Michael Grüssinger, Geschäftsführer der Alfred Kärcher GmbH und – mit Hans Szivatz – der Bösch Reinigung GmbH, im Gespräch über die Zukunft mit Bösch Reinigung und des Reinigungsmarktes.
Reinigung aktuell: Herr Grüssinger, Sie haben in den vergangenen Interviews – vor und nach der Krise – gesagt, es werde eine Marktbereinigung geben. Haben Sie da schon an Aktionen wie Ihre Übernahme von Bösch Reinigung gedacht und darauf hingearbeitet oder war das dann eher Zufall?
Grüssinger: Im konkreten Fall Bösch war es beides – Zufall, dass es die Firma Bösch geworden ist, aber es war immer und ist nach wie vor ganz klar auch unsere Strategie zu versuchen, interessante Wettbewerber am Markt zu übernehmen, wenn das möglich ist. Dass wir Bösch übernehmen konnten, war ein Glücksfall, für beide Unternehmen, wie ich glaube. Aber es wäre nicht zustande gekommen, wenn wir uns nicht immer wieder umgeschaut hätten, ob es den Einen oder Anderen gibt, der übernommen werden möchte.
Wie kam es zu diesem Kauf? Waren Sie bei der ersten Bösch-Runde damals auch schon dabei?
Wir sind mit Bösch schon seit vielen Jahren in Kontakt, weil wir ein spezielles Produkt an die Firma Bösch geliefert haben, das diese im Sortiment hatte. Als Bösch sich dann, vor etwa vier Jahren, entschlossen hat, einen neuen Hauptlieferanten für Maschinentechnik zu suchen, sind wir das erste Mal in intensivere Gespräche getreten. Wir waren einer der Kandidaten, die sich Bösch damals als Lieferant angesehen haben. Ab diesem Zeitpunkt pflegten wir dann einen sehr guten, kollegialen Kommunikationsfluss und Gesprächsstil.
Was tun Sie jetzt damit?
Seit 1. November ist Bösch Reinigungssysteme Teil der Kärcher Group, und wir arbeiten momentan sehr intensiv daran, sprich: wir analysieren die gesamte Situation, um zu sehen, was dringend geändert werden muss, vor allem im organisatorischen Bereich. Wir schauen aber auch schon in die Zukunft. So habe ich mit den wichtigsten Lieferanten von Bösch Reinigung bereits Gespräche geführt, nicht nur um den Fortgang der Geschäfte sicherzustellen, sondern auch um eine noch engere und bessere Zusammenarbeit mit ihnen zu erreichen. Wir investieren bereits in die Mannschaft, die in den letzten Jahren von Bösch ja eher reduziert worden ist. Wir haben mit 75 Personen begonnen, jetzt sind wir bei 83, Ende des Jahres werden wir 90 Mitarbeiter bei Bösch Reinigungssysteme haben, so dass wir in Zukunft die Anforderungen der Kunden gewohnt gut und gewohnt schnell erfüllen können.
Wird Bösch Reinigung von Kärcher als Profitcenter geführt?
Nein, die Bösch Reinigung GmbH bleibt ein selbstständiges Unternehmen, wird also auch selbstständig abschließen, nicht als Profitcenter, nicht als Teil von Kärcher Österreich. Sie gehört zu 100% Kärcher Österreich als Tochterunternehmen, Kärcher Deutschland ist nicht beteiligt. Die Geschäftsführung liegt bei mir und Mag. Szivatz, das ist das Bindeglied zu Kärcher.
Was können oder werden Sie besser machen als Bösch?
Ich glaube, dass die Firma Bösch in der Vergangenheit sehr vieles sehr gut gemacht hat – hervorragende Mitarbeiter, gute Produkte, gute Dienstleistungen. Vielleicht hatte man im organisatorischen Bereich nicht immer die modernsten Mittel zur Verfügung und war auch im logistischen Bereich vielleicht nicht immer optimal aufgestellt. Hier versuchen wir, einerseits einen Wissenstransfer von Kärcher zu Bösch zu erreichen – etwa bezüglich Organisation, IT- und Logistikwissen, auf der anderen Seite aber auch, das Wissen der Bösch-Mitarbeiter für Kärcher zugänglich zu machen. Denn die Ebene, auf der diese arbeiten, ist im Vergleich zu einem reinen Maschinenverkäufer eine ganz andere.
Warum die Zweimarkenstrategie?
Wir haben von Bösch den Markennamen für unsere Firma Bösch Reinigungssysteme für drei Jahre erhalten. Wie es in drei Jahren aussehen wird, kann ich noch nicht sagen. Aber sicher ist für uns eines: Bösch agiert am Markt vollkommen anders als ein reines Maschinenunternehmen wie Kärcher, hat einen ganz anderen Zugang zu den Kunden und ein komplett anderes Produktportfolio – und das wollen wir auch alles so beibehalten. Insofern nehme ich aus heutiger Sicht eher an, dass Bösch Reinigungssysteme auch in Zukunft als selbstständiges Unternehmen am Markt weiter agieren wird.
Warum letztlich der Kauf? Wegen des Personals, wegen der Kunden, wegen der Chemie?
Wir haben Bösch Reinigung wegen unseres strategischen Ansatzes 20/20 gekauft. Das heißt, Kärcher möchte bis 2020 das kundenorientierteste Unternehmen unserer Branche weltweit sein. Wenn wir uns dieser Zielsetzung nähern wollen – und das tun wir laufend –, dann müssen wir auch sehen, dass wir uns im Maschinenbereich nur mit einem ganz kleinen Ausschnitt des gesamten Reinigungsmarktes beschäftigen. Wenn wir aber das kundenorientierteste Unternehmen sein wollen, ist das nicht genug, da müssen wir dem Kunden viel mehr bieten: Verbrauchsmaterialien, Chemie, Tücher, Papier, etc. Und weil Bösch das alles zu bieten hat, haben wir es gekauft. Wir wollen schauen, wie das funktioniert, und uns als Organisation Kärcher in Zukunft, auch international, mehr mit diesen Themenkreisen beschäftigen.
Mitbewerber von Kärcher haben diesen Deal sehr interessiert beobachtet, zum Teil auch sehr argwöhnisch oder skeptisch…
Es ist ja erfreulich, dass andere Marktteilnehmer so reges Interesse an unserem Innenleben haben. Nun – eine Übernahme in dieser Dimension ist natürlich eine große Herausforderung für jeden Einzelnen, bei uns im Unternehmen wie auch bei Bösch. Aber – und das ist das Entscheidende – wir sehen jetzt schon die ersten Synergien daraus erwachsen. Wir haben das ja in einer wirklich sehr kollegialen, fast partnerschaftlichen Art mit der Firma Bösch gemeinsam abgewickelt. Wir hatten auch Zeit genug, uns gemeinsam vorzubereiten, um am 1. November loslegen zu können. Das Entscheidende ist, dass immer mehr Kunden, die zu Anfang noch etwas skeptisch waren, jetzt sagen: „Ja, eigentlich schaut das gut aus, wir sind dabei.“ Und unsere Aufgabe in Zukunft ist es, dieses Vertrauen und diese Zuversicht der Kunden mit Leben zu erfüllen und ihnen zu zeigen, dass es wirklich funktioniert.
Bleiben die Bösch-Standorte gleich?
Die Standorte bleiben gleich, nur Adressen werden sich sukzessive verändern. Die Anforderungen, die die Bösch KG hatte, auch mit ihren Bereichen Heizung und Klimatechnik, sind andere, als wir sie in der Reinigungstechnik haben.
Was sind Ihre Prognosen für die Zukunft des Marktes?
Ich gehe weiterhin davon aus, dass der Markt – was die Anbieter betrifft – noch nicht konsolidiert genug ist. Ich denke, dass hier weitere Veränderungen erfolgen werden. Wir sehen das jetzt auch bei Nilfisk mit dem Neuaufbau einer Organisation, der ja nicht ohne Folgen für Partner und Marktteilnehmer bleiben wird. Das ist das Eine. Ich glaube aber auch, dass wir ein weiteres, solides Wachstum im Bereich der Reinigungsbranche haben werden, vor allem, was neben dem Gerätegeschäft auch die ganzen großen Bereiche wie Hygiene betrifft.
New Business oder Verdrängungsgeschäft?
Ich glaube, dass es New Business geben wird. Das hängt auch mit der demografischen Entwicklung zusammen, sprich: Es wird immer schwieriger werden, manuelle Tätigkeiten auszuführen, weil man die Leute einfach nicht hat. Also muss man Tätigkeiten automatisieren, Dinge vereinfachen, sei es durch bessere Anwendungsmethoden, bessere Verbrauchsmaterialien oder auch durch Maschinen. Da sind wir eigentlich schon mitten drin. In Wahrheit ist ja heute schon die Hauptaufgabe eines Gebäudereinigers das Personal-Management, und es wird in Zukunft noch wesentlich schwieriger werden, überhaupt Mitarbeiter zu bekommen. Deshalb sehe ich die Aussichten für die Branche durchaus positiv. Steigerungen wie etwa noch Anfang des neuen Jahrhunderts wird es wahrscheinlich in der Form nicht mehr geben, aber doch solides Wachstum.
Wer von Ihren Mitbewerbern, glauben Sie, wird in den nächsten fünf Jahren noch verschwinden? Vielleicht nicht von der Maschinenmarke, aber von der Logistik-Struktur, von der Organisationsstruktur her.
Ich denke schon, dass in fünf Jahren der Markt auch in diese Richtung ein wenig konsolidiert sein wird. Es sind doch noch sehr viele Anbieter am österreichischen Markt unterwegs, zum Teil eben eher kleinere. Und ich bin weiterhin davon überzeugt, dass sich vor allem die großen, namhaften Unternehmen auf Dauer durchsetzen werden.
Meinen Sie damit im weitesten Sinne auch die großen Händler in Österreich?
Ja, auch die großen Händler, die einfach ihr Geschäft verstehen und eine gewissen kritische Größe überschritten haben. Diese werden, glaube ich, auch in Zukunft ein gutes Geschäft machen können, egal mit welchen Geräten. Eher kleinere Unternehmen könnten eher Schwierigkeiten bekommen.
Wie wichtig wird die Marke in dem Szenario der nächsten fünf Jahre sein?
Aktuelle Studien belegen, dass gerade durch die so genannte Wirtschaftskrise der Wert der Marke – egal in welcher Branche – wieder rasant zugenommen hat. Ich kann das auch gut verstehen, denn eine Marke bringt natürlich immer, egal in welchem Bereich des Lebens, ein gewisses Maß an Sicherheit mit sich. In so unsicheren Zeiten umgibt man sich gerne mit Dingen, auf die man sich verlassen kann. Insofern würde ich sagen, dass Marken in Zukunft eher noch an Wichtigkeit zunehmen werden. Denn ich glaube auch, viele von uns haben noch nicht begriffen, dass das, was wir heute oft als Krise definieren oder was in den Medien als Krise dargestellt wird, einfach der Zustand der nächsten 10 Jahre sein wird. Wer heute ein Unternehmen, speziell ein Produktionsunternehmen, gründet, muss davon ausgehen, dass das Leben ein extrem volatiles ist. Die Modelle, gerade was die Arbeitszeit- und die Produktionsmodelle betrifft, die man gestern noch für gut befunden hat, werden morgen und übermorgen nicht mehr funktionieren. Das ist eine der großen Herausforderungen, vor der wir stehen. Viele verschließen sich dem noch, aber ich glaube, die Betriebe sind da in vielen Bereichen schon weiter als die öffentliche Wahrnehmung. Das merke ich immer wieder, wenn ich mit Kollegen spreche.
Um zum Abschluss noch einmal zu Bösch zurückzukommen: Wird Bösch Reinigung die Gebäudereiniger-Marke?
Wir wollen mit Bösch Reinigung vor allem in den Bereichen Gebäudereinigung, Hotellerie, Gastronomie und dem öffentlich-rechtlichen Bereich vertreten sein. Andere zentrale Bereiche wie Industrie, Automotive, Transport und Landwirtschaft werden die Domänen von Kärcher sein und bleiben. So werden wir auch unseren Marketing-Auftritt ausrichten.