt – sie achten darauf, welche Produkte von welchem Hersteller sie verwenden. Alle großen Hersteller haben mittlerweile ökologisch geprüfte und gelistete Produkte, die auch eingesetzt werden. Aber wie Mag. Weber schon sagte – wichtig ist nicht nur das ökologische Produkt an sich, sondern auch die Ausbildung der Mitarbeiter für die richtige Dosierung und Anwendung. Die Mitarbeiter müssen zum Beispiel wissen, dass bei erhöhtem Kalkaufkommen im Wasser die auf der Flasche angegebene Dosierung unter Umständen nicht ausreicht.
„Ökologisch“ bedeutet weiters auch eine andere Logistik, so wie es viele Betriebe in Wien schon angehen. Es macht nämlich einen Unterschied, ob man von vier verschiedenen Herstellern jeweils drei Kanister in die Objekte geschickt bekommt oder ob nur ein LKW mit einer ganzen Palette hinfährt – Stichwort CO2-Ausstoß durch die Transporte. Dieser logistische Bereich ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Umweltschonung, wo es noch viel Luft nach oben gibt.

Reinigung aktuell: Und beim Verbrauch selbst?
Komarek: Das funktioniert beim Gebäudereiniger eigentlich ganz einfach. Er ist aufgrund der Berechnung der Materialkosten für ein Objekt – Hausnummer drei Prozent des Umsatzes in diesem Objekt – ohnehin entsprechend eingeschränkt in der Verbrauchsmenge. Da hilft aber auch die moderne Technik. Tücher und Mopp-Bezüge werden heute überwiegend schon in der Waschmaschine nicht nur gewaschen, sondern auch automatisch mit der Reinigungslösung in der richtigen Dosierung aufbereitet. Auch bei den Reinigungsautomaten sorgt moderne Technik dafür, dass man immer die richtige Dosierung hat.

Reinigung aktuell: Thema ökologische Reiniger und Preis …
Komarek: Die Preise der ökologischen Reiniger haben sich mittlerweile den normalen Produkten angepasst. Am Anfang haben sie doppelt so viel gekostet, denn das war ja auch eine Frage der Absatzmenge. Und es gab sie nur in Hochkonzentraten, was zwar ein ökologischer Vorteil ist, aber für den Verkauf schlecht war, weil der Gebäudereiniger noch skeptisch war, dass eine weit geringere Dosierung als die von den herkömmlichen Produkten her gewohnte genauso funktionieren kann. Heute verkauft jeder große Hersteller genug Menge auch an ökologischen Produkten, um auch die Preise entsprechend anpassen zu können. Wobei ich nicht der Meinung bin, dass die nachwachsenden Rohstoffe von Haus aus immer die ökologischeren sind. Allein die Gewinnung dieser Produkte kann so viel Energie kosten, dass sich die Frage stellt, ob es dann noch ökologisch ist. Aber grundsätzlich sind wir am richtigen Weg.

Weber: Anhand unserer Preise kann ich nur bestätigen, dass Öko-Produkte nicht zwingend teurer sind als Nicht-Öko-Produkte. Diese Zeiten sind vorbei. Und was vorhin schon angesprochen wurde, der Dienstleister als Optimierer des Materialeinsatzes: Das haben wir zum Anlass genommen, um auch ein Benchmark-Tool für unsere Kunden der Eigenreinigung heranzuziehen. Wir können aufgrund unserer Datenebene sagen, wieviel Liter Chemie ein Fremddienstleister in einem Objekt bestimmter Größenordnung einsetzen würde, und können  diese Daten auch unseren Kunden der Eigenreinigung zur Verfügung stellen, die bei der Erstbestellung vielleicht noch nicht wissen, wieviel von welchem Reinigungsmittel sie brauchen.

Mokricky: Es mangelt in einigen Bereichen aber noch an der Kommunikation, dass die Anwendung ökologischer Reiniger kostenneutral, effizienter und – wenn man die entsprechenden Standards einhält – auch hinsichtlich der Reinigungsqualität besser sein können. Diese Produkte müssen offensiver beworben werden.

Reinigung aktuell: Die Aussage, Öko sei teurer und wirke weniger, ist also fachlich schlicht falsch?
Mokricky: Ja, diese Aussage ist falsch. Nur tun wir uns generell eben schwer, etwas, das wir lange eingeübt haben, zu verändern, und so ist es auch bei den Einkäufern und Anwendern chemischer Reiniger. Hier ist vor allem der Verkäufer dieser Produkte gefragt, beim Kunden entsprechend zu argumentieren.

Komarek: Ich würde es leicht relativieren: In 90 Prozent der Fälle ist diese Aussage falsch, in 10 Prozent der Fälle kommt man mit bestimmten ökologischen Reinigern vielleicht nicht mehr durch. Beispiel Parkettboden: Wenn dieser grundzureinigen ist –  wachsen oder ölen –, braucht es ein Lösemittel, und Lösungsmittel sind alles andere als ökologisch. Aber es gibt ja auch Alternativen überhaupt zur Chemie, Stichwort Sinner‘scher Kreis, der die Reinigung in vier Bereiche einteilt – Chemie, Mechanik, Temperatur und Zeit. Wenn nun beispielsweise auf einem Marmorboden Kalkablagerungen zu entfernen sind, kann man nicht – wie im Normalfall bei Kalkablagerungen – einen ökologischen sauren Reiniger verwenden, denn dieser kann nicht erkennen, ob es Kalk am Marmor ist, der entfernt werden muss, oder Kalk vom Marmor, der dann mit entfernt würde. Chemie kann man in dem Fall also nicht nehmen, auch mit Temperatur oder einer Einwirkzeit wird man hier nichts bewirken, bleibt aber noch die Möglichkeit der Mechanik – mit Diamantpad oder anderen abrasiven Mitteln. Es gibt also Alternativen zur Chemie, und hier sind wir wieder beim Thema Aus- und Weiterbildung, wo es noch Aufholbedarf gibt, um wirklich auf einen 90-prozentigen Einsatz von ökologischen Reinigungsmitteln zu kommen.

Reinigung aktuell: Noch andere Defizite beim Thema ökologische Reinigung?
Mokricky: Ich orte noch Defizite in dem Bereich Weiterbildung des Reinigungspersonals und der Einkäufer, vor allem im Eigenreinigungsbereich und in der Kommunikation. Und wenn Sie, Herr Komarek, sagen, dass in 10 Prozent der Fälle ökologische Reiniger vielleicht nicht funktionieren, dann gilt das vielleicht auch bei den Dienstleistern, dass gerade mal 10 Prozent für einen nicht sehr guten Ruf verantwortlich sind. Wo man – um auch den sozialen Aspekt anzusprechen – alle zwei Wochen wechselndes Reinigungspersonal hat, kann die Reinigung zwar optimal funktionieren, aber es macht einen schlechten Ruf dieser Dienstleister, wenn es dann heißt, man könne sich nicht verlassen und habe keinen Ansprechpartner. Hier orte ich also auch noch Defizite. Wobei mir durchaus bewusst ist, dass es sehr starke Bestrebungen von der Innung gibt, die Qualität in der Kommunikation und in der Weiterbildung und natürlich auch bei den Dienstleistern zu erhöhen.

Komarek: Das haben wir ja ganz stark aufgegriffen. Zum einen vergibt die BBG Aufträge nur mit der Voraussetzung, dass Reinigungskräfte einen Basiskurs absolviert haben und somit die richtige Dosierung und Anwendung von chemischen Reinigungsmitteln betreffend geschult sind. Wir haben in den Bereich der Aus- und Weiterbildung sehr viel investiert, wir haben auch eine Ö-Norm gemacht für die Standardisierung von verschiedenen branchenüblichen Ausbildungen. Es gibt hier noch viel zu tun, aber wir sind auf einem guten Weg.

Reinigung aktuell: Sind die verschiedenen Öko-Zertifikate miteinander vergleichbar?
Weber: Um im Vergaberecht die Gleichwertigkeit von unterschiedlichen Zertifikaten zu prüfen, hat die BBG versucht, diese unterschiedlichen Zertifikate auf ihre Schnittmenge hin zu prüfen. Demnach ist die Schnittmenge innerhalb dieser Öko-Labels sehr gering. Weil unterschiedliche Kriterien zur Anwendung kommen, und falls dieselben Kriterien zur Anwendung kommen, werden sie teilweise in unterschiedlicher Höhe und Ausprägungsform gefordert.

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