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Hygieneplan soll nicht nur Behörden befriedigen

Prinzipiell muss man Österreichs Küchen ein gutes Zeugnis ausstellen. Aber gute Küchenhygiene kommt nicht von selbst.

Text: Arno Sorger (*)

Ziel der „Küchenhygiene“ ist die Verhinderung der Erkrankung von Menschen durch die erzeugten Speisen. Engen wir den Bereich der Küchenhygiene einmal auf den rein mikrobiologischen Part ein, dann bestehen in der Küche folgende Möglichkeiten der mikrobiologischen Kontamination von Speisen:

  • Kontamination von außen. Streng genommen muss man diese wiederum in zwei Varianten teilen:
    • „Innere Kontamination“ des Lebensmittels (z.B. Salmonellen in Hühnereiern). Hier sind die in den jeweiligen Vorschriften genannten Maßnahmen umzusetzen;
    • „Äußere Kontamination“ der Verpackung oder der Fruchtschale: Hierfür ist eine entsprechende Vorgehensweise zu schaffen, die verhindert, dass eine Äußere Kontamination in das Lebensmittel gelangt (z.B. Abwaschen der Früchte, Reinigung der Verpackung, wo und wann wird die Verpackung geöffnet, …)
  • Kontamination der Speisen durch unsachgemäße Lagerung. Dies ist in der Regel eine Vermehrung von hygienisch relevanten Mikroorganismen – Krankheitserregern oder Verderbserregern – während der Lagerung. Eine Kontamination kann sowohl originär sein als auch durch Umwelteinflüsse im Zuge der Einlagerung bzw. Lagerung erfolgen. 
  • Kontamination im Zuge der Zubereitung: Darunter ist eine Kontamination zu verstehen, die erst während der Zubereitung auftritt. Während bei den bisher genannten Kontaminationen vor allem Bakterien und Pilze relevant sind, werden bei der Kontamination im Zuge der Zubereitung auch die Viren interessant. Es ist ein Verfahren zu schaffen, das eine Kreuzkontamination zwischen den einzelnen Speisen verhindert, eine Rekontamination nach dem jeweiligen critical control point verhindert und eine Kontamination durch den jeweiligen Mitarbeiter verhindert.
  • Kontamination im Zuge der Essensausgabe: Diese Kontamination wird oft vernachlässigt, ist aber ein häufiger Infektionsweg z.B. bei Noroviren-Infektionen. Dies fängt bei der Geschirr­hygiene an, geht dann zum Servierpersonal (inwieweit ist dieses in die Küchenhygiene integriert?) bis hin zu speisenausgabetechnischen Einrichtungen (das offen liegende Brot am Frühstücksbuffet, das gemeinsame Buttermesser, …)

Ziel der Küchenhygiene muss es daher sein, die oben angeführten Kontaminationsmöglichkeiten in den Griff zu bekommen.

Manchmal krankt es baulich

Prinzipiell muss man Österreichs Küchen ein gutes Zeugnis ausstellen. Selbst bei den kleineren Einrichtungen gibt es viele, die vorbildlich die hygienischen Anforderungen umsetzen. Gute Küchenhygiene kommt aber nicht von selbst. Hier ist zunächst die hygienische Basis erforderlich. Entsprechend gestaltete Böden und Arbeitsflächen sowie Kühlräume und Lagerflächen sind eigentlich mittlerweile selbstverständlich.

Probleme treten meist nur auf, wenn in die Gestaltung der Küchen zu viele mit der Küchenhygiene nicht vertraute Personen eingreifen oder wenn Platzmangel mit teilweise sehr hanebüchenen Konstruktionen begegnet wird. Und diese Probleme treten unabhängig von der Größe der Küche auf.

Woran es baulich manchmal auch krankt, ist die hygienegerechte Ablaufgestaltung der Küche. Damit ist gemeint, dass hygienerelevante Bauteile – z.B. Waschbecken, Tuchspender, Desinfektionsmittelspender – dort vorhanden sind, wo sie gebraucht werden.

Wenn ich neben dem Arbeitsplatz, an dem ich arbeite, ein Waschbecken habe, werde ich mir dort auch die Hände waschen. Wenn in dem Waschbecken aber gerade der Salat gewaschen wird (oder etwas eingeweicht wird etc.), dann kann ich mir dort nicht die Hände waschen. Wenn kein anderes Waschbecken in unmittelbarer Nähe ist, werde ich daher wahrscheinlich die Hände etwas zu wenig waschen. Wir haben oft auch in großen Küchen nur ein Händewaschbecken für die Mitarbeiter.

Ebenso sind Händedesinfektionsmittelspender dort anzubringen, wo der Mitarbeiter mit dem Lebensmittel direkt in Berührung kommen wird. Aufgrund der oft tiefen („breiten“) Arbeitsflächen sind manuelle Spender teilweise nur schwer zu bedienen. Hier sind automatische Spender unbedingt zu empfehlen.

Soll-Abläufe ausreichend dokumentieren

Eine oft unterschätzte Problematik ist der Bereich der Speisenausgabe. Gerade in kleineren Einrichtungen ist der Küchenbereich vom Servicebereich oft nicht ausreichend getrennt.

Neben der baulichen Gestaltung ist es wichtig, die Soll-Abläufe ausreichend dokumentiert zu haben. Hierbei geht es weniger um die Basis der Guten Hygienepraxis oder des HACCP-Systems. Es geht darum, diese Basisdokumente einerseits nicht nur so zu gestalten, dass sie den behördlichen Vorgaben entsprechen, sondern dass sie auch tatsächlich für die Küche von Vorteil und sinnvoll sind. Das bedeutet aber, dass diese Vorgaben individuell auf die jeweilige Küche abzustimmen sind.

Einen Hygieneplan hat heute praktisch jede Küche. Oft wird er vom Reinigungs- und Desinfektionsmittellieferanten erstellt. In der Praxis stellt man dann aber oft fest: „Der Reinigungsmittellieferant wurde gewechselt und die Mittel stimmen nicht mehr“, „der Reinigungsmittellieferant hat ein Produkt geändert und es wurde nicht korrigiert“ etc. Teilweise habe ich in Einrichtungen auch schon mehrere einander widersprechende Hygienepläne gesehen. Der Hygieneplan kann aber viel mehr als nur als aufgehängtes Mittel zur Befriedigung der Behörden zu dienen.

Desinfektion will gelernt sein

Wenn ich in Küchen komme, lese ich gerne den Hygieneplan. Oftmals entstehen dann bei mir Fragen. Beispielsweise steht dort „mit Wischtuch“. Was für ein Wischtuch? Wo finde ich das Wischtuch? Was mache ich danach mit dem Wischtuch? Das sind alles Fragen, die ebenfalls in einem Hygieneplan beantwortet werden sollten. Es sollte so sein, dass – maximal nach einer kurzen Einschulung – jeder, der den Hygieneplan liest, diesen auch umsetzen kann. Es geht also darum, den Hygieneplan aus dem elfenbeinernen Turm der hehren Behördenvorgabe in ein praktisch anwendbares Dokument zu verwandeln. Oftmals stellt man fest, dass Arbeitsflächen zwar desinfiziert werden, bei einer mikrobiologischen Überprüfung nach Desinfektion aber trotzdem eine entsprechende Belastung gefunden wird. Aber nicht, weil die Mittel nicht funktionieren, sondern hier geht es um die korrekte Durchführung der Desinfektion. Auch wenn es sich so einfach anhört: Desinfektion will gelernt sein. Und das bedeutet, zuerst die Vorgehensweise beschreiben und anschließend die Mitarbeiter darin praktisch schulen. Wo beschreiben? Im Hygieneplan!

Hygiene muss von oben vorgelebt werden

Neben den klaren Vorgaben ist auch eine Verifikation der Hygieneziele sinnvoll: Sind meine „gereinigten“ Arbeitsflächen tatsächlich „rein“? Wie viele Mikroorganismen habe ich auf meiner desinfizierten Arbeitsfläche? Verbreite ich in meinem Lager Schimmelpilzsporen? Wie gut desinfizieren meine Mitarbeiter ihre Hände? Wie sicher ist meine Geschirraufbereitung?

Natürlich ist Hygiene eine Sache, die von oben den Mitarbeitern vorgelebt werden muss. Wenn der Chef Hygiene für wichtig erachtet, werden die Mitarbeiter eher die hygienischen Vorgaben beachten.

Hemmend auf die Hygiene wirkt sich aus, dass es lange Zeit scheinbar auch ohne Hygiene funktioniert. Krankheitserreger sind – Gott sei Dank – eher selten.  Das bedeutet, dass es lange Zeit gut geht oder gut gehen kann. Und wenn dann dieses „seltene“ Ereignis trotzdem eintritt, wird als Ausrede gerne genommen, dass es „unvermeidbar“ war.

Natürlich kann man jetzt den Rechenstift zur Hand nehmen und feststellen, was ein Erkrankter kostet, und kann dann ebenso mit dem Rechenstift die Kosten der Hygiene gegenrechnen. Man sollte dabei aber nie vergessen, dass es hier um Menschen geht. Und man sollte in hygienischen Themen sich immer die Frage stellen: „Was wäre, wenn mich diese Krankheit treffen würde? Wie würde ich reagieren, wenn mein Partner oder meine Kinder oder meine Eltern an dieser Krankheit sterben würden? An einer Krankheit, die sich hätte vermeiden lassen! – wenn man ein wenig sorgfältiger, ein wenig genauer gearbeitet hätte…


(*) Dr. Arno Sorger ist Geschäftsführer der W.H.U. GmbH – Laboratorium für Wasseruntersuchungen und Hygiene, Bischofshofen.



Heikle Bereiche „Kalte Küche“ und Küchenbekleidung

Ein ganz heikler Bereich der Küchenhygiene ist laut Hygiene-Experten Arno Sorger die Kalte Küche: „Ich kenne einige Küchen, in denen das Geschirr der Kalten Küche (z.B. Kunststoffschüsseln, in denen Cremen zubereitet werden, oder Gebinde, die zu groß für die Spülmaschine sind) nie ordentlich gewaschen, sondern nur manuell, ohne Desinfektion, ausgespült wird“, sagt Sorger. Gerade in der kalten Küche könne es also hygienische Probleme geben, wenn zwar die Arbeitsfläche desinfiziert werde, aber die Schüssel nicht.

Ein wichtiges Thema ist in diesem Zusammenhang auch die Küchenbekleidung. Sorger: „In sehr großen Küchen wird die Bekleidung meistens von einem zertifizierten externen Dienstleister gut aufbereitet. Aber ab der mittleren Küchengröße, auch noch im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung, wird es interessant, denn: Ist die Wäsche nach den Vorgaben für Lebensmittelbetriebe gestaltet? Wer wäscht die Wäsche? Werden beim Waschen hygienisch relevante Mikroorganismen inaktiviert? Ist immer ausreichend Wäsche vorhanden? Wie oft wird die Kleidung gewechselt? Wo ziehen sich die Leute um (Daheim? In einem eigenen Umkleideraum für das Küchenpersonal in unmittelbarer Nähe zum Küchenbereich?)?“ Auch die Kopfbedeckung sei ein interessantes Thema: „Hier werden oft modische Aspekte in den Vordergrund gestellt, und es wird übersehen, dass der Sinn der Kopfbedeckung das Bedecken der Haare ist. Und: „Bart tragen ist derzeit modern. Es wird verlangt, dass ein Kopfschutz getragen wird, aber wie ist das beim Bart? Es gibt auch einen Bartschutz – in anderen Bereichen, z.B. in Pharmabetrieben oder großen Lebensmittelbetrieben, ist das Tragen eines Bartschutzes selbstverständlich. In Küchen ist es  aber bisher doch unüblich.“

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