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Grünraum: Pflege und Schutz in einem

Was wie ein Slogan aus dem Reich der Waschmittel klingt, ist in Wahrheit ein vernünftiges, weil nachhaltiges Konzept. Denn von der ökologischen Grünraumpflege profitieren alle: Die Natur. Die Gemeinde. Die Bewohner.

Text: Gabi Weiss

86 Prozent der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher wünschen sich einen ökologisch gepflegten öffentlichen Grünraum“, sagt Joachim Brocks von der Organisation „Natur im Garten“.  Der Wunsch nach einem erhaltenswerten Lebensraum ist also groß, so die Studie, die das Institut Karmasin durchgeführt hat. Jene Gemeinden, die sich schon für den ökologischen Weg entschieden haben und die Pflege des öffentlichen Grünraumes aus einer sehr nachhaltigen, natürlichen Sicht angehen, können jedenfalls eines mit Sicherheit sein: stolz. Denn von der ökologischen Grünraumpflege haben alle etwas: Die Natur, die am besten weiß was sie zur Pflege braucht. Die Gemeinden, die durch ihre Vorbildfunktion andere Gemeinden dazu anregen, den Grünraum als wertvollen Lebensraum zu betrachten. Und natürlich die Menschen, die in der Gemeinde leben. Ökologische Grünraumpflege verändert nicht nur die Gestaltung von Gärten, Parks, Kreisverkehren und anderen Grünflächen entlang der Straßen und Gehwege. Nein, es geht, wie immer, auch um das liebe Geld. Ökologische Grünraumpflege kann einiges an Kosten einsparen. Denn ein wichtiges Kennzeichen einer naturnahen Grünfläche bedeutet langfristig gesehen einen geringeren Pflegeaufwand und einen reduzierten Dünge- und Pflanzenschutzmittelbedarf.
Das heißt jetzt nicht, dass ökologische Grünraumpflege keine Arbeit wäre und sich die Natur plötzlich wie von selber im Zaum hält. Sicher nicht. Aber wer das Denken umstellt, weiß dass Rasenschnitt, Mähen von Böschungen, das alljährliche Bepflanzen von Beeten und Rabatten, die Bewässerung sowie das Entfernen von Unkraut, so wie man es immer gemacht hat, eine Veränderung braucht. „Sicher ist es eine Umstellung und im ersten Jahr ein bisschen aufwendiger und man muss wissen, was man da tut“, sagt Brocks. Aber der Erfolg lässt sich sehen.

Der naturnahen Pflege auf den Grund gehen

Grünraume ökologisch pflegen, das klingt zunächst wie eine schwierige Herausforderung und Einschränkung bei der täglichen Arbeit. Der Verzicht auf chemisch-synthetische Substanzen, der dafür vorausgesetzt wird, scheint eine Illusion zu sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Eine ökologische Pflege ist meist eine entspannte Pflege, weil ja nur schonend in das bestehende Gleichgewicht eingegriffen wird. Jedoch sind Beobachtungsgabe und Wissen notwendig, um Grünräume naturnah zu pflegen.
Wo setzt man nun bei der ökologischen Grünraumpflege an? Und unter welchen Aspekten kommt es zur Kosteneinsparung? Schwerpunkte in der naturnahen Gestaltung öffentlichen Grüns sind ein naturverträglicher Pflanzenschutz, eine naturnahe Bodenpflege und eine umweltfreundliche Düngung sowie ein etwas anderes Unkrautmanagement. Der Verzicht auf chemisch-synthetische Dünger, auf Pestizide und auf Torf ist ein wichtiger erster Schritt.
Ein großes Pflegethema ist die Entfernung des Unkrauts. Brocks zeigt gleich drei Möglichkeiten auf, dem Unkraut Herr zu werden. Eigentlich vier, aber bei der letzteren geht es nicht um die Entfernung der ungewünschten Pflänzchen, sondern darum, dem Unkraut gar nicht so viele Möglichkeiten zur Entfaltung zu bieten. Aber der Reihe nach: Wer das Unkraut zwischen Steinen, Gehwegen und in Rabatte loswerden möchte, kann ihm händisch, mechanisch oder auch mit Flammgeräten beikommen. Wer trotzdem lieber zu ökologischen Mitteln greift, sollte vorsichtig sein und sich erkundigen, ob diese an dem gewünschten Standort überhaupt zum Einsatz kommen dürfen. Möglichkeit Nummer vier: Freie Flächen, etwa in Rosenbeeten, sollten mit Stauden bepflanzt werden. Aufkommende Unkräuter fallen dann kaum mehr auf und das aufwändige Jäten kann reduziert werden. Eine naturnahe Bewirtschaftung toleriert aber auch einen gewissen Unkrautbesatz, weil diese Pflanzen eine gesuchte Heimat für Tiere und somit auch für Nützlinge sind.

Richtiger Standort

Auch beim naturnahen Bewirtschaften öffentlichen Grüns ist die Auswahl geeigneter Pflanzen eine der wichtigsten Grundvorrausetzungen. Heimische Gewächse, die dazu noch den richtigen Standort erhalten, gedeihen nicht nur prächtig, sie schaffen auch optimale Lebensräume für kleine und große Lebewesen und verhindern so die Massenvermehrung von Schaderregern. Weniger Schädlinge heißt eben auch weniger Schädlingsbekämpfung. Und damit weniger Arbeit. Denken im Kreislauf der Natur macht die Sache jedenfalls um einiges leichter.
Ein einfacher Weg, Schädlinge oder Krankheiten einzudämmen, ist die Förderung natürlicher Gegenspieler: der Nützlinge. Jedes Tier und jeder Krankheitserreger hat natürliche Feinde, und wenn es gelingt, diese für uns nützlichen Feinde anzusiedeln und zu fördern, erübrigt sich oft jeder Pflanzenschutz. Dazu kommt, dass die Natur sich gerne in ihrer ganzen Fülle zeigt. Das ist auf Böden und Flächen viel eher möglich, wenn diese von Pestiziden und chemischen Mitteln verschont bleiben. Und sich so das Bodenleben ungestört entwickeln und seine Funktionen aufrechterhalten kann.

Glück mit Gras

Auch beim Mähen kann man sich einiges ersparen, wenn man die Arbeit der Natur überlässt. Eine einfache und kostengünstige Begrünung ist die oft sehr beliebte Wildblumenwiese, die auch nur ein- bis zweimal pro Jahr gemäht werden muss. Eine Wildblumenwiese kann als dauerhaft geplant werden, da sich die verschiedenen Kräuter selbst wieder aussäen. Und sie sind eine wertvolle Tankstelle für die  allseits bedrohten Bienen.
Ebenfalls von Bedeutung ist der Grünschnitt, der kompostiert und im Kreislauf geführt wir, denn er spart Mineraldünger und damit Energie. Oder noch besser: Man verwendet ihn zum Mulchen. Offen liegende, also unbepflanzte Flächen oder Teilbereiche in Beeten können so durch eine Mulchschicht vor Austrocknung und Verunkrautung geschützt werden. Nur bedeckte oder bepflanzte Böden werden auch bis an die Bodenoberfläche von Mikroorganismen besiedelt, und man erhält so eine gute Bodenstruktur.

Auf Experten setzen

Gut,  dass es Experten auf diesem Gebiet gibt, die ihr Wissen gerne weitergeben, wie jene von der Organisation „Natur im Garten“. Mit einem umfassenden Service- und Beratungspaket unterstützt „Natur im Garten“ Gemeinden bei der ökologischen Pflege ihrer Grünräume. Angefangen bei telefonischer Beratung, Diagnose von Schädlingen und Krankheiten an Pflanzen bis hin zur naturnahen und pflegeleichten Neu- und Umgestaltung von öffentlichen Grünräumen. Drei geförderte Beratungseinheiten mit geringem Selbstbehalt sind eine gute Unterstützung, die Umstellung zu meistern. „Natur im Garten“ steht aber auch beratend zur Seite, wenn es um die Ökologisierung der Pflege geht, um die Reduzierung des Pflegeaufwandes und um die Beratung gemäß dem neuen Pflanzenschutzgesetz. Aber auch in Sachen Aus- und Weiterbildung setzt der Verein die richtigen Zeichen. So veranstaltet die „Natur im Garten“-Akademie den Lehrgang zum/zur zertifizierten Grünraumpfleger/in. „Die Beschäftigung von qualifiziertem Fachpersonal, wie es etwa durch diese Ausbildung zertifiziert wird, ist bei Grünraumprojekten Voraussetzung für Subventionen des Landes Niederösterreich. Der Lehrgang gibt einen Überblick über alle wichtigen Bereiche, die bei der ökologischen Pflege berücksichtigt werden müssen“, erklärt Brocks. Der Lehrgang richtet sich speziell an Gemeindearbeiter ohne gärtnerische Ausbildung, die im öffentlichen Grünraum tätig sind. Von den ökologischen Grundlagen über die Themen Boden, Hecken, Rasen und Wiese, Sommerblumen und Stauden bis hin zum ökologischen Pflanzenschutz und baulichen Maßnahmen wird das Basiswissen für die ökologische Pflege von öffentlichen Grünräumen angeboten.

Vorreiter

Einer der Vorreiter unter den Gemeinden ist die Stadt Tulln. Sie wurde bereits 2009 als erste „Natur im Garten“-Stadt ausgezeichnet. Ihr Engagement pflanzt sich ständig fort. So taucht Tulln immer wieder mit naturnahen und ökologischen Vorzeigebeispielen auf, die dokumentiert und beschrieben und bei Grünraumberatungen von „Natur im Garten“ in Gemeinden eingesetzt werden. Denn aus Beispielen, die gut funktionieren, kann man sich viel abschauen.
Dass der Gemeinde mit ihrem ökologischen Anliegen ernst ist, sieht man auch daran, dass sie sich auch der Forschung verschrieben hat. Von 2008 bis 2010 testete die Stadtgemeinde in Kooperation mit einem österreichischen Unternehmen für biologischen Pflanzenschutz verschiedene Schädlingsbekämpfungsmittel an Rosen. Dafür wurde eigens ein Versuchsbeet an der Donaulände angelegt, das mit unterschiedlichen Mitteln behandelt wurde. Das Fazit: Auch auf biologischem Weg können Krankheiten wirkungsvoll bekämpft werden.

Grünes Gegengewicht

Wer ein nützliches Gegengewicht zur zunehmenden Verbauung schafft, dem gelingt es, für mehr Lebensqualität zu sorgen. Blühende Wiesen in Parks und Gärten, heimische Bäume und Hecken geben vielfachen Schutz, sind ein erfreulicher Anblick und Lebensraum für viele nützliche Tiere und Pflanzen. Wie gesagt: Durch ökologische Grünraumpflege gewinnen alle.

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