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„Mit neuem Elan“

Weg vom Krankjammern, hin zum Aufzeigen der Attraktivität des Pflegeberufes! Appelliert Dr. Markus Schwarz, Operativer Direktor der SeneCura Kliniken- und Heimebetriebsgesellschaft m.b.H., im Gespräch mit Reinigung aktuell.

Dr. Markus Schwarz, Operativer Direktor der SeneCura Kliniken- und Heimebetriebsgesellschaft m.b.H.
Dr. Markus Schwarz, Operativer Direktor der SeneCura Kliniken- und Heimebetriebsgesellschaft m.b.H.

Herr Schwarz, wie ist die aktuelle Situation in der Pflege?
Corona-bedingt mussten zuletzt auf Basis der Vorgaben viele Aktivitäten heruntergefahren werden. Einige Entwicklungen kamen zum Stillstand. Jetzt können wir viele Dinge wieder angehen. Natürlich auch mit einer neuen „Brille“ und mit neuem Elan – das ist auch ein Vorteil. Wir haben jetzt die Möglichkeit, das Beste aus der Situation zu machen und zu überlegen, was es für die Zukunft wirklich braucht bzw. auf welche Themen wir uns fokussieren wollen. Dazu gehören auch Innovationen, wo zuletzt ja viel entwickelt wurde, besonders im Bereich Sensorik und Digitalisierung. Hier gibt es sehr viel, woran wir im Hintergrund bereits gearbeitet haben.

Sensorik und Digitalisierung in der Pflege – was hat man sich darunter vorzustellen?
Da geht es nicht um den Roboter, der die Bewohner bedient, sondern primär um Prozess-Innovation, sprich: darum, die Struktur, die man hat, zu optimieren und das Betreuungs- und Pflegeangebot noch besser auf die Bewohner abzustimmen. Wir arbeiten zum Beispiel auch an einer Applikation, welche die Kommunikation und den Informationsaustausch mit den Angehörigen verbessern soll.
Thema Finanzierung: Zum Unterschied vom Krankenhausbereich sind in der Pflege alle von Transferleistungen abhängig. Sprich: da der Tarif hier für alle einheitlich ist, können die Kosten ja nur über eine entsprechende

Auslastung gedeckt werden. Wie steht es um die Finanzierung der Pflege?
Wir haben, wie in vielen Bereichen, neun verschiedene Systeme in Österreich, und das macht die Finanzierung insofern schwierig, als wir eben mit völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen leben müssen. Da handelt es sich zum Teil pro Monat um bis zu 50 Prozent Unterschied. Letztendlich zeigt sich hier, dass das Management in der Pflege im Sinne der Organisation und der Team-Zusammensetzung in der Pflege das eigentlich Wichtige ist. Dass also die konkreten Finanzierungsströme auch wichtig sind, aber nicht im Vordergrund stehen. Derzeit ist die Pflege jedenfalls finanziert. Es gibt Wartelisten, wobei es im Moment wahrscheinlich nicht für jeden und jede das richtige Pflegeangebot gibt, aber die Frage der ausreichenden Finanzierung einer guten Pflege stellt sich derzeit nicht. Es ist vielmehr eine Frage der Ressourcen-Umverteilung und der richtigen Angebote für die Zukunft.

Ist die Gliederung in Hauspflege, mobile Pflege und stationäre Pflegeeinrichtung überdenkenswürdig?
Wir können die pflegebedürftigen Menschen nicht alle über einen Kamm scheren, sondern müssen darauf Bedacht nehmen, dass sie jeweils auch individuelle Bedürfnisse haben und aus sozial unterschiedlichen Situationen kommen. Klassischerweise geht man vom Pflegebedarf als Basis für das Pflegeangebot aus, man muss aber viel mehr von der sozialen Situation der Menschen ausgehen. Sozial nicht in dem Sinn, von welcher sozialen Schicht einer kommt und wie viel Geld er zur Verfügung hat, sondern wie viele soziale Beziehungen ihm zur Verfügung stehen. Dort setzen die unterschiedlichen Angebote an. Wenn einer ein gutes soziales Netzwerk hat, kann mobile Pflege sehr lange funktionieren, ohne soziales Netzwerk dagegen kann mobile Pflege nur sehr wenig  ausrichten, da die Einsamkeit an sich schon als Erkrankung gilt und ein Defizit darstellt, das irgendwo kompensiert werden muss.

Aber diese soziale Situation können Sie von außen ja nicht beeinflussen …
Nein, aber es geht darum, nicht von der Denke auszugehen, je schwieriger die Pflege, umso mehr stationäre Einrichtungen brauche man, sondern auch die jeweilige Lebenssituation der Menschen zu berücksichtigen, um sagen zu können, für wen ein Pflegeheim auch schon früher richtig und wichtig ist, weil er auch die soziale Einbindung braucht. Oder ein betreutes Wohnen, wo er in einer Gemeinschaft sein kann und verschiedene Unterstützungsangebote bekommt, aber auch die Möglichkeit hat, sich zurückzuziehen. So muss man an dieses Thema herangehen.

Großes Thema auch: Wie ist die Personalsituation in der Pflege? Wirklich so prekär, wie man als Medienkonsument manchmal den Eindruck haben könnte?
Nein. Die Personalsituation in der Pflege ist zwar schwierig, aber erstens stecken heute viele Wirtschaftsbereiche in dieser Situation. Es ist dies also nicht nur ein pflegespezifisches Problem. Und zweitens – wichtig dabei ist: Wir werden dieses Problem nicht lösen, wenn wir immer nur von den Schwierigkeiten dieses Berufes sprechen, sondern nur, wenn wir die durchaus hohe Attraktivität des Pflegeberufes mehr kommunizieren. Das ist ein großes Anliegen von mir. Zumal dieser Beruf viele Aufstiegsmöglichkeiten bietet sowie eine hohe Flexibilität in der Zeitgestaltung und eine hohe Sinnhaftigkeit dieser Tätigkeit. Und nach unseren Daten sind wir auch von der Bezahlung her mehr als konkurrenzfähig, auch im Vergleich mit Berufen, die ähnlich lange Ausbildungszeiten haben. Dazu kommt eine hohe Durchgängigkeit in der Karriereentwicklung, wie wir sie in wenigen anderen Berufsbereichen haben. Von all dem her bietet der Pflegeberuf eine hohe Attraktivität. Natürlich braucht es gewisse persönliche Voraussetzungen bzw. es kann nicht jeder und jede diesen Beruf ausüben, aber auch das hat man in jedem Beruf.

Das Finanzielle steht also nicht im Vordergrund bei der Zufriedenheit in diesem Beruf?
Nein. Mitarbeiter-Befragungen etwa von der AK ergeben: An erster Stelle steht, wie gut es einem im Team und mit der Arbeit geht, an zweiter Stelle, wie flexibel man im Zusammenhang mit den beruflichen Verpflichtungen seine Freizeit gestalten kann, und frühestens an dritter Stelle kommt das Gehalt. Wobei im Moment, auch durch die mediale Berichterstattung, der Eindruck entsteht, dass das Personalproblem nur übers Gehalt zu lösen wäre. Alle entscheidenden Stellen wissen, dass es nicht so ist.

Gibt es Verbesserungsbedarf an der Schnittstelle von Pflegeheim und Krankenhaus?
Ein wichtiges Thema in dem Zusammenhang ist sicher die Übergangspflege, die Kurzzeitpflege, die aus verschiedenen Gründen früher mehr Bedeutung hatte als heute, Stichwort Wegfall des Regresses bzw. des Zugriffs auf Vermögen. Und ganz wesentlich dabei ist auch ein gezieltes Übergangspflegeangebot, also für Menschen, die nicht ins Pflegeheim gehen, weil sie dort leben möchten, sondern für Menschen, die sagen, sie brauchen Pflege für eine gewisse Zeit, um dann wieder nach Hause zurückkehren zu können. Das ist in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern sicher nicht entsprechend gut ausgebaut. Ein weiteres Thema in dem Zusammenhang ist die medizinische Versorgung. Wir haben heute eine hausärztliche Versorgung, die nur recht und schlecht funktioniert, wo es auch keine Spezialisierung auf alte Menschen gibt und die Hausärzte zum Teil gar nicht die Möglichkeit haben, auf die Spezifika eines Pflegeheims einzugehen. Deswegen gibt es viele unnötige Transfers ins Krankenhaus. Das könnte man relativ einfach unterbinden, wenn man die medizinische Kompetenz in den Pflegeheimen stärken würde. Da gibt es unterschiedliche Modelle. Es muss nicht der angestellte Arzt sein, es kann auch über Telemedizin funktionieren. Hier gibt es jedenfalls ein hohes Innovationspotential.

Die letzten GesundheitsministerInnen hatten alle auch das Wort „Pflegereform“ zumindest mal in den Mund genommen. Wie sieht Ihr diesbezüglicher Wunschzettel aus – in drei Punkten?
Zum einen die Innovation im Sinne von flexibleren Personalschlüsseln und von flexibleren Management-Modellen. Zum anderen die medizinische Versorgung. Und drittens, die Attraktivität des Pflegeberufes durch ganz konkrete Kampagnen zu steigern – weg vom Krankjammern, hin zum Aufzeigen der Attraktivität des Pflegeberufes.

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