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Kopfzerbrechen über Kopfsteuer

Die Reinigungsbranche fordert stundenäquivalente Berechnung der Behindertenausgleichstaxe, das Bundessozialamt sieht keinen Handlungsbedarf.

Text: Hansjörg Preims

Man müsse fleißiger sein als früher, sagte KR Viktor Wagner, Geschäftsführer der REIWAG Facility Services, im Interview in der Sommerausgabe Reinigung aktuell. Und er meinte damit nicht nur den zunehmend sich verschärfenden Wettbewerb an sich, sondern auch Erschwernisse bezüglich Kostenbasis von den politischen Rahmenbedingungen her – im wesentlichen drei Faktoren: die praktisch um das Dreifache auf 2 Euro pro Beschäftigten erhöhte U-Bahnsteuer in Wien, die mit 1.1.2013 schlagend werdende Auflösungsabgabe von 113 Euro bei – auch einvernehmlicher – Kündigung eines Mitarbeiters und die (erhöhte) Behindertenausgleichstaxe. Diese ist bekanntlich an das Bundessozialamt zu entrichten, wenn Unternehmen der Verpflichtung, auf jeweils 25 Beschäftigte einen „begünstigten“ behinderten Menschen einzustellen (Beschäftigungspflicht), nicht nachkommen. Wodurch sich die Reinigungsbranche insofern ungleich härter getroffen sieht als andere Branchen, als speziell die Gebäudereiniger sehr viele Teilzeitbeschäftigte haben und somit in Relation zu den Arbeitsstunden – und damit auch zu den Einnahmen und Umsätzen – kopfsteuerlich mit bis zum Doppelten gegenüber Unternehmen mit 8-Stunden-Mitarbeitern belastet werden. Detto bei der U-Bahnsteuer, wo es für die Stadtregierung ebenfalls nicht relevant ist, ob ein Mitarbeiter in der Woche 10, 20 oder 40 Stunden arbeitet. Das heißt, auch hier ist der Anteil der Steuer für Betriebe mit Teilzeitbeschäftigen in Relation ein wesentlich höherer als für Branchen mit in der Regel Vollzeitbeschäftigten. Und außerdem auch noch ein Wettbewerbsnachteil allen anderen Bundesländern gegenüber. „Bezüglich Behindertenausgleichstaxe sollte man auch noch wissen, dass es nicht annähernd so viele begünstigte Behinderte gibt, wie man in Relation zur Ausgleichstaxe anfordern könnte“, sagt Wagner. Auch hier gebe es ein Ungleichverhältnis.

KR Gerhard Komarek, Wiener Landesinnungsmeister und Bundesberufsgruppensprecher, hat es durchgerechnet: Nach Informationen des Bundessozialamtes hat dieses im Jahr 2011 durch die Behindertenausgleichstaxe 92.261.000 Euro eingenommen. Dies dividiert durch 12 (Monate), dividiert durch 325 als Mittelwert für eine Behindertenausgleichstaxe, das ergibt rund 23.000 Zahlungen, sprich: für 23.000 (nicht eingestellte) „begünstigte“ Behinderte, also Menschen mit über 50-prozentiger Behinderung, wurde die Ausgleichstaxe bezahlt. Demgegenüber liegen vom AMS Zahlen vor, wonach im Jahr 2011 in Österreich 3.946 „begünstigte“ behinderte Menschen einen Job suchten. Wenn also die Wirtschaft für 23.600 Behinderte zahlen müsse, aber nur knapp 4.000 einen Job suchten, dann stimme etwas im System nicht, so Komarek. Es sei aber auch von den Betrieben her schwierig, Menschen mit über 50-prozentiger Behinderung einzusetzen – je größer der Betrieb, umso schwieriger, wenn ein Arbeitseinsatz mit Chemikalien, mit Maschinen, auf Leitern oder schwer tragend nicht möglich ist. Man habe in verschiedenen Bundesländern auch versucht, Menschen mit „Einstellungsschein“ zu bekommen, jedoch erfolglos.

Wobei man sich aber weniger an der Pflichtzahl an sich stößt – pro 25 Mitarbeiter einen begünstigten Behinderten, gilt ja für alle Branchen gleich –, sondern vielmehr eben daran, dass nicht unterschieden wird, ob die Mitarbeiter jeden Tag 2, 3 oder 8 Stunden arbeiten. Deshalb ist die Standesvertretung auch schon wiederholt beim Sozialminister vorstellig geworden mit dem Anliegen, dass die Behindertenausgleichstaxe „gerechter“, sprich: speziell für die Teilzeitbranchen stundenäquivalent berechnet werden sollte. „Was auch ganz einfach wäre“, so Komarek, „man bräuchte nur die Sozialversicherungsbeiträge, die ja alle nach den geleisteten Stunden zahlen, als Berechnungsgrundlage hernehmen.“ Wobei den Standesvertretern aber auch bewusst ist, dass dies ein weiteres Problem nach sich zöge – eines innerhalb der Wirtschaftskammer selbst. Denn dann hätte das Bundesozialamt – speziell von den Teilzeitbranchen – weniger Einnahmen, sodass das Ganze nur über einen entsprechenden Lastenausgleich zu bewerkstelligen wäre. Das heißt, um das auszugleichen, was die Teilzeitbranchen weniger zahlen, bzw. damit das Bundessozialamt unterm Strich die gleichen Einnahmen hätte, müssten alle Branchen etwas mehr zahlen. Und hier spießt es sich natürlich insofern, als die Wirtschaftskammer auch die Interessen anderer Bereiche – Industrie, andere Gewerbetreibende, Handel – zu vertreten hat, die freilich ungern noch etwas drauflegen auf die Behindertenausgleichstaxe.

Doch es sieht ohnehin nicht danach aus, dass sich die Wirtschaftskammer mit diesem internen Interessensproblem wird beschäftigen müssen, zum Leidwesen der Teilzeitbranchen. Denn im Sozialministerium ist man sich laut Komarek zwar bewusst, dass das Ganze nicht so ist, wie es sein sollte, nämlich stundenäquivalent berechnet, aber „darum wissen“ scheint auch schon alles zu sein, wozu man bereit ist. Eine stundenäquivalente Zahlungslösung könnte auch nur im Zuge einer Gesetzesänderung erarbeitet werden. Daran soll der Sozialminister angesichts einer noch nie dagewesenen Flut von Einsprüchen gegen die Zahlungsbescheide angeblich auch schon gedacht haben, aber die De-facto-Reaktion auf diese Einsprüche waren negative Bescheide. Gegen diese wurde berufen, und sollte es darauf wieder nur negative Bescheide geben, wird es laut Komarek eine Verfassungsbeschwerde geben.

Gesetzesänderung sei derzeit jedenfalls keine vorgesehen, sagt Dr. Hansjörg Hofer, Gruppenleiter im Sozialministerium. Und er sieht auch gar keinen Anlass dafür. „Es ist richtig, dass wir bei den Beschäftigtenständen nicht auf das Ausmaß der Beschäftigung abstellen, weder zeit- noch bezahlungsmäßig, sondern allein darauf, ob jemand an bestimmten Stichtagen beschäftigt ist, aber das tun wir bei den begünstigten Behinderten, die beschäftigt sind, in gleicher Weise. Das heißt, ein Mensch mit Behinderung, der nur teilzeitbeschäftigt wird, wird ebenfalls zur Gänze auf die Pflichtzahl angerechnet“, erklärt Hofer. Man zähle Köpfe bei den Beschäftigten insgesamt, und man zähle Köpfe bei den begünstigten Behinderten, die beschäftigt sind. Da also auf beiden Seiten der gleiche Maßstab angelegt werde, könne er keine Ungerechtigkeit erkennen. Außerdem sei die Tatsache, „dass wir es so machen“, mehrmals schon auf rechtliche Korrektheit hin überprüft und für korrekt befunden worden. „Und zu den Verfassungsbeschwerden“, so Hofer, „werden wir Stellung beziehen und in aller Gelassenheit das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes abwarten. Sollte dieser feststellen, dass es doch einen Änderungsbedarf gibt, werden wir das gerne aufgreifen und gemeinsam mit den Betroffenen nach Lösungen suchen. Aber derzeit sehen wird diesen Bedarf nicht.“

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