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Teure EU-Biozid­­produkte-Verordnung

Christian Gründling
Christian Gründling

Die Biozidprodukte-Verordnung der EU bringt sukzessive eine Genehmigung von Wirkstoffen für Desinfektions- und Konservierungsmittel – was eine kostenintensive Zulassung der betroffenen Produkte nach sich zieht. Es ist im Prinzip ein zweistufiges Verfahren: Zuerst wird zentral auf EU-Ebene der Wirkstoff genehmigt, dann müssen die Produkte zugelassen werden. Was auf unterschiedliche Weise erfolgen kann: als EU-weite Zulassung, die relativ teuer ist, oder es gibt nationale Zulassungen und dann gegenseitige Anerkennungen unter den EU-Mitgliedsländern. Jedenfalls aber müssen alle Produkte zugelassen werden. Und das gab es in Österreich in der Vergangenheit nicht. Hier gilt derzeit ein Desinfektionsmittel in der Regel – sofern es noch nicht dem Status der Genehmigung unterliegt – als normale Chemikalie, die Wirksamkeit wird üblicherweise nach Kriterien von Instituten wie der ÖGHMP oder der deutschen Institute DGHM oder Robert-Koch-Institut überprüft. Es gibt hier also schon eine Kontrolle, aber nicht durch eine zusätzliche behördliche Überprüfung, wie es in Zukunft sein soll.
Hinzu kommt noch, dass in Zukunft die Wirkstoffzulassung sehr produktartspezifisch sein wird – nach fünf verschiedenen Produktarten bei Desinfektionsmitteln, sprich: es kann sein, dass bestimmte Produkte jeweils nur für die Händedesinfektion, für die Instrumentendesinfektion oder für die Oberflächendesinfektion zugelassen werden, auch die Wirkstoffe betreffend. Hier ist auf Verwenderseite dann ganz genau darauf zu achten, wofür ein Produkt verwendet werden kann.
Die Konsequenzen für die Herstellerindustrie: Die Kosten für die Genehmigung eines Wirkstoffes geht in die Millionen Euro. Wobei die Hersteller eines Wirkstoffes diesen auch gemeinsam zulassen können und sollen, um unötige Tierversuche zu vermeiden. Allerdings darf der Wirkstoff nur mehr von Herstellern bezogen werden, die sich aktiv an der Wirkstoffzulassung beteiligen. Diese sind auf der ECHA Webseite gelistet. Es  kommt jetzt schon zu einer merklichen Reduktion der Auswahl von Rohstofflieferanten.
Bei der Produktzulassung rechnet man mit Kosten im Bereich von „100.000 Euro plus“ pro Desinfektionsmittel. Die genauen Kosten sind auch abhängig davon, wie sehr die Rohstofflieferanten schon die aktuell angewandte Rezeptur bei der Überprüfung der Rohstoffe mit berücksichtigt haben. Jedenfalls ist ein erheblicher Kostenfaktor für die Zulassung der Produkte damit verbunden. Zumal die Zulassung üblicherweise mit 10 Jahren befristet ist und daher die gesamten Kosten innerhalb dieser 10 Jahre auch zusätzlich verdient werden müssen.

„Ohne erkennbaren Mehrwert für den professionellen­ Verwender“

„Schon jetzt ziehen sich kleinere Hersteller-Unternehmen aus diesem Bereich entweder ganz zurück oder – auch größere Hersteller – reduzieren die Produktportfolios entsprechend, denn die Zulassung vieler unterschiedlicher Produkte wie in der Vergangenheit wird sich kostenmäßig nicht mehr ausgehen“, sagt  Christian Gründling, Arbeitsgruppe I&I im Fachverband der chemischen Industrie Österreichs.
Genehmigungs- bzw. Zulassungsbeispiele: Die ersten Wirkstoffe, z.B. Isopropanol, wurden Mitte 2016 bereits genehmigt, hier laufen gerade die Anträge für die Zulassung. Jüngst ist auch die Genehmigung von n-Propanol auf EU-Ebene zumindest beschlossen worden. Die Genehmigung selbst wird in zwei Jahren kommen. Peressigsäure für den Wäschedesinfektionsbereich ist in Teilbereichen zugelassen – wobei es ja kaum die reine Peressigsäure gibt, diese wird meistens in situ hergestellt durch andere Vorläuferstoffe, die auch als biozoide Wirkstoffe zugelassen werden müssen.
Gründlings Fazit: „Durch das EU-Biozidprodukterecht ist für die Zulassung der Desinfektionsmittel ein langer, ressourcenintensiver, teurer Weg vorgegeben, ohne wirklich konkret einen erkennbaren Mehrwert für den professionellen Verwender.“

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