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„Küchenbetreiber haben eine hohe Sensibilität entwickelt“

In Sachen (Groß)Küchenhygiene muss man auf Nummer sicher gehen: Die Konzepte der Guten Hygienepraxis (GHP) und HACCP (Hazard Analysis Critical Control Points) haben sich dementsprechend in Österreich zu einem praxistauglichen Standard entwickelt. Experten empfehlen aber noch mehr.

Text: Erika Hofbauer

Manfred Ronge
Manfred Ronge

Wer bereits bei der Planung und Erstellung der Betriebsorganisation bei Großküchen alle notwendigen Hygienevorschriften berücksichtigt, hat anschließend im laufenden Betrieb weder mit Behörden noch mit Klienten Probleme. Davon ist Manfred Ronge überzeugt. Er ist Geschäftsführer des spezialisierten Consulting-Unternehmens Ronge & Partner, Präsident des Dachverbands der österreichischen Gemeinschaftsverpfleger (GV-Austria) sowie Mitglied des Expertennetzwerkes von Hygline, einem Beratungsunternehmen, das mit Hygienemanagement-Services für Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens befasst ist. Ronge betrachtet all diese Maßnahmen jedoch nur als Basis zur Lebensmittelsicherheit. Er empfiehlt zusätzlich regelmäßige und praxisorientierte Schulungen des Küchenteams und natürlich ein individuelles Hygienekonzept für die Küche. Im Gespräch mit Reinigung aktuell erläutert er die hygienischen Herausforderungen im täglichen Großküchenbetrieb.

Reinigung aktuell: Hygiene und Lebensmittel(handling) sind zwei Bereiche im Großküchenbetrieb, die gut miteinander harmonieren müssen. Welche Beobachtungen und Erfahrungen haben Sie diesbezüglich in Österreich (oder auch international) dazu schon gemacht? 

Manfred Ronge: Dieser Themenkomplex ist eine absolute Grundvoraussetzung für den einwandfreien Betrieb von Großküchen. Wir können und wollen es uns nicht leisten, die Gesundheit von Kindern, älteren oder bereits erkrankten Menschen durch mangelnde Lebensmittelsicherheit zu gefährden. Es wäre auch undenkbar, dass ein Gemeinschaftsverpfleger durch nachlässiges Hygienemanagement in einer Betriebskantine ein ganzes Unternehmen lahmlegt. Insofern können wir von den Gemeinschaftsverpflegern behaupten, dass es diesbezüglich wirklich gut läuft. Aufholbedarf sehen wir im Bereich der Ausbildung, wo Hygienemanagement für die Anforderungen der Gemeinschaftsverpflegung weder im technischen noch im Sinne der Sensibilität ausreichend vermittelt wird.

Sie betonen immer wieder, dass man bereits bei Planung und Erstellung der Betriebsorganisation bei Großküchen die entsprechenden Hygienekonzepte berücksichtigen soll, sodass später im laufenden Betrieb keine Probleme entstehen. Können Sie dies genauer erläutern, was damit gemeint ist?

Die infrastrukturellen und betriebsorganisatorischen Voraussetzungen sind die ersten wichtigen Bausteine für ein erfolgreiches Hygienemanagement während der Lebensdauer einer Küche (30 Jahre). Das bedeutet, dass jede verabsäumte Maßnahme in der Planung unter Umständen 30 Jahre lang den Betrieb hemmt und nur über ein möglicherweise umständliches Hygienekonzept die Lebensmittelsicherheit aufrechterhalten werden kann. Wir empfehlen daher dringend bei der Planung und der Erstellung der Betriebsorganisation auf echte Profis zurückzugreifen. Auch die Erstellung des Hygienekonzeptes sollte dann in Abstimmung mit der Planung und der Betriebsorganisation erfolgen.

Welche konkreten Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um optimale Hygienebedingungen für ein Küchenteam zu schaffen bzw. um optimales Hygieneverhalten der Mitarbeiter zu fördern?

Abgesehen von den infrastrukturellen Anforderungen, welche in der Hygieneleitlinie bestens beschrieben sind, halte ich die Erstellung eines küchenspezifischen und praxisnahen Hygienekonzeptes für die wichtigste Voraussetzung für die optimalen Hygienebedingungen einer Küche. Darauf aufbauend muss auch das Schulungskonzept für die Mitarbeiter auf den Betrieb abgestimmt sein, um infrastrukturelle Vor- und Nachteile zu erkennen und Beispiele aus der gelebten Hygienepraxis der spezifischen Küche aufzuzeigen. Damit erreichen wir den nachhaltigsten Lerneffekt. 

Wie können die Menschen, die Küchenteams, an ihren Arbeitsstätten selbst dazu beitragen, sich hygienetechnisch gut zu verhalten? Wie wird dies in Schulungen trainiert? 

Die gesetzlich vorgeschriebenen Hygieneschulungen, welche jährlich stattfinden müssen, werden oft nur als Alibi abgehalten. Wobei diese auch echtes Hygienewissen vermitteln könnten und spezifisches Verhalten verändern würden. Um die Mitarbeiter selbst zu einem richtigen Verhalten im Sinne der guten Hygienepraxis zu bringen, ist es unerlässlich, ihnen auch die möglichen Folgen jeglichen Fehlverhaltens vor Augen zu führen. Der Einsatz entsprechender didaktischer Hilfsmittel (Videos, Anschauungsmaterial, etc.) wirkt dabei oft Wunder, auch wenn die gezeigten Bilder nicht gerade appetitlich sind. Die besten Erfahrungen haben wir bei einem gemeinsamen Rundgang durch die Küche und dem direkten Aufzeigen von Gefahren und den Möglichkeiten zur Verhinderung dieser gemacht.

Wie sieht diese Situation – hygiene-optimales Verhalten / optimale Hygienebedingungen schaffen – bei bestehenden Großküchen aus? Gibt es hier auch die Möglichkeit des „Nachrüstens“? 

Die gute Nachricht ist, dass wir in Österreich flächendeckend davon ausgehen können, dass die Speisen in den Großküchen der Gemeinschaftsverpflegung einem extrem hohen Hygienestandard unterliegen. Das ist auch deshalb so, weil die Betreiber der Küchen hier eine hohe Sensibilität entwickelt haben. Dazu kommt, dass die Mitarbeiter in Küchen der Gemeinschaftsverpflegung in der Regel zuallererst eine eingehende Hygieneschulung erfahren, wo insbesondere die persönliche Hygiene, aber auch die Sensorik und die Hygieneprozesse als Basiswissen geschult werden. Nachrüstungen im infrastrukturellen Bereich finden laufend statt. Wichtig dabei ist, dass die Mitarbeiter in der Küche über die Nachrüstung und die Handhabung eventueller Technik ausreichend geschult werden.

Wohin entwickeln sich Ihrer Meinung nach die Hygienebedingungen bzw. -standards in Großküchen? Wie sehen Sie die Zukunft?

Die Hygienebedingungen an sich werden sich in den Großküchen zwar ständig weiterentwickeln, große Sprünge sind auf Basis des heutigen Wissens aber kaum zu erwarten. Die Zukunft des Hygienemanagements ist eindeutig digital und wird uns hinsichtlich Dokumentation und Zielgenauigkeit massiv unterstützen. Auch hier verweise ich nochmals auf die Ausbildung, bei der die Digitalisierung in der Großküche noch viel zu kurz kommt. Diesbezüglich arbeiten wir als GV Austria an einer speziellen Lehrlingsausbildung für Großküchen.


Lebensmittelsicherheit

HACCP steht für „Hazard Analysis Critical Control Points“. Damit sind die Gefahrenanalyse und Kontrolle kritischer Bereiche bzw. Punkte auf allen Stufen der Zubereitung, Verarbeitung, Herstellung, Verpackung, Lagerung, Beförderung, Verteilung, Behandlung und des Verkaufs von Lebensmitteln gemeint. Betriebe, in denen mindestens eine der genannten Tätigkeiten ausgeübt wird, sind von dieser Verordnung betroffen. Sie müssen die für die Lebensmittelsicherheit kritischen Punkte feststellen und dafür sorgen, dass entsprechende Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, durchgeführt, eingehalten, überprüft und dokumentiert werden. In der Praxis bedeutet das, dass einzelne Arbeitsschritte lückenlos erfasst, die kritischen Kontrollpunkte definiert, kontrolliert und für die Lebensmittel überwachenden Organe (Kontrollbehörden) nachvollziehbar dokumentiert werden. Damit soll erreicht werden, dass einerseits das Risiko von Lebensmittelerkrankungen oder Lebensmittelvergiftungen im Betrieb minimiert und andererseits die Kosten durch Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln reduziert werden.

Gute Hygienepraxis (GHP) umfasst alle Belange der Betriebs-, Arbeits- und Personalhygiene, die dem Schutz der Lebensmittel vor Verderb und vor Kontamination mit biologischen, chemischen und physikalischen Gefahren im jeweiligen Betrieb dienen. Eine funktionierende GHP stellt die Voraussetzung für die Umsetzung des HACCP-Konzeptes dar. Im Rahmen der GHP ist es sinnvoll, zumindest folgende Bereiche zu berücksichtigen und darüber Aufzeichnungen zu führen: Hygieneschulungen des Personals, Wareneingangskontrollen, Tank-Temperaturen der Geschirrspülmaschinen, regelmäßige Wartung und Überprüfung der Geschirrspülmaschinen, Durchführung der Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen.


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