Berger

„Das Hemmendste sind geteilte Dienste“

Ihre Wünsche an die Reinigungsfirmen: Aufklärend wirken bei den Auftraggebern, was die Einsatzmöglichkeiten des Personals anbelangt, wenig geteilte Dienste, weniger Teilzeitbeschäftigungen und Bereitschaft zur Ausbildung der Mitarbeiter. Frau Hofrat Gisela Berger, Leiterin der AMS Geschäftsstelle Prandaugasse in Wien 22., im Gespräch.

Frau Berger, wie ist aus der Sicht des Arbeitsmarktservice derzeit die Angebot-Nachfrage-Situation für Reinigungskräfte in Wien?
Wir merken, dass der Einschaltgrad etwas im Sinken begriffen ist. Aber wir haben einen sehr guten Kontakt zu den Reinigungsfirmen, die von unserer Geschäftsstelle betreut werden, sodass sie, auch wenn sie vor Ort Direktbewerbungen haben, in der Regel doch uns auch informieren, wenn sie Mitarbeiter suchen. Es hängt auch sehr stark von der Art und Weise, wie Unternehmenskunden betreut werden, ab, wie gut der Einschaltgrad ist.

Was meinen Sie mit Einschaltgrad?
Wir vergleichen uns natürlich über die Anmeldungen vom Hauptverband, das heißt, anhand dieser Anmeldungen bzw. der Zahl, wie viele neue Mitarbeiter von Firmen aufgenommen werden, berechnen wir prozentuell, wie hoch der Einschaltgrad ist – also wie viele Stellen wir aus der Branche im Vergleich bekommen. Und wir haben den zweithöchsten Einschaltgrad in Wien. Den höchsten hat natürlich Personalverleih – weil sich diese Firmen sehr schlecht selbst Mitarbeiter suchen können und daher umso stärker auf die Mithilfe vom AMS angewiesen sind.

Gibt es genug vorgemerkte Arbeitskräfte für diese Anfragen?
Wir haben sehr viele Vorgemerkte. Wobei meine Mitarbeiter auf den Bereich von ganz Wien, nötigenfalls sogar österreichweit zugreifen. Wir haben über die EDV Zugang zu allen Daten unserer vorgemerkten bzw. Arbeit suchenden Kunden. Und wir können das mit bestimmten Schlüsselwörtern und Berufskennziffern – aber auch nach anderen Selektionsmöglichkeiten wie etwa Wohnort und Arbeitsort – quasi auf Knopfdruck abrufen. Wenn ich also weiß, dass der Arbeitsort im 10. Bezirk und der Arbeitsbeginn um 6 Uhr ist, wird eher nicht ein Kollege im 22. oder 19. Bezirk nach einer Vorgemerkten suchen, sondern einer im Umkreis dieses Arbeitsortes.

Sind die Stellenangebote der Firmen hauptsächlich Teilzeitangebote?
Ja. Keine Vollzeitbeschäftigungen. Die Firmen wollen sich neue Mitarbeiter zuerst einmal über Teilzeitangebote „anschauen“ und bieten erst dann eventuell eine Aufstockung mit einer weiteren Einsatzmöglichkeit, in einer anderen Firma in der Regel. Das ist natürlich ein Handicap, denn der Großteil der Vorgemerkten sucht keine Teilzeit-, sondern eine Vollzeitstelle. Auch keinen geteilten Dienst, in der Früh und am Abend. Frauen mit Kinderbetreuungspflichten können in der Regel nicht um 6 Uhr in der Früh an einem Arbeitsort sein. Daher würden wir uns spätere Beginnzeiten wünschen, soweit es organisierbar ist. Wir hätten natürlich auch gerne mehr Arbeitsstunden, schon von Anfang an als Angebot. Denn eine gute Reinigungskraft wechselt, wenn sie ein anderes Angebot mit mehr Stunden bekommt, schnell die Firma. Hemmend sind auf alle Fälle geteilte Dienste.

Warum ist das von den Firmen her so unbefriedigend?
Ich glaube, dass es auch für die Reinigungsfirmen schwierig ist, weil auch sie wiederum Auftragnehmer von Kunden sind und diese Kunden natürlich spezielle Vorstellungen haben, wann ihre Objekte gereinigt werden. Es ist sicher ein schwieriger Spagat für die Firmen, hier einen Mittelweg zu finden, weil sie ihre Kunden auch beraten müssten bzw. versuchen müssten, andere Arbeitszeit-Angebote zu bekommen. Ich weiß von Einsatzstätten, wo erst um 16 oder 17 Uhr Arbeitsbeginn ist und 30 Leute für zwei, maximal drei Stunden eingesetzt werden müssen. Wenn dort aber 10–20 Leute schon um 15 Uhr beginnen und bis 19 Uhr arbeiten könnten, wäre das schon ein ganz ein anderer Arbeitszeiteinsatz und auch eine andere Verdienstmöglichkeit.

Also vermehrt Tagreinigung? Sie sind, soviel ich weiß, diesbezüglich ja mit gutem Beispiel vorangegangen und haben den Reinigungskräften Ihrer Geschäftsstelle den Arbeitsbeginn innerhalb einer gewissen Zeitspanne zur freien Wahl gestellt. Wie läuft das bei Ihnen ab?
Unsere Reinigungskraft ist von 7 bis 13 Uhr im Haus. Und sie reinigt nur den Eingangsbereich und das Foyer außerhalb des Kundenverkehrs – in der Früh bis 8 Uhr. Alles andere, was täglich gemacht werden muss, wie Papier- und Mistkübel ausleeren und einmal über den Fußboden moppen, macht sie während des Kundenverkehrs. Auch die Gänge und die WC-Anlagen werden zu einer Zeit, wo die Kunden schon im Haus sind, gereinigt. Wir haben einen Plan im Haus, nach dem gewisse Bereiche eben täglich, bestimmte Schwerpunkte alle zwei Tage und manches nur einmal in der Woche zu reinigen ist. Zum Beispiel Schwerpunkt „Fensterbretter reinigen und freie Flächen wischen“ am Montag im 5., am Dienstag im 4. und am Mittwoch im 3.Stock. Das weiß auch jede Abteilung und man kann sich entsprechend danach richten, sprich: die Fensterbretter entsprechend abräumen, den Schreibtisch freimachen etc.

Setzen Sie sich auch dafür ein, dass diese Form der vermehrten Tagreinigung auch in anderen Häusern Schule macht?
Ja. Zumindest versuche ich, über Personen, die die Interessen von Frauen vertreten – insbesondere im Öffentlichen Dienst –, Impulse zu geben und mit Frauen zu netzwerken, um den Boden für bessere Angebote für die Frauen etwas aufzubereiten und auch in anderen Bereichen diesbezüglich eine Veränderung zu bewirken. Anstatt von 17 bis 19 Uhr 30 Leute zum Reinigen in ein Ministerium zu holen, wäre es oft genauso möglich, schon um 15 Uhr zu beginnen, mit nur 10 oder 15 Leuten, die dann wenigsten 4–5 Stunden im Haus wären.

Ein großes Problem in der Reinigungsbranche ist die hohe Personalfluktuation. Warum ist das so und wie könnte dem entgegengewirkt werden?
Erstens ist Reinigung schwieriger und anspruchsvoller, als man landläufig glaubt. Und auch durchaus körperlich anstrengend, wenn man es gut machen will. Auch die Arbeit mit großen Maschinen ist für Frauen oft schwierig – obwohl man bei Kursen, die wir gemacht haben, sehen konnte, dass Frauen an der Maschine natürlich genauso gut sind wie Männer, wenn sie sich einmal überwunden haben und sich trauen. Aber wenn sie etwas finden, was körperlich weniger anstrengend ist oder wo bessere Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen geboten werden, vor allem keine geteilten Dienste, dann wechseln die MitarbeiterInnen sicher. Unsere Überlegungen zielen daher in Richtung Bereitschaft der Firmen, ihre Mitarbeiter höher zu qualifizieren. Denn qualifizierte, geschulte Mitarbeiter bleiben sicher länger. Wenn die Firmen darin investieren, ist das sicher ein guter Ansatz.

Wird das vom AMS gefördert?
Ja, das ist ein Ansatz, den wir fördern. Unsere finanziellen Mittel stehen ja nicht nur den Arbeitssuchenden zur Verfügung, sondern auch den Firmen. Es gibt eine cofinanzierte Möglichkeit der Qualifizierung von Beschäftigten, wo wir uns an den Ausbildungskosten beteiligen, wenn die Ausbildungen ein Ausmaß von zumindest 16 Stunden erreichen. Und es dürfen nicht nur Produkt-Schulungen sein, sondern es muss eine allgemein in dieser Branche übliche Qualifizierung sein. Wir haben auch schon überlegt, einen eigenen Lehrabschlusskurs für Reinigungskräfte anzubieten, Stichwort Förderung von Facharbeiterausbildungen. Das gehen wir aber vorsichtig an, denn man muss zuerst schauen, ob dieses Personal auch wirklich gebraucht wird. Wir wollen ja nicht nur Leute ausbilden und in der freien Wirtschaft werden sie dann nicht beschäftigt, weil mehr Unterhaltsreiniger als Gelernte gebraucht werden. Die Gelernten werden in der Regel ja nicht als Unterhaltsreiniger beschäftigt, sondern als Objektleiter oder Gebietsbetreuer.

Spürt das AMS die Öffnung der Grenzen für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern, die nun ohne Beschäftigungsbewilligung bei uns arbeiten können?
In Wien ist es definitiv in allen Bereichen spürbar. Wir haben mehr Beschäftige als bisher in Wien, aber auch mehr Arbeitslose als bisher. Es ging zwar nicht so ruckartig, wie man am Anfang gedacht hat, aber über den ganzen Zeitraum bis jetzt hat sich doch gezeigt, dass da eine Dynamik entstanden ist. Und ich glaube, das ist auch noch nicht abgeschlossen.

Welche Wünsche haben Sie abschließend an die Reinigungsbranche hinsichtlich möglichst guter Vermittelbarkeit von Mitarbeitern durch das AMS?
Ich würde mir wünschen, dass die Reinigungsfirmen bei ihren Auftraggebern auch aufklärend wirkten, was die Einsatzmöglichkeiten ihres Personals anbelangt, dass es wenig geteilte Dienste gibt und dass sie weniger Teilzeitbeschäftigungen anbieten. Zumindest Teilzeit nicht unter 20 Stunden, sondern wenn möglich um die 30 Stunden. Und auch dass der Arbeitszeitbeginn – für die vielen Frauen, die in der Reinigung arbeiten –  so ist, dass es mit den Betreuungspflichten gut vereinbar ist. Die bei uns Vorgemerkten wollen von ihrer Arbeit natürlich auch gut leben können, und das ist bei 10-Stunden-Jobs nicht gewährleistet. Wenn wir da einen Weg finden könnten, wäre ich sehr froh. Das ist die Vermittlungsseite. Und wichtig ist vor allem auch die Ausbildung. Denn ausgebildete MitarbeiterInnen sind sicher zufriedener. Wenn MitarbeiterInnen, weil sie nicht professionell reinigen können, wesentlich mehr Zeit beanspruchen, als sie eigentlich bezahlt bekommen, sind sie natürlich frustriert. Wir hatten lange Zeit Qualifizierungskurse in einem Schulungszentrum in Wien, und das war äußerst erfolgreich für diese Frauen – sie haben sehr profitiert davon, weil sie das alles vorher nicht gelernt hatten.


Frau Hofrat Gisela Berger ist die Leiterin der AMS Geschäftsstelle Prandaugasse in Wien 22. In dieser Geschäftsstelle ist auch das zuständige Service für Unternehmen, das für die Betreuung aller Wiener Reinigungsunternehmen verantwortlich ist.


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