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„Gewisse Unschärfen und unterschiedliche Interpretationen“

Acht Jahre Praxis mit der ÖNORM D 2050, welche die Maximal-Reinigungsleistungen pro Raumkategorie definiert: Eine Zwischenbilanz von Gerhard Komarek im Namen der Bundesinnung und in Abstimmung mit den Landesinnungen.

Gerhard Komarek
Gerhard Komarek

Vorab einige Fakten, die zur Entwicklung der ÖNORM 2050 geführt haben:

Mit 1.2.1990 wurden in der LG 2,4, und 5 des KVs DFG Maximalleistungen eingeführt. Für alle Objekte bzw. Räume 195 m2/h, Sanitärräume 60 m2/h, Bau- und Grundreinigung 40 m2/h, basierend auf der damals üblichen Vollreinigung. In den 2000er Jahren war es aber schon so, dass durch verringerte Leistungsverzeichnisse und Teilreinigungen die Leistungswerte in vielen Objekten, auch bei öffentlichen Auftraggebern, dadurch überschritten werden konnten und wurden.

Ab 2010 hat sich der Bundesinnungsausschuss mit dem Thema beschäftigt und im Rahmen der KV-Verhandlungen mit der Gewerkschaft Vida konnte eine Regelung betreffend Großflächenmaschinenreinigung und Leistungswerte bei Grundreinigungsarbeiten zusätzlich im RKV verankert werden.

2013 gab es im Zuge eines Einspruchs eines Vergabeverfahrens eine richtungsweisende Entscheidung des Bundevergabeamtes dahingehend, dass die Leistungswerte, die im RKV verankert sind, auf Punkt und Beistrich einzuhalten sind. Die Rechtslage war eindeutig, alle Objekte und Räume waren mit einer Maximalleistung von 195 m2 zu berechnen, ohne Rücksicht auf die Gestaltung des LV; dies hätte zwangsläufig zu  einer Verteuerung bei privaten und öffentlichen Aufträgen von 40 – 50 Prozent geführt.

Die Konsequenz wäre gewesen, dass wieder viele Institutionen auf Eigenreinigung umgestellt hätten, mit der Folge massiver Umsatzeinbußen für die Branche und dem Verlust von vielen Arbeitsplätzen. Diese machte es notwendig, gemeinsam mit der Gewerkschaft eine Lösung auszuverhandeln, da eine Streichung der Werte aus den RKV nicht möglich war. Gemeinsam mit öffentlichen Auftraggebern wie BBG, Stadt Wien, Wiener Gesundheitsverbund, Wiener Linien, den Landesinnungen und unseren Mitgliedsbetrieben wurden Leistungswerte ermittelt. Dies erfolgte durch Rückmeldungen der Praxisleistungswerte aller Beteiligten und Ermittlung von Durchschnittswerten, weiters wurden Räume mit gleichen Werten in eine Position zusammengeführt. Um möglichst allen Praxisanforderungen gerecht werden zu können wurden die Kategorien Sicht, Teil- und Vollreinigung entwickelt.

Mit 1.11.2014 gab es nach eineinhalb Jahren ein Ergebnis, die ÖNORM D 2050, diese wurde durch Einbindung in den KV verbindlich (normativ). Aufgrund der Leistungswerte haben sich die früheren Preisdifferenzen von 50 – 70 Prozent auf wenige Prozente reduziert, mit entsprechenden Auswirkungen auf den Stundensatz.

Wir beobachten noch immer vereinzelt Versuche, durch weglassen von Rüst- Organisations- und -Wegzeiten die Grenzen der Norm auszuhebeln, um sich Kostenvorteile zu verschaffen. Beispiel:

Quadratmeter durch Leistungswerte = 6 Std. Nicht Berücksichtigung der notwendige OZ von z.B. 30 Minuten führt zu einer Überschreitung von 8 Prozent der Leistungswerte und bedeuten eine Übertretung nach dem LSD-BG.

Natürlich hat sich in den letzten acht Jahren in der Praxis gezeigt, dass es auch gewisse Definitionsunschärfen bei Rüst-, Weg- und Stehzeiten oder bei der Generalreinigung und unterschiedliche Interpretationen speziell bei der Berücksichtigung von Reinigungsautomaten auf Großflächen gibt, die in der Theorie höhere Quadratmeterleistungen ergeben, welche aber in der Praxis nicht nachvollzogen werden können. Beispiel: Einen Sanitärbereich mit einer Maschine zu reinigen, um höhere Leistungswerte zu erzielen, ist durch die notwendige manuelle Reinigung mittels Mopp unter WC, Becken und im Randbereich und der maschinellen Reinigung mittels Maschine zwar in der Reinigungsqualität effizienter, aber deutlich langsamer, als ausschließlich manuell zu reinigen.

Um die Unschärfen zu beseitigen, beauftragen wir Sachverständige mit der Durchführung von Feldtests in verschiedenen Bereichen, um Auftraggeber und Auftragnehmer über gesicherte Werte zu informieren. Ein Gutachten über den Zeitbedarf einer Generalreinigung verschiedener Bereiche, gemessen an den Leistungswerten der Vollreinigung, ist bereits fertiggestellt.

  • Die Lohnnebenkostenberechnung der Branche durch die KMU Forschung Austria ist aktualisiert.
  • Das Musterstundesatzkalkulationstool, mit den Kennzahlen für 2021 ist aktualisiert.
  • Ein Stundenermittlungstool gemäß ÖNORM D 2040 steht zur Verfügung.
  • Die genannten Tools sind alle auf der Homepage www.dfg.at kostenlos abrufbar.

In Ergänzung zu all diesen Maßnahmen wurde ein Handbuch Gebäudereinigung erarbeitet, um professionellen Gebäude­reinigern und Kunden das Fachwissen der Branche in konzentrierten Form zur Verfügung zu stellen.


„Dringender Handlungsbedarf!“

Bei unterschiedlichen Ausschreibungen und Vergabeverfahren werde versucht, sämtliche Maximalleistungen der ÖNORM D 2050 auszureizen oder sogar zu umgehen. Sagt Christoph Guserl, Geschäftsführer der Gebäudereinigungsakademie der Wiener Gebäudereiniger SchulungsGmbH und BetriebsGmbH.

Christoph Guserl
Christoph Guserl

Die ÖNORM D 2050 hat mit Inkrafttreten und Verankerung in den KV der DFG sowohl für Anbieter, aber insbesondere für Auftraggeber Vorteile gebracht. So wurden ausgeschriebene Reinigungsleistungen mess- und vergleichbarer. Aufgrund der Budgetsituation vieler Auftraggeber konnte somit zielgerecht auf den notwendigen Reinigungsbedarf eingegangen werden und Leistungen mit einheitlichen Raumkategorien individuell definiert werden. Nach kurzer Zeit hat sich gezeigt, dass die ÖNORM D2050 praktikabel ist, da Angebote nicht wie vorher teilweise 80 Prozent auseinander lagen, sondern die Preisspanne zumeist bei 5 bis maximal 10 Prozent eingeschränkt wurde.

Hier spiegelt sich aber in letzter Zeit ein immer größer werdendes Problem wieder, da einerseits das „Anbieterfeld“ näher zusammenrückt und bei unterschiedlichen Ausschreibungen und Vergabeverfahren versucht wird, sämtliche Maximalleistungen der ÖNORM auszureizen oder sogar zu umgehen. Zu billige, nicht wirtschaftliche Stundensätze, welche automatisch die Stunden „fiktiv“ erhöhen, verschärfen die Situation erheblich, da in vielen Fällen nicht einmal die Personaleinstandskosten gedeckt sind. Anzumerken ist, dass manche ausschreibende Stellen bereits Angebotsblätter so konzipieren, dass automatisch mit Maximalleistungen gerechnet wird. Das führt dazu, dass alle Anbieter automatisch mit diesen Werten kalkulieren, welche in der Realität niemals machbar sind.

Um die entscheidende Interpretation der ÖNORM hier nochmals hervorzuheben: Es handelt sich bei den Werten um maximale Flächenleistungen, die nur bei optimalsten Bedingungen (wenig verstellt, geringer Schmutzaufwand, etc.) Anwendung finden. Da in der Praxis so gut wie nie optimalste Bedingungen vorherrschen, kann mit dieser Kalkulation keine qualitativ gute Leistung erwartet werden. Hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist es bedenklich, dass Reinigungskräfte derart hohe Flächenleistungen erbringen müssen, da die Unfallgefahr wesentlich steigt.

Hier sollte die vergebende Stelle, aber auch die Anbieter durch eine ausreichende Objektbesichtigung die Objekte kennen bzw. analysieren, um vernünftige, ÖNORM-konforme Angebote für einen fairen Wettbewerb zu erhalten. Bei nicht plausiblen Angeboten – zu welchen für mich auch Kalkulationen mit der maximalen Flächenleistung gehören – ist zwingend eine Testreinigung anzustreben, damit sichtbar wird, welche Leistungen möglich sind.

Oberflächen- und Bodenreinigung sind separat zu sehen

Noch problematischer ist es, dass bei letzten Ausschreibungen versucht wird, mit einer maschinellen Reinigung, insbesondere bei nicht automatengeeigneten Flächen die Flächenleistungen zu erhöhen, um einen Wettbewerbsvorteil zu lukrieren. Die kalkulierten Flächenleistungen sind dadurch höher als die Normwerte für Voll-, und Teilreinigung und zum Teil sogar höher als die Sichtreinigung, was eigentlich nicht möglich, bzw. erlaubt ist. Hier haben ausschreibende Stellen einen dringenden Handlungsbedarf, da durch die nicht ausreichende inhaltliche Prüfung jedes Vergabeverfahren anfechtbar wird. Fakt ist, dass die Oberflächenreinigung und die Bodenreinigung je nach Leistungsbeschreibung separat zu sehen sind, insbesondere bei der Prüfung einer maschinellen Reinigung in nicht automatengeeigneten Raumkategorien. Nach bereits einigen durchgeführten Probereinigungen, ist derzeit eine Fallstudie in Ausarbeitung, welche zeigen wird, dass durch den Einsatz von Maschinen, zum Beispiel in Büro, Teeküchen, Sanitäranlagen keine höhere Flächenleistung möglich ist.

Die Gefahr für unsere Mitgliedsbetriebe ist bei derartigen Angeboten vermutlich noch höher, da durch das Aushebeln der ÖNORM D 2050 und die Überschreitung der maximalen Flächenleistung ein klassisches Lohn- und Sozialdumping entsteht und die Folgen einen hohen Preis haben können.

Die Landesinnung Wien, die Bundesinnung inkl. der Landesinnungen und die Ausbildungsinstitute arbeiten seit Jahren vehement daran, das Image unsere Branche zu verbessern. Leider führen derartige Ausschreibungen und die von Unternehmen abgegebenen Angebote dazu, dass durch die nicht machbaren Flächenleistungen die Qualität der Reinigungsdienstleistung auf der Strecke bleibt und unsere Helden des Alltags, sämtliche Reinigungskräfte, die für Sauberkeit und Hygiene in unserer Gesellschaft sorgen, nicht ordnungsgemäß entlohnt werden. Ich wiederhole mich hier sehr gerne: „Es besteht dringender Handlungsbedarf!“


Ein Hemmschuh für Innovation?

Hat die im Kollektivvertrag verankerte ÖNORM D 2050 „Quadratmeterleistungen“ ausschließlich Vorteile oder auch Nachteile gebracht? Ein schneller Rundruf.

Gerlinde Tröstl, GF Markas Österreich:

Gerlinde Troestl
Gerlinde Troestl

„Ich bin davon überzeugt, dass die Verankerung der ÖNORM D 2050 im Kollektivvertrag richtig und auch sehr wichtig ist, da sie nicht nur die MitarbeiterInnen vor Überarbeitung schützt, sondern auch Rahmenbedingungen schafft, dass wir als Reinigungsunternehmen qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbieten und auch durchführen können. Zudem schränkt sie abenteuerliche Leistungszahlenansätze in der Kalkulation ein. Ich sehe jedoch auch eine Schwäche: Es gibt nach wie vor zu großen Spielraum für unrealistische Kalkulationsansätze etwa in den Bereichen der maschinellen Reinigung oder den Organisationszeiten. Mit den Preisen, die auf diese Weise oft zustande kommen, kann aus meiner Sicht keine vernünftige Qualität sichergestellt werden. Mein Appell richtet sich daher auch an die ausschreibenden Stellen, der Qualität im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren eine stärkere Gewichtung zu geben, um absurde Preise zu unterbinden und Angebote vergleichbarer zu machen. Denn was letzten Endes übrig bleibt, sind ein unzufriedener Kunde, der die Qualität bemängelt, ein unglücklicher Dienstleister, der nichts verdient, und ein schlechtes Image der gesamten Reinigungsbranche.“

„Interpretation für Auftraggeber oft schwierig“

Mario Reichel, GF Blitz Blank:

Mario Reichel
Mario Reichel

„Die ÖNORM D 2050 ist eine wichtige Errungenschaft für unsere Branche und heute nicht mehr wegzudenken. An dieser Stelle möchte ich mich bei denjenigen ausschreibenden Stellen bedanken, die die Plausibiliätsprüfungen der Angebote sehr ernst nehmen. Nachteile sehe ich keine, jedoch existieren Grauzonen, womit die Interpretation der ÖNORM für Auftraggeber oft schwierig ist. Bei Unklarheiten hat sich unsere Innung aber stets als kompetente Auskunftsstelle erwiesen und wir hoffen, dass neu gewonnene Erkenntnisse auch bald den Weg in die Norm finden.“

„Die Praktikabilität ist teilweise in Frage zu stellen“

 Stefan Babsch, GF Strabag PFS:

Stefan Babsch
Stefan Babsch

„Die Eindämmung der ausufernden Flächenleistungen in der Gebäudeunterhaltsreinigung durch die ÖNORM D 2050 hat zu einer Beschränkung der Flächenleistungen und somit positiv zum Schutz der Mitarbeiter vor zu hohem Leistungsdruck beigetragen. Die Praktikabilität ist jedoch teilweise in Frage zu stellen. Beispielsweise ist die Bandbreite der Leistungsverzeichnisse im Segment der Teilreinigung sehr groß, die Flächenleistung ist hier aber unabhängig von den Inhalten des LV immer gleich limitiert. Auch für innovative Büroimmobilien, die bereits in der Entwicklung auf möglichst effizienten Betrieb ausgerichtet werden, ist die Limitierung der Flächenleistung nicht mehr zeitgemäß. Und letztendlich wird die ÖNORM zunehmend ein Hemmschuh für Innovation und Digitalisierung in der Gebäudereinigung.“


„Schwierig nachzukontrollieren“

Monika Rosensteiner
Monika Rosensteiner

Monika Rosensteiner, Gewerkschaft vida: „Die ÖNORM D 2050 hat nicht ausschließlich Vorteile gebracht, aber bei den Ausschreibungen sind die Auftraggeber daran gebunden, die ÖNORM D 2050 anzuwenden. Das ist schon ein großer Vorteil und ein Meilenstein für unsere Beschäftigten in der Reinigung. Denn hier wird klar definiert wie viele Quadratmeter wie zu reinigen sind, und auch definiert ist, wie die einzelnen Reinigungen erfolgen sollen. Zum Beispiel was eine Sichtreinigung oder eine Grundreinigung ist. Hier kann man sehr schön ablesen, was erlaubt ist und was nicht und vor allem den Unterschied in den Quadratmeter-Leistungen. Ein Vorteil ist auch, dass die Mitarbeiter selber nachlesen können, wie sie ihre Arbeit korrekt ausführen können. Es gibt aber, wie gesagt, nicht ausschließlich Vorteile bzw. leider auch Nachteile. So ist es schwierig nachzukontrollieren, ob in den Ausschreibungen der Auftraggeber auch die ÖNORM mit einbezogen wird und ob diese auch eingehalten wird. Leider gibt es immer noch Billigbieter anstelle von Bestbietern. Hier muss unbedingt angesetzt werden, dass diese Billigstbieter vom Bildschirm verschwinden. Vor allem wenn es keine öffentliche Ausschreibung ist. Bei größeren Ausschreibungen ist es sehr schwer, die Quadratmeter-Leistungen in einzelnen Objekten nachzuvollziehen.“

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