Hans Georg Hagleitner übergibt an seine zwei Töchter, Katharina und Stefanie.
Text: Christian Wolfsberg
Von den drei Möglichkeiten, die jeder Eigentümer eines Unternehmens angesichts fortschreitenden Alters hat, erstens es an eigene Nachkommen weiterzugeben, zweitens sich auf die Funktion des Eigentümers zurückzuziehen und einen angestellten Geschäftsführer zu bestellen und drittens das Unternehmen zu verkaufen – von diesen drei Möglichkeiten wählt Hans Georg Hagleitner wie sein Vater (oder zumindest recht ähnlich) Version eins. Und wie Papa haben auch Katharina und Stefanie zuerst ihre eigenen Runden gedreht. Denn Papa hatte ja ebenfalls nicht direkt den Betrieb seines Vaters Johann übernommen, sondern führte zunächst selbst die Firma DIUTIL in Neudörfl (bei Wiener Neustadt), bis er 1988 die Nachfolge antrat.
Gefragt, warum er gerade jetzt die Zügel an seine beiden Töchter übergibt, meint Hans Georg Hagleitner ganz nonchalant: „Der Zeitpunkt scheint einfach richtig zu sein.“ Einen Riecher scheint er auch schon immer gehabt zu haben; von den vielen Produktinnovationen über die Bedeutung von Design bis hin zu – ja: dem für ihn richtigen Zeitpunkt, zurückzutreten. Vermutlich dürfte die Überschreitung des 65-igers auch eine Rolle gespielt haben.
Zurück zu den „eigenen Runden“, die auch die beiden Töchter gedreht haben. Freilich sind ihnen diese „Runden“ – und es sind sehr generöse Runden gewesen – auch seitens der Eltern ermöglicht worden, denn beide waren mehrere Jahre im Ausland. Katharina hat Wirtschaftsrecht zuerst in Wien studiert, dann berufsbegleitend (bei Webasto) in München – und hierauf einen MBA in Amerika absolviert. Die um zwei Jahre jüngere Stefanie hat exportorientiertes Management studiert, war in Frankreich und Spanien und ist anschließend für ein Masterstudium nach London gezogen, das sie in San Francisco abgeschlossen hat: internationales Marketing. Katharina: „Dazwischen habe ich immer gearbeitet: Autozulieferindustrie, Rechtsanwalt, Steuerberater – was mir untergekommen ist.“ Stefanie: „Ich habe in Amerika gearbeitet, dann ist es retour nach Deutschland gegangen, dann nach Wien, dann wieder nach Deutschland. Ich bin 14-mal umgezogen. Ich habe in einer Brauerei gearbeitet, bei Krombacher, aber auch in der Hygienebranche, bei Kimberly-Clark.“


Was die beiden Damen eint, ist ganz offensichtlich der Wunsch, Neues, Anderes für sich zu entdecken, aber gleichzeitig die unternehmerische Herkunft nicht zu vergessen. Katharina nennt das „den Ruf, nach Hause zu kommen“, der auch immer da war. Stefanie meint: „Es war mir ganz wichtig, andere Erfahrungen zu machen und auch viele andere Betriebe zu sehen.“ – Ist der Druck der Eltern zu massiv, kann dies freilich oft zum kompletten Ausstieg aus dem elterlichen Betrieb führen.
Beim Vater war das noch ganz anders und mit keinen Freiheiten garniert: „Mir wurde nahegelegt, ich soll brav lernen und dann in der Firma beginnen!“ Das Resultat war klar: Der Sohn macht das Gegenteil davon. Hans Georg Hagleitner: „Ich war nie der beste Schüler, ich habe lieber Schach gespielt, viel Sport getrieben und selbstverständlich auch nicht im väterlichen Betrieb begonnen, sondern mich selbständig gemacht.“ Den Fehler des Vaters hat er nicht wiederholt, sondern die eigenen Kinder in ihren Möglichkeiten unterstützt, wissend, dass das Unternehmen jederzeit auch mit einer Fremdleitung funktionieren würde. – Ein wenig wie in der Parabel des verlorenen Sohnes: Die Töchter sind aus freien Stücken zurückgekehrt.
Der Ruf der Damen in die Geschäftsführung erfolgte somit auch nicht aus heiterem Himmel. Katharina und Stefanie waren schon seit drei, vier Jahren ins Thema Nachfolge involviert und konnten sich auf die Rollen entsprechend einstellen. „Es war auch für uns gar nicht möglich, das ganze jahrelange Wissen des Vaters einfach auf einen Sitz abzusaugen“, sagt Katharina. „Darum haben wir längst Menschen mit viel Fachwissen an unserer Seite.“ Katharina ist für Sales in zwölf Ländern, Akademie, Personal, IT, Finanz und Controlling zuständig; Stefanie für F & E, Produktmanagement, Lieferkette, Produktion, Qualitätssicherung, Marketing und Global Business.

Vielleicht erstaunt es, aber der Vater ist gewillt, Ratgeber und nicht Hineinregierer zu sein. Hans Georg Hagleitner: „Es fällt mir nicht schwer, mich herauszunehmen. Die Meetings und Gespräche im Haus sind schon seit einiger Zeit auf die Damen mit ausgerichtet. Ich freue mich über die Akzeptanz der Belegschaft und ich bin stolz, dass ich dieses Unternehmen nun der nächsten Generation in die Hände legen kann. Es erfüllt mich mit Freude, dass ich das erleben darf!“ Das Familienband ist eng. Gewohnt wird in Zell am See in unmittelbarer Nachbarschaft. „Wir fahren zu Mittag gemeinsam nach Hause, essen zusammen, machen teils miteinander Familienurlaub. Wir verstehen uns also auch privat sehr gut“, so Stefanie.
Die Frage nach den wichtigsten Meilensteinen in der Firmengeschichte scheint für Hans Georg Hagleitner dann doch überraschend zu kommen: „Aktuell ist das Thema sehr stark die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit, zum Beispiel das Gebinde-Recycling.“ Prompt zählt er dann aber konkrete Ereignisse der Historie auf: „2005 wurde schon einmal die Produktion erneuert, 2015 der eigene Spritzguss eingeführt, 2022 ein zweites Werk vor Ort eröffnet … aber das ist ja nur die Zentrale hier in Zell … wir sind heute mit 27 Standorten in zwölf Ländern vertreten.“
Die Fußstapfen, in die Katharina und Stefanie treten, sind sehr groß, aber beide Damen sind jung und energiegeladen – und sie sind zu zweit.
