umweltgefaehrlich

Reinigung – Umwelt – Nachhaltigkeit

Teil 1: Grundlagen

Die unmittelbaren Umweltauswirkungen der Inhaltsstoffe eines Reinigungsmittels lassen sich mit zwei Kenngrößen beschreiben: der Giftigkeit für Wasserorganismen und der biologischen Abbaubarkeit, welche u. a. die Basis der Bewertung von Umwelteigenschaften nach dem geltenden europäischen Chemikalienrecht bilden. Dieses schreibt für Wasch- und Reinigungsmittel ein hohes Niveau an Umweltverträglichkeit vor, angesichts dessen darüber hinaus gehende Umweltvorteile kritisch hinterfragt werden sollten. Von Dr. Bernd Sonnberger.

Dr. Bernd Sonnberger ist Dipl. Chemiker bei BUZIL-WERK Wagner GmbH & Co. KG, Memmingen (D)

Ökologie und Umweltverträglichkeit sind Begriffe, die seit über einem halben Jahrhundert untrennbar mit Wasch- und Reinigungsmitteln verbunden sind. Dies rührt aus der einfachen Erkenntnis her, dass Wasch- und Reinigungsprozesse in der Regel in wässerigen Systemen durchgeführt werden und damit unvermeidlich eine Belastung der Ressource „Wasser“ darstellen. Die Höhe und Dauer dieser Belastung wird im Wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: Die Giftigkeit für Wasserorganismen (Ökotoxizität) und die biologische Abbaubarkeit. Zu ihrer Bestimmung wurden genormte Testmethoden entwickelt, von denen die zum Verständnis der Zusammenhänge wichtigsten im Folgenden vorgestellt werden.

Die Ermittlung der Giftigkeit für Wasserorganismen erfolgt beispielhaft für die Nahrungskette in Süßgewässern an Fischen, Wasserflöhen und Algen. Maßgeblich ist hierbei die Konzentration der zu prüfenden Substanz im Wasser, bei der eine schwerwiegende Schadwirkung beobachtet wird: Bei Fischen und Wasserflöhen handelt es sich dabei um den Tod von 50% der Versuchstiere, und bei Algen um eine 50%ige Abnahme des Wachstums. Die entsprechenden Konzentrationen, ausgedrückt in mg Prüfsubstanz pro Liter Wasser, werden als LC50, EC50 bzw. IC50 bezeichnet1. Wenn ein Wert unterhalb 1 mg/l liegt, gilt die betreffende Substanz als „Sehr giftig“, bei 1-10 mg als „Giftig“ und bei 10-100 mg als „Schädlich“ für den betreffenden Organismus.

Zur Bestimmung der biologischen Abbaubarkeit wird die Mineralisation (Totalabbau zu Kohlendioxid und Wasser) der zu prüfenden Substanz durch aerobe (Sauerstoff atmende) Mikroorganismen2 über einen Zeitraum von in der Regel 28 Tagen verfolgt. Sofern der Mineralisationsgrad danach bestimmte prozentuale Werte erreicht hat, wird die Substanz als „biologisch abbaubar“ eingestuft. Unterschieden wird dabei zwischen den Tests auf „leichte“ Abbaubarkeit der OECD 301-Reihe und denen auf „grundsätzliche“ Abbaubarkeit der OECD 302-Reihe. Die wesentlichen methodischen Unterschiede liegen in der zum Einsatz kommenden Bakteriendichte: diese ist im Falle der 301-Reihe äußerst gering, so dass nur wirklich schnell und vollständig abbaubare Substanzen diese Tests bestehen.
LC50/ EC50/ IC50–Werte und die Ergebnisse von OECD 301-Tests sind die wichtigsten Basisgrößen für die rechtliche Bewertung der Umweltschädlichkeit einer Chemikalie. So wird eine Substanz als „umweltgefährlich“ eingestuft und muss mit dem entsprechenden Gefahrensymbol (Abb.) gekennzeichnet werden, sobald einer ihrer LC50/EC50/IC50-Werte unterhalb von 1 mg/l liegt. Das gleiche gilt bei einem Wert zwischen 1 und 10 mg/l und gleichzeitiger schlechter biologischer Abbaubarkeit infolge Nicht-Erfüllung der OECD 301-Kriterien.

Im neuen europäischen Chemikalienrecht REACH liegt der Schwerpunkt nicht auf einer Bewertung der Umweltgefährlichkeit, sondern der Umweltsicherheit. Eine wichtige Größe ist der sog NOEC-Wert („no effect concentration“), das ist die Konzentration, bei der keinerlei, auch nicht geringfügige, Schadwirkungen mehr beobachtet werden. Nur wenn die zu erwartende Konzentration einer Substanz in natürlichen Ökosystemen geringer als die NOEC ist, gilt die Substanz als sicher, d. h. gewissermaßen rechtlich als „umweltverträglich“. Die Berechnung dieser zu erwartenden Konzentration erfolgt anhand der Verbrauchsmengen, dem vorhersehbaren Eintrag in die Umwelt und dem Verhalten in Gewässern, Böden und Luft. Dabei wird nicht nur die biologische Abbaubarkeit (als nach wie vor wichtigste ökologische Eigenschaft), sondern auch die Elimination durch physikalisch-chemische Prozesse wie Ausfällung und Zersetzung unter dem Einfluss von Wärme und Licht berücksichtigt.

Für Wasch- und Reinigungsmittel gilt zusätzlich zum allgemeinen Chemikalienrecht seit einigen Jahren die Detergentienverordnung, welche u. a. speziell für Tenside besonders strenge Anforderungen an die Umweltverträglichkeit stellt. Tenside sind auf Grund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften in der Lage, wasserunlösliche Öl- und Fettverschmutzungen zu emulgieren und dadurch ihre Abreinigung mittels Wasser zu ermöglichen. Diese sog. oberflächenaktiven Eigenschaften bedingen jedoch gleichzeitig eine starke Giftigkeit für Wasserorganismen, deren Atmungsorgane ebenfalls aus fettartigen Substanzen aufgebaut sind und daher durch die Einwirkung von Tensiden zerstört werden. Als somit die wichtigsten Inhaltsstoffe mit gleichzeitig den größten Umweltauswirkungen müssen Tenside nach der Detergentienverordnung zwingend die Kriterien der OECD 301-Reihe für „leichte“ biologische Abbaubarkeit erfüllen.

Angesichts der gesetzlich geregelten hohen Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmitteln in Europa stellt sich die Frage, ob und wo hier noch weitere ökologische Verbesserungen möglich sind. Diese sollten in jedem Fall kritisch hinterfragt werden, da scheinbare Umweltvorteile mit Nachteilen an anderer Stelle verbunden sein können und dann in der Summe eine Verschlechterung der ökologischen Eigenschaften resultiert. So wird beispielsweise immer noch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe als Beitrag zu Ressourcenschonung und Klimaschutz ausgelobt, obwohl dieser Beitrag verschwindend gering ist und zudem nur auf Kosten von zur Nahrungsmittelproduktion benötigten Anbauflächen erreicht werden kann3.
Als objektive Entscheidungshilfe bietet sich hier das Europäische Umweltzeichen an, welches auf freiwilliger Basis, aber nach auf EU-Komissionsebene rechtsverbindlich festgelegten, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Kriterien vergeben wird.

Dem Europäischen Umweltzeichen ist Teil 2 dieser Beitragsserie gewidmet – in der September-Ausgabe REINIGUNG AKTUELL.

1    „LC“ steht für „Lethale (= tödliche) Konzentration“, „EC“ für „Effektive Konzentration“ und „IC“ für „Inhibitorische (= Hemm-) Konzentration“. Die Bezeichnung „effektive“ statt „lethale“ Konzentration bei Wasserflöhen rührt daher, dass hier im Gegensatz zu Fischen wegen der Kleinheit der Tiere nicht der Tod einzelner Individuen, sondern statt dessen die mittels einer Lichtschranke gemessene Abnahme der Bewegungsaktivitäten eines Schwarmes festgestellt wird.

2    Der biologische Abbau durch anaerobe (in sauerstofffreier Umgebung lebende) Mikroorganismen spielt dagegen in der Natur nur eine untergeordnete Rolle und wird bei der Bewertung der Umwelteigenschaften einer Chemikalie in der Regel nicht  berücksichtigt.

3    Die Weltproduktion von als Rohstoffbasis für Wasch- und Reinigungsmittel in Frage kommender pflanzlicher Öle und Fette beträgt ca. 4% der Welterdölförderung, von denen mit 3,5% der Großteil der menschlichen Ernährung dient und z. Z. nur etwa 0,5% zu Rohstoffen für die chemische Industrie verarbeitet werden.

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