Charité

„Eine wirtschaftliche Notwendigkeit“

Das Beispiel der Charité Berlin zeigt den enormen Einsparungseffekt einer Auslagerung der nichtmedizinischen und nichtpflegerischen Dienstleistungen – vorteilhafterweise an die eigene Tochter.

Text Hansjörg Preims

Seit 2006 sind in der Berliner Charité CFM Facility Management GmbH sämtliche nichtmedizinischen und nichtpflegerischen Dienstleistungen für die „Charité – Universitätsmedizin“ unter einem Dach vereint. Das Unternehmen ist mehrheitlich (51 Prozent) eine Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums, 49 Prozent halten als Partner die Serviceunternehmen Vamed Deutschland, die Dussmann Gruppe und Hellmann Worldwide Logistics, die das operative Dienstleistungsgeschäft verantworten.
Was hat hier 2006 also stattgefunden – Outsourcing oder Insourcing? Man kann es so oder so sehen: Aus der Sicht des Universitätsklinikums wurde durch eine Verlagerung sämtlicher FM-Dienstleistungen in die eigene Tochtergesellschaft CFM ein komplettes Outsourcing der nichtmedizinischen und nichtpflegerischen Dienstleistungen vollzogen, das Geschäftsmodell der CFM wiederum basiert auf „Insourcing“, bei dem die vor ihrer Gründung extern vergebenen Aufträge wieder in Eigenleistung erbracht werden.

Toralf Giebe © Charité CFM Facility Management GmbH
Toralf Giebe, CFM-Geschäftsführung: „Es ist gelungen, Arbeitsabläufe zu straffen, Prozesse zu vereinfachen und Synergien zu nutzen.“

Wie man es auch nennen mag, von Mutterseite Out- oder von Tochterseite Insourcing – diese Konstruktion ist in Deutschland mittlerweile weit verbreitete Praxis in sehr vielen Krankenhäusern: ein PPP-Modell, speziell in Deutschland auch steuerlich attraktiv. „Denn bei einer so genannten umsatzsteuerlichen Organschaft ist die Leistung, welche die Mutter- von der Tochtergesellschaft einkauft, umsatzsteuerfrei“, erklärt Toralf Giebe von der Geschäftsführung der Charité CFM Facility Management GmbH. Wobei allerdings einige Kriterien zu berücksichtigen seien: „Das Wesentliche ist, dass die Muttergesellschaft Mehrheitseignerin der Tochtergesellschaft ist, von dieser also mindestens 51 Prozent hält, weswegen viele Krankenhäuser zum Beispiel auch 100-Prozent-Tochtergesellschaften haben.“ Und: Die Einflussnahme durch den Auftraggeber müsse eine sehr hohe sein, höher jedenfalls, als wenn man einfach ein Dienstleistungsunternehmen beauftrage, in welches man organisatorisch nur begrenzt eingreifen könne. „Wenn man diese Hürden aber einmal genommen hat, ist es ein wirtschaftlicher Vorteil, den man sehr gut nutzen kann“, sagt Giebe.

Das Know how der privaten Partner macht‘s möglich

Zum Beispiel: Bevor die CFM gegründet wurde, gab es in der Charité – von der Historie her ein Zusammenschluss von vier unabhängigen Universitätskliniken, die über mehrere Schritte fusionierten – zum Teil auch unterschiedliche Standards, was die Service-Qualitäten, aber auch die Wirtschaftlichkeit anging. Es gab zum Teil schon kleinere Tochtergesellschaften sowie vier externe Dienstleistungsfirmen, und mit der Gründung der großen Tochtergesellschaft fand als erstes eine Vereinheitlichung von Prozessen und Prozessabläufen statt. Auch die Reinigungsfrequenzen für bestimmte Flächenarten sind seitdem in der Charité komplett vereinheitlicht. „Vorher“, so Giebe, „gab es Unterschiede zwischen den Standorten, heute haben wir einen einheitlichen Standard für die gesamte Charité.“ Und das bei knapp neun Millionen Quadratmeter Grundfläche, die gereinigt werden müssen. Von der normalen Unterhaltsreinigung über Sonderreinigungen, wie Glas- und Baureinigung, sowie eigens ausgebildete Kletterer für die Fassadenreinigung, bis hin zur Reinigung von hochkomplexen medizinischen Bereichen wie OP-Raum, Intensivstation und Laborbereichen ist heute alles in der CFM abgebildet. Ebenso staatlich ausgebildete Desinfektoren für hochspezifische Hygienedesinfektionen.
„Die CFM zu gründen, war vor allem eine wirtschaftliche Notwendigkeit“, so Giebe weiter – „es galt, Dienstleistungen zu standardisieren und Prozesse zu optimieren. Und durch das Einbringen von Know how der privaten Partner ist das auch möglich geworden.“ Dadurch habe man in der Tat erhebliche Einsparungen realisieren können. Und: „Eine zweite Besonderheit des Modells der CFM ist, dass wir die unterschiedlichen Dienstleistungen, die zum Teil ja ineinandergreifen, zum Beispiel Bettenaufbereitung, Reinigung und Wäscheversorgung – dass wir das alles gebündelt, in einer Hand organisiert und mit den privaten Partnern optimiert haben.“ Das seien die wesentlichen Entscheidungskriterien gewesen und das habe auch sehr gut funktioniert. Es sei gelungen, Arbeitsabläufe zu straffen, Prozesse zu vereinfachen – und: Synergien zu nutzen, nach dem Unternehmensslogan Service aus einer Hand. „Was für uns zum Beispiel bedeutet, dass eine Stationsleitung, wenn sie Anforderungen an die Reinigung, die Bettenaufbereitung und die Organisation der Wäscheversorgung hat, sich nicht mit drei Partnern auseinandersetzen muss, sondern sich an eine zentrale Servicestelle wenden kann, die das für die Station regelt“, konkretisiert Giebe. „Der Servicemanager organisiert die unterschiedlichen Gewerke und sorgt dafür, dass das alles vereinheitlicht und synergetisch abgebildet wird und nicht der eine auf die Zuständigkeit des anderen verweist.“

Zentrale Produktionsstätte für die Verpflegung

Eine Vereinheitlichung ist auch anhand der Unterhaltsreinigung gut darstellbar. Toralf Giebe: „Vor der allerersten Ausschreibung haben wir festgestellt, dass der Reinigungszyklus an unseren unterschiedlichen Standorten, historisch gewachsen, unterschiedlich war. Es gab Bereiche, die hatten eine hohe Reinigungsfrequenz, andere, genau vergleichbare Bereiche, eine etwas niedrigere. Und das haben wir komplett vereinheitlicht.“ Wobei man sich unter wirtschaftlichem Druck – „zugegebenermaßen“ – auch nicht immer an der höchsten Reinigungsfrequenz orientiert habe, sondern an einem wirtschaftlichen Maß.
Hinsichtlich Straffen von Arbeitsabläufen betont Giebe auch, „dass wir durch diese Größe, die wir realisieren konnten, natürlich viel bessere Auslastungen erzielen können.“ Das sei insbesondere im Bereich der Verpflegung ganz wichtig: „Wenn man eine zentrale Produktionsstätte hat oder ein Verteilzentrum, dann ist es viel leichter, einfach mal zusätzlich hundert Essen mit durchzuschleusen, als wenn man für diese hundert Essen eine gesonderte Struktur aufbauen müsste.“ Da habe man mit Bündelungseffekten in großen zentralen Einrichtungen ganz einfach Mengenvorteile.
Die Verpflegung, für welche Dussmann verantwortlich ist, ist in der Charité nämlich folgendermaßen organisiert: An einem der Kernstandorte des Klinikums befindet sich die zentrale Produktionsstätte für alle Standorte der Charité, produziert wird nach dem Cook-and-Chill-Verfahren. Von dort wird das Essen an zwei Verteilzentren verteilt – eines im Süden von Berlin und eines im Norden –, wo dann die gesamte Speisen-Logistik erfolgt, sprich: Portionierung unter gekühlten Bedingungen für die jeweiligen Stationen, erwärmt wird das Essen in den mit entsprechender Technologie ausgestatteten Wagen, mit welchen die Stationen beliefert werden, und die Rückführung des Geschirrs erfolgt auch wieder in diese Verteilzentren. „So haben wir gleichsam diesen Geschirrkreislauf Verteilzentren – Stationen – Verteilzentren, aber keine Produktion an den jeweiligen Standorten, sondern nur noch an einer zentralen Stelle“, erklärt Giebe das System. Diese Verteilzentren wurden in den letzten Jahren komplett neu gebaut bzw. im Bestand saniert.

Weitere Einsparmöglichkeiten durch höheren Grad der Technisierung

Die Einsparungen, welche die Charité durch die CFM erzielt hat, waren naturgemäß in den ersten Jahren durch die Standardisierungseffekte am größten. Toralf Giebe: „Es gab 2005 eine Analyse einer großen Unternehmensberatung, welche Kosten die Charité für die Erbringung der FM-Leistungen vor Gründung der CFM hatte – durch die vielen externen Firmen und zum Teil durch eigene Leistungen. Und da wurde ein Wert ermittelt, der damals 148 Millionen Euro betrug. Dieses Paket hat man dann auf den Markt gegeben und Preise eingeholt, zu welchen man diese Leistungen, wenn man sich mit einem privaten Partner verbindet, über die eigene Tochtergesellschaft bekommen kann. Und in der Tat – das Ausschreibungsergebnis hat ergeben, dass man 25 Prozent einsparen konnte. In der Realität sogar noch mehr, weil über die Zeit auch noch verschiedene Mehrleistungen über neue Ausschreibungen Stück für Stück hinzugekommen sind.“
Und man sieht immer noch Einsparungspotenzial, zumal dort, wo Möglichkeiten bestehen, einen höheren Grad der Technisierung zu erreichen, beziehungsweise wo man durch den effektiveren Einsatz von IT-Technologie Abläufe noch verbessern und so genannte Warte- oder Abstimmungszeiten durch eine intelligente Auftragssteuerung weiter reduzieren kann, insbesondere im Bereich der Logistik. „Und ich sehe durchaus auch noch Wirtschaftlichkeitspotenziale bei Leistungen, die durch examiniertes Pflegepersonal erbracht werden, die aber genauso auch von geringer qualifiziertem Personal abgedeckt werden könnten“, sagt Giebe. „Zum Beispiel im Bereich der Patientenverpflegung, wo der Aufwand für die Aufnahme von Speisebestellungen der Patienten und letztlich auch das Servieren und Abräumen des Essens zeitlich einen erheblichen Anteil aus machen. Hier könnte man durchaus überlegen, welcher Teil – auch abhängig von der Krankheit des Patienten – möglicherweise von der hoch qualifizierten Pflegekraft auf gering qualifiziertes Personal übertragen werden kann.“ Damit müsse man sehr sensibel umgehen, aber das sei durchaus ein noch zu erschließendes Wirtschaftlichkeitspotenzial.
Grundsätzlich prüft die Charité als Auftraggeber in regelmäßigen Abständen, ob dieses PPP-Modell mit diesem Partner weiter bestehen kann – zuletzt im Jahr 2011, als man sich dann für die Fortführung dieses Modells entschieden hat. Um aber auch eine Rückkoppelung mit dem Wettbewerb und dem Markt zu haben, wurde ebenfalls entschieden, die FM-Leistungen neu auszuschreiben. Giebe: „2012 fand daher ein großes EU-weites Vergabeverfahren statt, in welchem sich der alte Partner dann auch als der neue durchgesetzt hat – ausgestattet mit Verträgen mit einer Laufzeit von sechs Jahren, also bis Ende 2018, mit einer Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre.“ Man stehe also gerade jetzt wieder vor einem Prüfprozess innerhalb der Charité, ob das Modell das richtige sei, ob man den Vertrag verlängern oder ob es eine Neuausschreibung geben solle. „Oder möglicherweise eine Änderung der bestehenden Konstellation“, ergänzt Giebe, „denn durch die Neubildung der Berliner Regierung gibt es ein hohes Bestreben, viele Aktivitäten des Landes, die man in private Hände gegeben habe, wieder in öffentliche Vorherrschaft zu überführen.“ Das müsse aber immer im Einzelfall überprüft werden und das finde gerade jetzt wieder statt.


Die Charité CFM Facility Management GmbH verantwortet seit 2006 alle nichtmedizinischen und nichtpflegerischen Dienstleistungen für ihre Auftraggeberin, die Charité – Universitätsmedizin Berlin im Eigentum des Landes Berlin. Mit einem Anteil von 51 Prozent an der CFM ist die Charité für die strategische Ausrichtung des Unternehmens verantwortlich. 49 Prozent halten als Partner die Serviceunternehmen VAMED Deutschland, die Dussmann Gruppe und Hellmann Worldwide Logistics, die das operative Dienstleistungsgeschäft verantworten:

  • VAMED Deutschland den Bereich Technik: Architektur- und Ingenieur-Leistungen, Betriebstechnik, Medizintechnik, Informations-, Kommunikations- und Sicherheitstechnik, Medien- und Archivdienste, Zentralsterilisation
  • Hellmann Worldwide Logistics den Bereich Logistik: Krankentransporte, Wareneingang und Lagerwirtschaft, Wirtschaftstransporte
  • Die Dussmann Gruppe den Bereich Infrastruktur: Außenanlagenpflege, Bettenaufbereitung, Patienten- und Mitarbeiterverpflegung, Reinigungs-, Stations- und Desinfektionsdienste, Sicherheits- und Empfangsdienste
  • Die Umsatzerlöse der CFM betrugen 2016  rund 163 Millionen Euro. Mit dem CFM-Modell wurden laut CFM-Jahresbericht 2016 „seit Gründung der CFM bisher Kosten von 432 Millionen Euro für die Charité eingespart.“

 

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