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Interaktion als Schlüssel zum Spracherwerb

Sprachkenntnisse in der Reinigung können auch über die Arbeitsorganisation gefestigt werden – mit nur geringen Aufwänden und Investitionen. Interaktion am Arbeitsplatz mit KundInnen und TeamkollegInnen ist hier ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg – Teamarbeit und Tagreinigung sind zwei mögliche Wege dorthin. 

Text: Karin Sardadvar

Karin Sardadvar
Karin Sardadvar (Foto © Heribert Corn)

Sprachkenntnisse sind in der Reinigungsbranche ein gewichtiges Thema. Tatsächlich erleichtern ausreichende Deutschkenntnisse allen Beteiligten die Kommunikation und damit den Arbeitsalltag: den Reinigungsunternehmen, den KundInnen sowie den Reinigungskräften selbst. Einige Unternehmen setzen hier wichtige Initiativen, indem sie etwa kostenlos Sprachkurse anbieten. Mittlerweile wurden auch Spezialkurse für „Fachkommunikation Gebäudereinigung“ und eine Sprachlern-App (*)  für das Smartphone entwickelt. Betriebe berichten jedoch immer wieder, dass bestehende Angebote nicht entsprechend angenommen werden. Ein Grund dafür ist, dass gerade Beschäftigte in der Reinigung – zwischen geteilten Diensten, Kinderbetreuung und Haushaltsverpflichtungen – oft schlicht keine Zeit für einen Kurs in ihrer Freizeit haben, oder niemanden für die Kinderbetreuung. 

Norwegen: Teamarbeit sichert Verständigung 

Neben Sprachkursen und -tools gibt es aber noch ein anderes Instrument, um den Spracherwerb zu fördern: die Interaktion während der Arbeit. Wie kann das funktionieren? Aufschluss geben zunächst Erkenntnisse aus meiner Forschung in Norwegen: Ein Lösungsweg zum Umgang mit Sprachproblemen ist dort die Arbeit in Teams. In manchen Betrieben wird standardmäßig in Zweierteams gearbeitet, in denen zumindest eine Person Norwegisch kann. Damit ist immer eine Person vor Ort, die sich in der Landessprache verständigen kann. Die Vorteile: KundInnen haben stets AnsprechpartnerInnen, Reinigungskräfte arbeiten weniger isoliert, das Arbeitsklima verbessert sich und auch die Reinigungsqualität steigt, weil die Beschäftigten einander fragen und aushelfen können. Auch Englisch als Kommunikationssprache wird in Norwegen seit einigen Jahren gut akzeptiert, was die Situation ebenfalls vereinfacht.  

Arbeitszeiten: Mit Tagreinigung zu mehr Interaktion 

Ein anderer Weg, Deutschlernen bei der Arbeit zu ermöglichen, liegt in einer Veränderung der Arbeitszeiten. Reinigungskräfte, vor allem in der Unterhaltsreinigung, arbeiten in Österreich oft mit geteilten Diensten an den Tagesrändern – also bevor die Beschäftigten des Kundenunternehmens kommen, und nachdem diese bereits gegangen sind. Das bringt eine lange Reihe von Problemen für die Lebensqualität der Beschäftigten mit sich. Es wirkt sich aber auch ungünstig auf die Sprachkompetenz aus: Solange die Arbeit so organisiert ist, dass Reinigungskräfte isoliert und mit wenig Kundenkontakt ihre Arbeit verrichten, ist es auch kaum möglich, dass sie im Alltag ihre Deutschkenntnisse trainieren. Tagreinigung dagegen führt automatisch zu mehr Interaktion und somit sprachlichem Training.

Fazit: Reinigungsarbeit ist in vielen Staaten, darunter Österreich, ein Tätigkeitsbereich, in dem der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte hoch ist – unter anderem, weil die Branche einen niedrigschwelligen Einstieg in den Arbeitsmarkt bietet. Das Thema Sprachkenntnisse gehört damit in dieser Branche zur Realität. Fortschritte gibt es bei Sprachkursen und -tools zu beobachten: Diese sind zunehmend spezifisch auf die Branche zugeschnitten. Es kann aber auch über die Arbeitsorganisation ermöglicht werden, Sprachkenntnisse zu festigen – mit nur geringen Aufwänden und Investitionen. Interaktion am Arbeitsplatz, mit Kund_innen und Teamkolleg_innen, ist hier ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg – Teamarbeit und Tagreinigung sind zwei mögliche Wege dorthin. 


Dr. Karin Sardadvar, Soziologin, forscht zu den Arbeitsbedingungen in der Reinigungsbranche und leitet an der Wirtschaftsuniversität Wien das Forschungsprojekt SPLITWORK, das sich u.a. mit geteilten Diensten in der Büro­reinigung beschäftigt.
https://bach.wu-wien.ac.at/d/research/projects/3187/#abstract



„Gute Kommunikation steigert Selbstwertgefühl und Motivation“

Wie in der Gebäudereinigungsakademie Sprachhürden überwunden werden

Christoph Guserl
Christoph Guserl

Christoph Guserl, Geschäftsführer der Gebäudereinigungsakademie der Wiener Gebäudereiniger SchulungsGmbH und BetriebsGmbH: „Die Deutschkenntnisse der SchulungsteilnehmerInnen sind in unseren Kursmaßnahmen sehr unterschiedlich. Insbesondere bei unseren Grundkursen wie zum Beispiel Basiskursen und Basiskurs Krankenhausreinigung, aber auch bei den Kursen Geprüfter Hausbetreuer gibt es oft Probleme mit der Sprachbarriere. Und auch in den Meisterprüfungsvorbereitungskursen gibt es immer ein paar wenige Personen, bei denen das Sprachverständnis nicht ausreicht, um eine Meisterprüfung positiv zu absolvieren. In unseren Basiskursen arbeiten wir sehr praxisorientiert. Unsere Schulungsunterlagen sind mit vielen Fotos und Piktogrammen etc. gestaltet, sodass eine Sprachhürde überwunden werden kann. Sämtliche Inhalte werden, sofern möglich, vorgezeigt und sämtliche Muster wie Reinigungsmittel, -utensilien und Materialen werden durchgereicht, um die Themen zu veranschaulichen.“

In diversen Kursen, in denen man vorab wisse, dass es zu Sprachproblemen komme, würden bewusst multilinguale TrainerInnen eingesetzt, um viele Begriffe übersetzen und erklären zu können.

Da sich die Situation am Arbeitsmarkt zurzeit schwierig gestalte, könnten sich Dienstleister punkto Sprachkenntnisse oft nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken, so Guserl. Sinnvoll sei es jedoch, „dass ein gewisses Sprachverständnis bzw. Niveau vorhanden ist, um möglichst viel mitzunehmen bzw. auch eine Kursbestätigung zu erhalten.“ Zukünftig werde es in der reformierten ÖNORM D2040 elektronische Kompetenzfeststellungen in Form einen Kompetenztest geben. Der Vorteil an MitarbeiterInnen mit guten Deutschkenntnissen liege jedenfalls klar auf der Hand: „Wenn sich das Personal gut verständigen kann, wird natürlich der Wissensstand nach Ausbildungen umso besser umgesetzt. Des Weiteren ist es immer ein Vorteil, dass sich Kunden mit den Reinigungskräften austauschen können, so werden Wünsche und kleine Reklamationen vorab schnell erledigt und ein eventuell unnötiger Prozess, welcher in einer Beschwerde oder vielleicht einer Vertragsauflösung endet, vermieden.“ Oft seien es wirklich nur kleine Dinge des Alltags, auf die man schnell reagieren könne, und auf jeden Fall würden auch die Ressourcen der ObjektleiterInnen nicht weiter ausgereizt. „Der Vorteil für die MitarbeiterInnen zeigt sich natürlich darin, dass sie in den Objekten viel besser integriert werden. Durch eine gute Kommunikation steigert sich das Selbstwertgefühl und auch die Motivation“, betont Guserl. Ein ideale Kombination ergebe sich mit der passenden Ausbildung.


„Ein Gewinn für alle“

Gemeinsame Kommunikationsbasis „deutsche Sprache“

Regina John, Assistenz Einsatzleitung Innendienst Winterservice bei Attensam
Regina John, Assistenz Einsatzleitung Innendienst Winterservice bei Attensam

Sprache ist der erste Schritt zu gelungener Integration. Attensam will hier auch ein Stück weit gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und bietet deshalb seit vielen Jahren Sprachkurse für seine Mitarbeitenden an – von Basiskursen bis hin zu weiterführenden Schulungen. Durchgeführt werden die Kurse von einem darauf spezialisierten und etablierten Anbieter. „Dieses Angebot auf freiwilliger Basis wird gut angenommen: Beispielsweise melden sich rund 90 Prozent unserer Arbeiter und Arbeiterinnen im Winterservice, deren Deutschkenntnisse noch ausbaufähig sind, dafür an.“ erzählt Regina John, Assistenz Einsatzleitung Innendienst Winterservice bei Attensam. Dadurch soll ein Grundstein gelegt werden, denn eine solide Sprachkompetenz kann man sich nur in der Praxis aneignen – deshalb sollten die erlernten Kenntnisse dann im Arbeitsumfeld angewendet werden, damit sie nicht schnell wieder in Vergessenheit geraten.

Welchen Nutzen bringt das für die Beteiligten – für die Unternehmen, Mitarbeiter, Kunden? Regina John: „In der Reinigungsbranche gibt es eine hohe Anzahl an Beschäftigten mit Migrationshintergrund, umso wichtiger ist deshalb eine gemeinsame Kommunikationsbasis über die deutsche Sprache zu schaffen. Mit seinem Kursangebot will Attensam nicht nur den Austausch im Team verbessern, indem man etwaige Sprachbarrieren abbaut. Natürlich ist es ebenso ein Anliegen, dass die Teams mit den Kunden in Kontakt treten können – immerhin sind sie die Visitenkarte von Attensam nach außen.“ Deshalb biete Attensam darüber hinaus die „5‐Sterne‐Ausbildung für Kommunikation“ an, in der Mitarbeitenden nähergebracht werde, wie man im Kundenkontakt richtig und selbstbewusst auftritt. „Aus unserer Sicht ist das Kursangebot deshalb ein Gewinn für alle – für die Teilnehmenden, für Attensam, für unsere Kunden und auch für die Gesellschaft im Allgemeinen“, so John.


Erfolgsmodell „Sprache lernen am Arbeitsort“

Angepasst an die Arbeitszeiten, bietet SIMACEK seit 2010 auf freiwilliger Basis kostenlose Deutschkurse für alle MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz.

Mag. KR Ursula Simacek: „Bildung ist unser höchstes Gut und begründet unseren Wohlstand, unsere Gesundheit und ist nicht nur der Schlüssel zur Inklusion, sondern auch zur Sozialisierung.“
Mag. KR Ursula Simacek: „Bildung ist unser höchstes Gut und begründet unseren Wohlstand, unsere Gesundheit und ist nicht nur der Schlüssel zur Inklusion, sondern auch zur Sozialisierung.“

Die SIMACEK Facility Management Group GmbH bietet seit 2010 auf freiwilliger Basis kostenlose Deutschkurse für alle MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz, angepasst an die Arbeitszeiten, an. Hier werden Aufstiegschancen gefördert und die soziale Integration von sprachbenachteiligten Frauen und Männern gesteigert. Allfällige Förderanträge werden beim AMS eingereicht. 

Dadurch sollen die Chancen auf Höherqualifizierung und die Sicherheit in allen Arbeits- und Lebenslagen gesteigert werden. Da generell das Lernen gelernt sein will und die Hemmschwelle entsprechend groß ist, werden die Sprachkurse an den Arbeitsplatz gebracht, was bei einer solchen Vielzahl an Arbeitsplätzen wie in der Reinigung zu Beginn eine gar keine so leicht zu lösende Aufgabe war.  Es war dabei wichtig, Kund*innen zu involvieren, damit im Objekt gelernt werden darf; diese Stakeholder-Kooperation gestaltet sich noch immer als herausragende Kooperation, die dauerhaft wirkt. Den Arbeitsort zum Lernort zu machen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, dass dieses Modell so erfolgreich ist.

Feedback und Kommentare von Teil­nehmern*innen:

„Seit dem Sprachkurs kann ich mit meiner Tochter Hausaufgaben machen.“

„Es bringt mir in vielen Lebensbereichen etwas. Ich verstehe mich überall besser mit den Leuten. Und wenn ich sie besser verstehe, kann ich auch besser antworten.“

„Ich verstehe auch besser, wenn ich Deutsch lese.“

„Endlich konnte ich meine Passverlängerung alleine beantragen.“

„Beim Arzt reden ist jetzt auch besser.“

Mag. KR Ursula Simacek: „Im Endeffekt ist es das erklärte Ziel dieser Bildungsinnovation, vom Lernen zum Können zu kommen, denn Bildung ist unser höchstes Gut und begründet unseren Wohlstand, unsere Gesundheit und ist nicht nur der Schlüssel zur Inklusion, sondern auch zur Sozialisierung.“

Lern-App

Die Sprachtrainer-App der Firma SIMACEK unterstützt dabei, die allgemeine Sprachkompetenz ihrer Mitarbeiter zu verbessern und fachspezifisches Vokabular zu trainieren: Mit einer bewährten Lernmethodik und der innovativen LiveMatch-Technologie für interaktives Lernen mit Spaß und besserem Lernerfolg.

Ein Leitfaden über die Pflege von Angehörigen ist für die Mitarbeiter*innen in der App integriert. Die wertvollen Pflegeinformationen können dank eingebauter Übersetzungstechnologien bei Bedarf direkt in der App in mehr als 100 Sprachen übersetzt werden. Überdies gibt es die Möglichkeit eines Newsfeed und von Push Notifications für aktuelle Informationen.

Das bedeutet für das Unternehmen und seine Mitarbeiter*innen:

  • Deutschkurse A1-A2 inklusive Fachwortschatz Gebäudereinigung und Glossar mit mehr als 1000 Fachbegriffen und zusätzliche Wörterbücher und Übersetzungstechnologien;
  • Erhebliche Verbesserung der internen Kommunikation via Smartphone/Tablet;
  • Verbesserung der Arbeitsabläufe und Vereinfachung der Kommunikationsprozesse
  • Erhöhung der Produktivität und Qualität durch bessere Kommunikation und Technologie;
  • Verbesserung der Mit­arbeiter­*innen­qualifikation;
  • Erhöhung der Mitarbeiter*innen­sicher­heit;
  • Verstärkte Bindung an das Unter­nehmen;
  • Übersetzung und Navigation in vielen Muttersprachen inklusive Arabisch, Farsi, Türkisch, Ukrainisch und Russisch;
  • Installation auf gängigen Smartphones mit Android oder iOS.

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