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Mein Essen mit Erich

Zur Erinnerung: Die Inspiration für das Setting dieses Interviews war der Film von Louis Malle „Mein Essen mit André“ (1981), das von uns gewählte Lokal aber nicht ein französisches in New York, sondern wie alle Jahre zuvor, das Plachutta in Wien. Mein Gast 2023: Erich Steinreiber, CEO von ISS Österreich.

Interview: Christian Wolfsberg
Christian Wolfsberg: Sie wurden am Sportplatz rekrutiert?

Erich Steinreiber: „Ja, von Gerhard Marischka. Sein Vater war auf Kur in Bad Schönau, und als großer Fußballfan besuchte er den lokalen Sportplatz, wo wir gerade spielten. Ich komme aus der Nachbargemeinde Krumbach. Ich hatte gerade die Matura bestanden und begonnen, Sport und Mathematik auf der Pädak zu studieren, musste aber aufgrund einer Verletzung unterbrechen und habe nach der Gesundung das Bundesheer absolviert. Danach war das Studium für mich nicht mehr interessant, da alle meine Freunde schon gearbeitet haben, ein Auto hatten, und ich wollte meiner Familie nicht noch Jahre auf der Tasche liegen. Gerhard Marischka hat mich also rekrutiert, und so kam ich ab April 1983 zu meinem Arbeitsplatz in der UNO City!“

Also ununterbrochene 40 Jahre ISS? Nie woanders beworben, nie ein Motivationsschreiben verfasst?

Steinreiber: „Nein. Ich habe mich bei ISS immer sehr wohl gefühlt. 2000 wurde ich Regionalleiter, 2005 COO und schließlich 2012 CEO in Österreich.“

Unser Ranking zeigt über die letzten 20 Jahre eine starke Expansionsphase mit zwei Einbrüchen: die Finanzkrise ab 2008 und die Pandemie ab 2020.

Steinreiber: „Unser Wachstum der letzten 20 Jahre war sowohl organisch – wir konnten zahlreiche neue große Kunden gewinnen – als auch anorganisch durch Firmenzukäufe, die uns die Möglichkeit gaben, außerhalb unseres Kerngeschäftes, der Reinigung, unseren Kunden andere Dienstleistungen anzubieten. Dieses erweiterte Serviceportfolio hat uns sowohl in der Finanzkrise in 2008 als auch gerade in den Pandemiejahren ermöglicht, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr flexibel einzusetzen und die Umsatzeinbußen in einem verträglichen Ausmaß zu halten.“

Wie kam es zu Ihrer Bestellung zum CEO?

Steinreiber: „Nach einer interimistischen Konzern-Lösung in den Jahren 2010 und 2011 wurde mir im Dezember 2011 die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, als Geschäftsführer von Österreich das Unternehmen weiterzuentwickeln. Grund dafür waren meine langjährige Erfahrung am heimischen Markt und mein starker Fokus auf die erfolgreiche Entwicklung von Key Account Kunden.“

Reinigungsunternehmen sind mehr Logistiker als Reiniger. Stimmt das?

Steinreiber: „Keine Frage, dass Logistik wichtig ist, aber in erster Linie sind es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Dienstleistung erbringen und die Wertschöpfung generieren. Sie, ihr Können, ihre Erfahrung und ihre Motivation sind die Basis unseres Erfolgs. Früher hat man gesagt, zum Reinigen muss man nicht viel können. Das stimmt heute nicht mehr. Betrachtet man zum Beispiel das Gesundheitswesen, dann geht die eigentliche Tätigkeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weit über die ausschließliche Reinigung etwa in Form von Hilfsdiensten hinaus. Zudem müssen sie ein fundiertes Wissen über Hygiene oder Arbeiten in sterilen Räumen ebenso wie Sozialkompetenz mitbringen. In der Unterhaltsreinigung ist das nicht so wesentlich, hier braucht es aber oft technisches oder digitales Wissen oder Erfahrung im Umgang mit Materialien.

Seit der Pandemie findet die Reinigung erfreulicherweise eine deutlich höhere Anerkennung. Neue Modelle wie die Tagreinigung sind seitdem gefragt, wodurch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Leistungen sichtbarer werden. Das ist ihre Chance, das positive Image weiter zu fördern. Die Ansprüche zahlreicher Kunden und die damit verbundenen verstärkten Qualifizierungsmaßnahmen haben ebenfalls wesentlich zur Verbesserung des Bildes der gesamten Branche beigetragen.“

Aber der Arbeitsmarkt hat sich verändert.

Steinreiber: „Ja. Wir müssen wie erwähnt andere Arbeitszeitmodelle entwickeln, um für potentielle Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu sein, vor allem für jene, die in den Randzeiten Betreuungsaufgaben haben. Zudem brauchen wir eine höhere finanzielle Attraktivität, die über den KV hinaus geht, um im Wettbewerb bestehen zu können.“

Was hat sich in den 40 Jahren verändert?

Steinreiber: „Gleich geblieben ist der Kampf um Kunden; der hat sich nicht verändert, vielleicht ist er sogar noch intensiver geworden. Es gab immer einen Verdrängungswettbewerb und der Preis war lange Zeit das wichtigste Kriterium. Die Entscheidungskriterien der Öffentlichen Hand (Bundesbeschaffung) etwa haben hier vor mehr als zehn Jahren ein positives Umdenken in der Branche bewirkt, Stichwort: „realistische Kalkulation, das Einhalten von Kundenversprechen und die Lieferung bester Qualität.“ Dieses Bewusstsein hat sich leider in der Entscheidungsfindung nicht weiterentwickelt, und heutzutage ist der Preis wieder oft zum alleinigen Entscheidungskriterium geworden. Wichtige Themen wie Innovation, Nachhaltigkeit und der Wert der Mitarbeiterin und des Mitarbeiters sind wieder mehr in den Hintergrund gerückt. Die zahlreichen positiven Pandemie-Maßnahmen der Branche sollten jedenfalls nicht nur ein kurzes Aufleben im Sinne der Wichtigkeit unserer Dienstleistungen sein, sondern vielmehr dauerhaft bleiben und auf entsprechende Zustimmung und Förderung stoßen.“

Haben sich die Qualitätsanforderungen verbessert?

Steinreiber: „In der Unterhaltsreinigung hat sich wenig verändert, in der Industrie oder im Gesundheitswesen schon – vor allem bei den privaten Gesellschaften. Hier haben die Ansprüche deutlich zugenommen und Kompetenz und Ausbildung werden viel höher bewertet.“

Hat sich die Ausbildung verändert?

Steinreiber: „Auf jeden Fall. Wir sind eine Branche mit vielen Beschäftigten mit Migrationshintergrund. Vor 40 Jahren wollten die Menschen nur einen Arbeitsplatz und in Österreich sesshaft werden. Die zweite Generation will aber mehr. Diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten wir zum Beispiel einen individuellen Karrierepfad, der genau zeigt, welche Ausbildung gemacht werden muss, um Führungskraft zu werden bzw. weiterzukommen. Das ist für uns als Unternehmen sehr wichtig, denn wir sehen bei den ausgebildeten Vollzeit-Arbeitskräften kaum Fluktuation, die sonst bei etwa 35 % liegt. Wir wollen nicht nur Marktführer, sondern wir wollen die Besten sein und ebensolche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben!“

FM und die Reinigung sind in Österreich im Wesentlichen zwei Branchen. In anderen Ländern nicht. Wieso?

Steinreiber: „Österreich ist anders und sehr konservativ. Die internationalen Unternehmen gehen in Richtung Multidienstleistung, aber in Österreich gibt es vorwiegend Teilausschreibungen. Die zentrale Frage ist aber: Welche Dienstleistungen besorge ich selbst und welche können Partner erledigen? Grundsätzlich wären solche erweiterten integrierten Pakete für die Öffentliche Hand durchaus interessant; sie sind bei Bedarf und Wunsch vorhanden, aber noch keine Modelle des integrierten Vergabewesens. Bei privaten Unternehmen wiederum geht die Tendenz zu europaweiten oder globalen Vergaben. Da sind wir als internationaler Player gut aufgestellt und können vom Wissen aus der ISS-Gruppe profitieren.“

Wie sieht die Zukunft aus?

Steinreiber: „Der Arbeitsmarkt wird sich auf absehbare Zeit nicht verändern, sondern verschärfen, daher wird künftig noch mehr ausgelagert werden. Wachstumspotenzial ist reichlich da, aber diese Verknappung am Arbeitsmarkt trifft auch uns. Daher setzen wir auf Qualifizierung bzw. Weiterbildung. Zudem wird sich unser Service-Portfolio verändern. Wir werden in Zukunft nur mehr qualitativ höherwertige Dienstleistungen anbieten, weil hier die Wertschöpfung besser ist und wir daher den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch eine entsprechende Entlohnung und Karriere bieten können. Vielleicht machen wir dann die Sonderreinigung beispielsweise nur mehr für Bestandskunden.“

Helfen Roboter?

Steinreiber: „Bedingt. Sie können sicher unterstützen, sind aber nicht die durchschlagende Lösung. Der Mensch wird immer die wichtigste Ressource in unserem Geschäft bleiben.“

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