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Homeoffice: „Aufklärungsarbeit wichtig!“

Denkt man über die zukünftige Funktion der Büros nach, darüber, was sie leisten sollen, wird schnell klar, dass man nicht einfach nur Fläche verkleinern kann. Sagt Prof. Michael Bartz, IMC Fachhochschule Krems, International Business Institute (*), im Interview mit Reinigung aktuell.

Text: Hansjörg Preims

Reinigung aktuell: Herr Bartz, inwiefern sind Sie mit dem Thema Homeoffice befasst?

Michael Bartz
Michael Bartz

Bartz: Seit 11 Jahren forschen wir zu dem Thema an der IMC Fachhochschule Krems. Und es ist ein Glücksfall gerade in der derzeitigen Krise, dass wir in Österreich – was einzigartig in der EU ist – schon seit so vielen Jahren kontinuierlich im Bereich mobiles Arbeiten  und Homeoffice forschen. Dabei beschäftigen wir uns insbesondere mit zwei Themenblöcken: zum einen mit der Erfolgsmessung, das heißt, wir messen über 4 bis 7 Jahre hinweg, wie sich mobiles Arbeiten und Homeoffice auswirkt – auf den Betrieb und auf die Mitarbeiter*innen, sprich: auf die Produktivität, aber auch auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen. In einem zweiten Forschungsstrang haben wir uns angesehen, was die Produktivität und die Zufriedenheit beeinflusst. Und das sind insbesondere die Spielregeln für das mobile Arbeiten, also wirklich niedergeschriebene Spielregeln, Regelwerke, die klarstellen, was man zu tun und zu lassen hat, was gut ist, zu tun, wenn man mobil arbeitet. Das können je nach Firma unterschiedlich umfangreiche Spielregeln sein, von auch nur 3 Seiten bis zu 30 Seiten, wie es oft in Betrieben im öffentlichen Sektor üblich ist. Und in dem Zusammenhang hat uns natürlich von Anfang an interessiert: Warum sind diese Spielregeln so unterschiedlich, unterschiedlich lang und inhaltlich unterschiedlich? Was ist wichtig zu regeln, was kann man auch weglassen, weil es von selbst funktioniert? Und da konnten wir auch jetzt, in der Corona-Krise, sehr vielen Unternehmen direkt dabei helfen – vor allem Unternehmen, die vorher kein Homeoffice hatten –, innerhalb von Stunden entsprechende Regelwerke aufzustellen.

Wir haben von unserer Hochschule aus vor Kurzen auch eine Umfrage zum Thema mobiles Arbeiten durchgeführt.

Reinigung aktuell: Nun sind Reinigungsfirmen nicht direkt von Homeoffice betroffen, sondern indirekt bzw. insofern, als Homeoffice reduzierte Nutzungsflächen in den Büros bedeutet. Haben Sie einen Einblick, in welchem Ausmaß Reinigungsfirmen davon betroffen sein werden?

Bartz: Ja, gerade auch aus laufenden Forschungsprojekten. Wir können sagen, dass 60 Prozent der Unternehmen in Österreich vorhaben, auch nach Corona an mobilen Arbeitsweisen festzuhalten. Das haben verschiedene Studien schon vergangenen Sommer gezeigt, wie auch eine eigene Studie der IMC FH Krems. Und um genau zu hinterfragen, was das dann bedeutet, sind wir jetzt im Rahmen eines laufenden Forschungsprojektes mit Geschäftsführern und Vorständen in so genannte Fokusgruppen hineingegangen. Und das hat ergeben, dass ein Großteil der Unternehmen darüber nachdenkt, Büros zu verkleinern, indem sie sehr stark auf Desk-Sharing setzen, und dann zum Beispiel mit nur noch der Hälfte der Schreibtische, das Büro auch flächenmäßig halbieren zu können. Deswegen ist es auch ganz wichtig, entsprechend aufzuklären, denn was dabei zunächst schnell übersehen bzw. erst im zweiten Schritt klar wird: Wenn nach Corona in Betrieben intensiver mobil gearbeitet wird als vorher, dann verändert sich die Funktion der Büros. Dann kommt man erstens nicht mehr unbedingt ins Büro, um sich einen Schreibtisch zu suchen – das ist dann nicht mehr die primäre Aufgabe –, sondern vielmehr, um sich zu treffen – für bestimmte Arbeitsformate oder Meeting-Formate; es geht dann vermehrt um Zusammenarbeit. Aber zweitens auch, um sich zu zeigen, denn das ist wichtig für die Karriere. Von der Forschung aus dem Bereich Impression Management wissen wir: Nur wer sich zeigt, macht Karriere.

Das dritte Grundmotiv, warum man dann ins Büro kommt, ist, um den so genannten Flurfunk abzugreifen, das betrifft all die Zufallsbegegnungen und informellen Informationen innerhalb eines Unternehmens, die so viel wichtiger sind als die offiziellen Mails und Infos der Geschäftsführung oder des Vorstandes. Der Flurfunk ist oft entscheidend, wie gut man im Job ist.

Und das vierte Motiv sind einfach soziale Bedürfnisse der Menschen, die berücksichtigt werden müssen: das einander Begegnen, miteinander sprechen, sich als Mensch und soziales Wesen fühlen und dies in der Firma auch ausleben können. Damit verändert sich die Architektur dieser Büros. 

Reinigung aktuell: In welchen Branchen wird es am meisten Homeoffice geben?

Bartz: Das zieht sich durch alle Branchen durch, da es sich in jedem Unternehmen auf den Bürobereich beschränkt. Egal ob Produktions- oder ein Dienstleistungsunternehmen, ob Bank oder Versicherung, alle wollen die Vorteile mobiler Arbeitsweise erschließen und auch die Kostenreduktion nutzen, die sich potentiell durch vermehrtes mobiles Arbeiten ergibt. Die Vorteile: zum einen – das zeigen auch unsere Messungen – mittelfristig eine hohe oder erhöhte Produktivität. Zum anderen und noch viel wichtiger: eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit und so auch die Bereitschaft, sich in den Betrieb einzubringen, sich zu engagieren und sich mit dem Betrieb zu identifizieren. Das nennt man Engagement und Commitment – die beiden Größen kann man genau messen – und das führt letztlich zu hoher Produktivität. Und ein weiterer, ganz entscheidender Vorteil ist die Arbeitgeber-Attraktivität. Denn da geht es darum, Fachkräfte anzuziehen. Uns fehlen in Österreich laut Wirtschaftskammer zum Beispiel 24.000 IT-Fachkräfte. 

Reinigung aktuell: Wie sehr bestimmt das Job-Profil, ob man mobil arbeiten kann oder nicht?

Bartz: Da gibt es große Unterschiede. Beispiel Buchhaltung: Hier kann vieles mobil oder im Homeoffice erledigt werden, sofern in der Firma die technischen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Wenn die Buchhaltung elektronisch funktioniert, ist das ein Job, der gut auch mobil oder im Homeoffice ausgeübt werden kann. Ein Buchhalter, eine Buchhalterin hat kaum Meetings, nicht viele Außenkontakte, arbeitet überwiegend fokussiert, und das kann eigentlich überall passieren, wenn, wie gesagt, die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Aber zum Beispiel im Marketing oder im Produktmanagement muss man sich laufend abstimmen, diese Mitarbeiter findet man ganz viel in Meetings, denn sie müssen immer alle an Bord holen, Pläne abstimmen, Vereinbarungen treffen. Sie sitzen gerade mal ein paar Stunden die Woche fokussiert vor einer Marketing- oder einer anderen Planung oder arbeiten ein Konzept aus. Diese fokussierte Arbeitszeit, die bei der Buchhaltung 90 Prozent der Arbeitszeit ausmacht, macht bei einem Marketier oder Produktmanager vielleicht 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit aus. Die müssen sich also überwiegend im Büro aufhalten, weil es der Job verlangt, weil es ja ständig darum geht, alle an Bord zu bringen und zu halten. Das sind zwei Extreme, an denen man gut nachvollziehen kann, wie sehr das Job-Profil bestimmt, ob man mobil arbeiten kann und vor allem, wie viel sinnvoll ist. 

Reinigung aktuell: 60 Prozent der Unternehmen, sagten Sie, wollen auch nach Corona an mobilen Arbeitsweisen festhalten. Wie war es diesbezüglich „vor Corona“?

Bartz: Vorher waren es schätzungsweise 18 Prozent der Unternehmen, die mobiles Arbeiten ermöglicht und gefördert haben. Das heißt, wir können mit einer ungefähren Verdreifachung der Betriebe rechnen, die nach Corona weiter daran festhalten. Derzeit ist eine Zahl vom Arbeitsministerium, bzw. Statistik Austria im Umlauf, wonach rund 700.000 Mitarbeiter in Corona-Zeiten Homeoffice nutzen können, und es bleibt natürlich zu hoffen, dass auch nach Corona noch so vielen das mobile Arbeiten ermöglicht wird bzw. dass es zumindest diesen 700.000 nicht wieder weggenommen wird.   

Reinigung aktuell: Was sagen Sie zu einem Homeoffice-Gesetz, das Steuerbegünstigungen vorsieht?

Bartz: Hier geht es natürlich nur um diese Ausnahmezeit 2020 und 2021, in der es quasi keine Alternative dazu gibt, im Homeoffice zu arbeiten. Das ist aber nichts für die Zukunft, wenn mobiles Arbeiten wieder optional ist, sprich: Wenn jemand jederzeit auch im Büro einen Platz findet, wenn also das mobile Arbeiten 100%-ig Möglichkeit und kein Muss ist, dann braucht es keine Steuerbegünstigungen. Allerdings: Wenn Unternehmen wirklich ihre Bürofläche stark verkleinern, dann kann man nicht mehr davon ausgehen, dass das mobile Arbeiten optional ist, und für diesen Fall bräuchte es in Zukunft eine Gesetzgebung, die sicherstellt, dass man, wenn das mobile Arbeiten nicht mehr freiwillig erfolgt, als Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kostenerstattung hat. Wenn man wegen stark reduzierter Bürofläche gezwungen ist, im Homeoffice zu arbeiten, sollte der Arbeitgeber auch die Kosten für das Homeoffice übernehmen. 

Reinigung aktuell: Welche Kosten sind das?

Bartz: Insbesondere Energiekosten. Und – wenn Homeoffice wirklich regelmäßig genutzt wird, braucht es auch einen ergonomischen Arbeitsplatz. Unter Umständen sogar einen Ergonomie-Check durch einen Experten oder eine Expertin vor Ort. Und diese Kosten sind abzugelten. Auch über die Pendlerpauschale müsste man reden bzw. nach Corona diskutieren. Denn sollte nach Corona eine neue Gesetzgebung kommen, welche Kostenerstattung im Homeoffice vorsieht – was macht man dann mit der Pendlerpauschale? Beides zu 100 Prozent einstecken geht nicht. Es ist ein sensibles Thema, bei dem man die Fakten und verschiedenen Bedarfslagen sehr genau analysieren und hier stark differenzieren muss.

Reinigung aktuell: Man kann letztlich davon ausgehen, dass infolge der Reduktion von Büroflächen Facility-Dienstleister wie die Gebäudereiniger Umsatzeinbußen erleiden werden? 

Bartz: Absolut. Deswegen ist auch wichtig, jetzt entsprechend aufzuklären, was wir auch aus unserer Forschung heraus machen: aufzuklären darüber, dass man das nicht so eins zu eins rechnen kann. Denn zum einen wird ein Betrieb, wenn er die Bürofläche um die Hälfte verkleinert, zukünftig gegebenenfalls für die Kosten im Homeoffice aufkommen müssen. Und zum anderen bekommt ein Büro durch die Flächenreduktion ja eine neue Funktion, das heißt, man braucht dann mehr allgemeine Flächen – Kaffeeküchen, Treffpunkte, Meetingräume. Diese Flächenverkleinerungen muss man also wiederum relativieren. Und da wäre es eben wichtig, dass auch die Reinigungsindustrie jetzt mit aufklärt und genau solche Informationen an ihre Kunden heranträgt. Wir als Forschungsstelle in Krems stehen jedenfalls als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn es entsprechende Anfragen von Unternehmen gibt. 

Reinigung aktuell: Gibt es Zahlen dazu, wie viel Büroflächenreduktion es geben könnte?

Bartz: Die meisten Unternehmen diskutieren derzeit eine Büroflächenreduktion um die 30 bis zu 40 Prozent. Dementsprechend planen Unternehmen, ganze Gebäude entweder unterzuvermieten oder zu verkaufen, Mietverträge zu kündigen oder in Gebäuden Etagen abzugeben. Und da sind die Reinigungsfirmen dann gleichsam in der „Nahrungskette“ ganz hinten. Deswegen ist die erwähnte Aufklärungsarbeit so wichtig. 

Reinigung aktuell: Aber wären es dann insgesamt nicht wiederum gleich viele Quadratmeter an Büroflächen, nur anders verteilt?

Bartz: Nein. Auch die Immobilienbranche hat erkannt, was sich da ändert. Das wird dann wohl eher auf Leerstand hinauslaufen. Auch vor Corona hatten wir zum Beispiel in Wien schon Überkapazitäten im Bürobereich. Es geht hier auch um Krisenfestigkeit. Viele Unternehmen stehen jetzt unter dem Druck, Kosten reduzieren zu müssen oder in Zukunft Risiken zu reduzieren. Die haben einfach gesehen, wie schnell es brenzlig werden kann und wird. Deswegen wird natürlich auch darüber nachgedacht, wie man sich auch für die Zukunft schlanker aufstellen kann. Die Unternehmen sind diesbezüglich sehr motiviert. Und Facility-Kosten – Miete fürs Büro, Reinigung, Energie – sind für die meisten Unternehmen nach den Personalkosten die nächsthöchste Kostenposition. Das heißt, da können Betriebe richtig viel Geld einsparen.

Reinigung aktuell: Es könnte für Reinigungsfirmen, ohnehin gebeutelt vom ständigen Preiskampf, also noch härter werden? 

Bartz: Ja. Deswegen ist die Aufklärungsarbeit so wichtig. Da sollten die Immobilienbranche und die Reinigungsbranche an einem Strang ziehen und gemeinsam transparent machen, dass die Kalkulation über mögliche Einsparungspotentiale doch nicht so hoch ausfällt, wenn man über die zukünftige Funktion der Büros nachdenkt – darüber, was sie leisten sollen. Und dann wird schnell klar, dass man nicht einfach nur Fläche verkleinern kann.


(*) Prof. (FH) Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Bartz lehrt und forscht an der IMC Fachhochschule Krems, International Business Institute(*)
Prof. (FH) Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Bartz lehrt und forscht an der IMC Fachhochschule Krems, International Business Institute



„Die Reinigungs­leistung wird flexibel angepasst werden“

Worauf sich die Reinigungsdienstleister bezüglich Homeoffice bei ihren Kunden einstellen müssen.

Text: Hansjörg Preims

Wolfgang Muth
Wolfgang Muth

Wir gehen davon aus, dass in Bereichen, wo sich das Homeoffice während der Pandemie bewährt hat, ein Teil der Arbeitsleistung weiterhin im Homeoffice erbracht werden wird, und dies hat selbstverständlich auch auf das Nutzungsverhalten der Räumlichkeiten eine erheblichen Einfluss und damit auch auf den Raumbedarf der einzelnen Unternehmen und die Reinigungsintervalle“, sagt Mag. Wolfgang Muth, Stv.-Geschäftsführer der Bundesinnung der Chemischen Gewerbe und der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger. „Es ist davon auszugehen, dass flexibel die Reinigungsleistung angepasst werden wird. Die Auswirkungen werden sehr individuell sei, je nach Tätigkeitsfeld des Unternehmens, in vielen Bereichen ist der persönliche Kontakt schwer ersetzbar, insbesondere wenn kurzfristig abgestimmte Entscheidungen getroffen werden müssen, sodass wir vorerst von eher geringen Auswirkungen ausgehen.“ Wesentlich stärker werde der Raumbedarf  von der wirtschaftlichen Entwicklung nach der Pandemie abhängen, so Muth.

Welche Auswirkungen könnte diese Entwicklung auf Vereinbarungen (bestehende und zukünftige) zwischen Dienstleistern und ihren Kunden haben? Und welche entsprechenden Auswirkungen auf den Preis? Muth: „Allein durch die technische Entwicklung  insbesondere im Bereich Kommunikation wird sich die Arbeitsweise rasch weiterentwickeln, sodass sich das Nutzungsverhalten von Arbeitsstätten mit oder ohne Corana erheblich verändern wird. Aus der Erfahrung mit Corona und der zu erwartenden Flexibilisierung der Arbeitswelt werden sowohl Auftraggeber als auch Dienstleister mit entsprechenden Regelungen in den Verträgen vorsorgen.“  Die Pandemie habe sicher zur Konsequenz, „dass in Verträge Bestimmungen aufgenommen werden, wie mit nicht vorhersehbaren Ereignissen umzugehen ist, es stellen sich Fragen wie: Wird der Vertrag an die neue Situation angepasst? Nach welchen Parametern oder in letzter Konsequenz unter welchen Bedingungen kann der Vertrag gelöst werden?“

Dies, so Muth, werde sowohl für Auftraggeber als auch Dienstnehmer zu mehr Rechtssicherheit führen und stelle für beide Seiten eine Win-Win-Situation dar. Zwingende Auswirkungen auf den Preis allein aus dem verstärkten Einsatz von Homeoffice sehe er nicht.

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