Wir haben viel vor

Gespräch mit Ursula Woditschka und Monika Rosensteiner, Gewerkschaft vida, Fachbereich Gebäudemanagement, im Hinblick auf die bevorstehenden KV-Verhandlungen.

Text Hansjörg Preims

Reinigung aktuell: Derzeit liegt die Inflation 2018 bei durchschnittlich 1,91 Prozent, das Wirtschaftswachstum wird 2018 auf 2,7 Prozent geschätzt. Stimmen diese Eckdaten für die KV-Partner oder geht die Gewerkschaft von anderen Zahlen aus – wenn ja, von welchen?

Ursula Woditschka
Ursula Woditschka, Gewerkschaft VIDA

Woditschka: Prinzipiell orientieren wir uns an der Statistik Austria. Über 12 Monate von Oktober 2017 bis September 2018 gerechnet, gehen wir von einem Inflationsschnitt von 2 Prozent aus. Meistens schon im Oktober, auf jeden Fall aber im November und Dezember steigt die Inflation etwas an, weil da die Spritpreise steigen. Wir wissen aber auch, dass andere Werte ausschlaggebend sind, nämlich das, was die Leute wirklich zahlen müssen – für Wohnen und Lebensmittel. Das ist bei weitem höher, da gehen wir schon in Richtung 4 Prozent, und das trifft die Leute auf jeden Fall. Keine teilzeitbeschäftigte Reinigungsfrau wird sich darüber freuen, wenn die Flugreisen billiger werden oder der Fernseher, solange ihr altes Gerät noch läuft. Auch diese Diskussion werden wir wieder führen, denn der so genannte Warenkorb hat gerade für Niedrigverdiener nicht mehr die große Bedeutung.

Und beim Wirtschaftswachstum gehen Sie von welchen Zahlen aus?
Woditschka: Das Wirtschaftswachstum ziehen wir bei den KV-Verhandlung nicht wirklich heran, denn das ist eher eine Produktionsformel, sprich: für den Wirtschaftsbereich, wo man wirklich aufgrund von Verkäufen rechnen kann. Im Dienstleistungsbereich ist das nicht wirklich ein Wert, den man hernehmen kann. Wirklich relevant ist die Inflationsrate, und die ist im Grunde deutlich über 3 Prozent.

Gemäß Benya-Formel sollen Lohnerhöhungen die Abgeltung der Inflation plus den Wert des mittelfristigen Produktivitätszuwachses umfassen. Orientiert man sich noch an dieser Formel?
Woditschka: Natürlich verwenden nach wie vor viele diese Formel, in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung hat sie aber nicht wirklich einen Wert. Es sind die Aufträge, die vorhanden sind. Wir sehen auch anhand unserer Mitglieder, ob die Leute gut ausgelastet sind, ob sie eher mit mehr Stunden beschäftigt werden etc. Dann sehen wir, dass die wirtschaftliche Lage in den Reinigungsbetrieben offensichtlich gut ist. Und dann können wir davon ausgehen, dass solche Werte, die allgemein gültig sind, wahrscheinlich auch für uns zutreffen. Aber das sind im Endeffekt Annahmen und keine wirklichen Berechnungen.

Wie errechnet die Gewerkschaft ihre Ziele für die KV-Verhandlungen?
Woditschka: Nachdem wir mit den Lohnabschlüssen im Vorjahr gerade einmal die 1.500-Euro-Stelle erreicht haben, ist für uns auf jeden Fall ein deutlicher Lohnsprung in Richtung 1.700 Euro relevant. Da haben wir also viel vor – mit einer normalen Lohnerhöhung um 2 Prozent werden wir das nie erreichen. Wir hätten die 1.500-Euro-Marke ja schon 2013 erreichen sollen, viele haben die 1.700 schon erreicht, wir hinken hier ohnehin weit hinterher.
Man muss jetzt schauen, wie sich die wirtschaftliche Lage, die Inflationsrate etc. entwickelt, und je nachdem, haben wir wirklich Nachholbedarf. Das merken mittlerweile alle Branchen, die gerade mal bei der 1.500-Marke angelangt sind, und im Dienstleistungsbereich sind wir mit vielen Kollektivverträgen davon betroffen. Man sieht auch, dass diese Branchen massive Schwierigkeiten haben, Personal zu bekommen, und das hat durchaus auch mit der Bezahlung zu tun. Denn gerade im Dienstleistungssektor herrscht vorwiegend Teilzeit, und von dem kann natürlich keiner leben. Also allen Formeln zum Trotz ist das Ziel schlicht und einfach, entsprechend dem zu verdienen, was man heute zum Leben braucht. Wer für eine 35-Quadratmeter-Wohnung 600 Euro Kaltmiete zahlt, wird nicht Reiniger sein können.

Aber wollen das nicht viele, Teilzeit?

Rosensteiner
Monika Rosensteiner

Rosensteiner: Das stimmt so nicht.  Es gibt natürlich die, die das brauchen, weil sie familiäre Verpflichtungen haben, die haben aber meistens einen Mann zu Hause oder einen Mann, der mitverdient. Aber das ist ein minimaler Prozentsatz. Warum müssen sie Teilzeit arbeiten? Weil sie vom Auftraggeber oder vom Dienstgeber nicht mehr als 20 oder 25 Arbeitsstunden oder auch nur 15 Stunden bekommen. Das ist das Problem. Und wer mehr bekommt, fährt unter Umständen von einem Objekt zum anderen, wobei die Zeit dazwischen die Freizeit sein soll.

Man hat das Gefühl, dass es dieses Jahr bei den KV-Verhandlungen etwas härter zugehen könnte als in den vergangenen Jahren. Und da stellt sich die Frage, inwieweit die allgemeine politische Lage hineinspielt. Geht es da nur um die Sache, oder geht es der Gewerkschaft grundsätzlich auch um eine Opposition?
Woditschka: Mit der Kollektivvertragsverhandlung 2012 haben wir viele Verbesserungen für die Reinigungsbranche erreicht, sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer. Seit 5 Jahren aber stagniert der Rahmenkollektivvertrag bzw. alle Rahmenbedingungen. Die Löhne sind zwar weiter – relativ gut – angestiegen, aber wir haben mindestens 10 Punkte, die wir seit 5 Jahren besprechen und wo nichts weitergeht. Und jetzt, nachdem das Arbeitszeitgesetz mit 1. September 2018 geändert wurde, kommen für uns natürlich manche Fragen noch hinzu. Zum Beispiel VorarbeiterInnen betreffend: Fallen diese künftig noch in das Arbeitszeitgesetz, ja oder nein? Wer kann uns das beantworten? Wir werden es über den Kollektivvertrag beantworten müssen. Auch die Frage, was in der Reinigung ein „erhöhter Arbeitsbedarf“ ist. Nur wenn zwei Mitarbeiter krank geworden sind, haben andere dann erhöhten Arbeitsbedarf? Was bedeutet das de facto? Auch solche Dinge wollen wir im Kollektivvertrag definieren. Denn dazu sind Branchenverhandlungen auch da, dass man wirklich auf die Branche schaut bzw. schaut, wie wir es regeln können, dass die Arbeitnehmer nicht zusätzlich belastet werden – aber natürlich auch, dass die Auftraggeber ihre Aufträge erfüllen können. Das muss einigermaßen ausgewogen sein, sprich: nicht nur zu Lasten einer Seite. Insofern werden das heuer sicher keine Verhandlungen, die in ein oder zwei Runden erledigt sind. Die Wirtschaftskammer hat uns heuer relativ zeitig, schon Anfang August, kontaktiert, dass sie gerne auch einen Verhandlungstermin bezüglich Sonderzahlungen hätten. Wir haben dann den 5. November für die Lohnverhandlungen und den 14. November für die Sonderzahlungen festgelegt. Wir gehen aber davon aus, dass es schon im Oktober Verhandlungstermine geben muss, um all die Punkte, die wir beschrieben haben, besprechen zu können.

Rosensteiner: Nur zwei Termine sind natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn unser Sozialpartner glaubt, dass über unsere Forderungen nicht mehr gesprochen wird, werden wir uns etwas einfallen lassen müssen.

Was passiert, wenn es keine Einigung gibt?
Woditschka: Dann würde der bestehende Kollektivvertrag weiterlaufen. Ob es dann auch andere Konsequenzen geben würde, müsste man sehen. Wenn es nicht dem entspricht, was unser intern besprochenes Minimum an Forderungen ist, dann werden wir nicht ja sagen.

Apropos Arbeitszeitgesetz: Der 12-Stunden-Tag kann in der Reinigungsbranche doch nicht wirklich ein Thema sein, oder?
Woditschka: Das kann sehr wohl ein Thema sein, vor allem in der Sonderreinigung und vor allem in den Sommermonaten, wo man als Arbeitgeber im Normalfall nur schaut, möglichst viele Aufträge zu bekommen und die Mitarbeiter heute schon – und das wissen alle, die am Verhandlungstisch sitzen – im Akkord arbeiten, obwohl keine Akkord-Löhne vorgesehen sind. Die Mitarbeiter beuten sich hier selber aus, damit sie ordentlich leben können, und laut Gesetz können jetzt bis zu 12 Stunden ausgemacht werden.

Rosensteiner: Auch das Thema 25 Prozent Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitbeschäftigte muss angesprochen werden. Ich sehe nicht ein, dass Teilzeitkräfte dazu herangezogen werden, mehr Stunden zu leisten, ohne dass man ihnen die 25 Prozent Zuschlag bezahlen will. Wenn man das den Mitarbeitern nicht bezahlen will, soll man ihnen 25 oder 30 oder 40 Stunden geben, dann brauchen die Unternehmen den Mehrarbeitszuschlag teilweise gar nicht zahlen.

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