Markus-Holly

„Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt …“

Hoffnung keimt auf, dass die Corona-Krise als Chance genutzt werden kann, einen weiteren Schritt von dem veralteten Bild der „Putzfrau“ wegzukommen und hin zu mehr sichtbarer = Tagreinigung.

Text: Hansjörg Preims

Als Reinigung aktuell sich in der Branche umhörte, was von der Corona-Krise Positives bleiben könnte, sagte Thomas Schiefer, Geschäftsführung HECTAS Österreich, mehr hoffend als fragend: „Schaffen wir es, im Rahmen dieses (Corona-)Umfeldes endlich die sichtbare = Tagreinigung bei den Kunden stärker zu etablieren und das Image der Reinigung zu verbessern?“

Jedenfalls sei die Ausweitung der Tagreinigung ein mittelfristiges Ziel in Österreich, sagt Berufszweigobmann Gerhard Komarek, und die Branche wünsche sich eine Vorreiterrolle der Öffentlichen Hand (ca. 50 % Marktvolumen). „Diese könnte zentral über öffentliche Auftraggeber wie z.B. die BBG forciert werden. Bei Sichtbarmachung der Dienstleistung Reinigung ist von positiven Effekten nicht nur für das Reinigungspersonal, sondern auch für das Reinigungsunternehmen und für den Kunden sowie für die Werterhaltung der Objekte auszugehen, da es zur Bewusstseinsbildung beitragen würde“, so Komarek. Und: „Gerade jetzt, wo durch die Corona-Krise der Fokus verstärkt auch Hygiene und Reinigung liegt, wäre der ideale Zeitpunkt, um eine Umstellung zu beginnen. Die Tagreinigung würde auch viel mehr Vollzeitarbeitsplätze ermöglichen, was insbesondere sozialpolitisch von Bedeutung ist.“

Und was sagt man bei der BBG? „Aktuell beschäftigt sich die BBG intensiv mit der Weiterentwicklung der Vergabe von Reinigungsdienstleistungen und diskutiert dies in der nächsten Zeit auf breiter Basis mit Kunden sowie der Branche inhaltlich. Auch die Themen Reinigungszeiten bzw. Tagreinigung werden dabei im Sinne der Optimierung der Abläufe thematisiert werden“, so Markus Holly, Fachbereichsleiter Strategischer Einkauf Facilities und Arbeitswelten. Bei der Nutzung der BBG-Verträge liege der Anteil der Tagreinigung aber ohnehin unverändert bei rd. 70 % – für den öffentlichen Sektor und österreichweit betrachtet ein interessanter Vergleichswert, meint Holly. Und: „Unsere Kunden vereinbaren die Reinigungszeiten im zulässigen Rahmen des Kollektivvertrages mit dem Dienstleister bilateral, die BBG nimmt darauf keinen Einfluss.“

Gewerkschaft will Arbeitszeiten zwischen 8 und 18 Uhr

Am dringlichsten wünscht sich die Gewerkschaft mehr Tagreinigung. Ursula Woditschka, Fachbereich Gebäudemanagement: „Wir als Gewerkschaft vida setzen uns für die Tagreinigung seit vielen Jahren über die europäischen Gremien ein. In Österreich gibt es zur Tagreinigung leider nur wenige Beispiele! Zunächst müssten wir alleine an der Definition Tagreinigung arbeiten, da unserer Ansicht nach Tagreinigung erst gegeben ist, wenn die Arbeitszeit zwischen 8 und 18 Uhr liegt.“ Zeiten davor oder danach seien vor allem für Frauen schwer zu bewerkstelligen, da die Kinderbetreuung, aber z. B. auch die öffentlichen Verkehrsmittel nicht oder kaum im gleichen Ausmaß zur Verfügung stünden. Stolz sei man im ÖGB, da man dort seit vielen Jahren die Tagreinigung eingeführt habe – mit eindeutigen Vorteilen: „Alle MitarbeiterInnen kennen zumindest ihre Abteilungsreinigungskraft beim Namen, und sollte mal schnell was passieren, kann man um Hilfe ersuchen“, so Woditschka. Klar gebe es eindeutige Arbeitsaufträge, „aber so wurde auch allen Mitarbeiter*innen klar, was im Laufe der Woche alles passiert, da man sehen kann, was die Reinigungskraft zu tun hat.“ Vielleicht helfe uns jetzt diese Corona-Krise, da sich viele Reinigungsaufträge veränderten, Hygiene plötzlich im Vordergrund stehe und z. B. Aufzug-Tastaturen und Handgriffe in kürzeren Intervallen zu reinigen und zu desinfizieren seien. „Wir müssen im Interesse von Auftragnehmer*innen und Arbeitnehmer*innen diese Chance nutzen, um von dem veralteten Bild der ,Putzfrau‘ weg zu kommen. Heute haben wir es zumindest mit teilqualifizierten Reinigungsfachkräften zu tun, die für den Erhalt aller Objekte sorgen“, so Woditschka.

Einmal mehr Vorbild Norwegen

Für Dr. Karin Sardadvar, Soziologin an der WU Wien, braucht es „unter anderem einen Wandel der gesellschaftlichen Gewohnheiten, einen Kulturwandel, damit Tagreinigung mehr Verbreitung findet“. Das habe sich etwa in Norwegen gezeigt, wo ab den 1970er Jahren ein Übergang zur Tagreinigung begonnen habe und diese über die Jahre hinweg zum Normalfall geworden sei. Zwar habe der öffentliche Sektor dabei eine zentrale Rolle gespielt und mit dem Übergang zu Tagesarbeitszeiten wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Gewohnheiten und Erwartungen entscheidend verändert hätten. „Wichtig war aber auch, dass die privatwirtschaftliche Reinigung am selben Strang gezogen hat und mit gemeinschaftlichen Bemühungen der Vertretungen von Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innen unter Einbeziehung der Kunden ebenfalls zunehmend auf Tagreinigung umgestellt hat.“ Man habe damals verstanden, dass Sauberkeit und Hygiene in Innenräumen unerläss­lich für die Gesundheit und den Arbeitsschutz der eigenen Mitarbeiter*innen seien – „womit aber auch einher ging, dass man Reinigungskräften für diese nun als wichtig geltende Arbeit gute Jobs mit anständigen Arbeitszeiten bieten musste.“  

Ihre Forschungen zu Tagreinigung in Norwegen zeigten, dass sich Tagreinigung, so Sardadvar, in vielen Kontexten umsetzen lasse, wenn man die Organisation der Arbeit entsprechend umstelle: „Aus norwegischen Schulen und Kindergärten wurde mir berichtet, dass die Reinigungskräfte dort sehr genau Bescheid wissen, wann welche Räume benötigt und benutzt werden, und dass der Ablauf der Reinigung daran angepasst wird. In Norwegen haben auch in Schulen und Kindergärten viele Reinigungskräfte Arbeitszeiten von 6 bis 14 Uhr. Die Reinigungskräfte starten mit den Räumen, die als erste verwendet werden, und machen dann dort weiter, wo sich gerade niemand aufhält oder eine Reinigung mit wenig Störung möglich ist.“ 

„Öffentlicher Sektor kann Vorbildfunktion einnehmen“

Tagreinigung habe jedenfalls, so Sardadvar, Vorteile für alle Beteiligten: „Für die Reinigungskräfte erlaubt sie einen ununterbrochenen Arbeitstag, der sich besser mit dem Familienleben vereinbaren lässt und mehr Kontakt zu anderen Menschen während der Arbeit zulässt. Für die Kundenorganisationen oder Betriebe können unter anderem Sicherheitsaspekte relevant sein – etwa, dass sich niemand allein im Gebäude befindet oder dass sie Schlüssel und Zutrittskarten nicht weitergeben müssen.“ Auch Ad-hoc-Kommunikation und die schnelle Beseitigung von Verunreinigungen seien ein großer Vorteil für die Kunden. Aber auch Nachhaltigkeitsthemen seien relevant: „So kann Energie gespart werden, wenn die Reinigung zu den gewöhnlichen Betriebszeiten stattfindet. Auch sind die Arbeitsbedingungen für das Personal von beauftragten Firmen ein wichtiger Aspekt von sozialer Nachhaltigkeit und CSR.“ Für Reinigungsunternehmen wiederum seien Arbeitszeiten untertags in der Regel einfacher zu organisieren – „zum Beispiel im Fall von Krankenständen, für die rasch Ersatz gesucht werden muss.“ 

Beispiele aus Norwegen, vereinzelt aber auch schon aus Deutschland, zeigen jedenfalls, dass Umstellungen auf Tagreinigung in vielen Bereichen möglich sind, Herausforderungen bewältigt werden können und Vorteile für alle Beteiligten damit verbunden sind. Dr. Karin Sardadvar: „Solche Maßnahmen sind auch in Österreich umsetzbar. Der öffentliche Sektor kann hier eine wichtige Vorbildfunktion einnehmen, die sich insgesamt förderlich auf die gesellschaftlichen Gewohnheiten und Erwartungen auswirken kann.“ Gleichzeitig könne davon unabhängig in der Privatwirtschaft weiter daran gearbeitet werden, die Kunden über die Vorteile von Tagreinigung aufzuklären und, auch im Rahmen der Sozialpartnerschaft, gute Beschäftigungsbedingungen und bessere Arbeitszeiten für die Reinigungskräfte zu fördern, so Sardadvar.

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