professionalisierung

Luft nach oben

Viele Wege führen zu mehr Professionalität der Dienstleistung Reinigung.

Kostendruck kann auch Positives bewirken. Zum Beispiel dass man darüber nachdenkt, wie sich gewohnte Tätigkeiten und Abläufe effizienter, sprich: mit weniger Aufwand zumindest in der gleichen Qualität erledigen und gestalten lassen. Es sei denn, Qualität ist einem egal. Doch von dieser „Lösung“ einmal abgesehen, kann Kostendruck also auch als Chance gesehen werden, Professionalisierung voranzutreiben. Auch wenn der Kostendruck beim Kunden besteht. Florian Eisenmagen, Chief Financial Officer der ISS Austria Holding: „Ich sehe insofern noch Professionalisierungsbedarf, als viele unserer Kunden in Folge der Finanzkrise unter Kostendruck sind und in Nichtkerngeschäftsbereichen Einsparungspotenziale realisieren müssen. Outsourcing-Firmen wie ISS oder andere Facility Services Unternehmen könnten sicher einen Beitrag dazu leisten. Vor allem in den Jahren 2009 und 2010 sind wir von sehr vielen bestehenden Kunden, wo Bedarf nach Kostenreduktion bestand, auf Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, teilweise auch Erweiterungen der Dienstleistung, angesprochen worden, um eben Kostendruck abzugeben und sich auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können.“

Florian Eisenmagen
Florian Eisenmagen, Chief Financial Officer der ISS Austria Holding: „Es geht auch um die Effizienz der Leistung, sehr stark auch um qualitative Aspekte wie Health safety environment (HSE), die mehr in den Vordergrund treten als in der Vergangenheit.“

Eisenmagen sieht jedenfalls „durchaus Bedarf, die Professionalisierung der Dienstleistung Reinigung weiter voranzutreiben, zumal besonders von der Öffentlichen Hand immer mehr der Schwerpunk auf Nachhaltigkeit gelegt wird, auf Umweltaspekte, auf die Auswirkungen der Produkte, die wir verwenden, und die Art und Weise, wie die Dienstleistung durchgeführt wird.“ Wobei es auch um die Belastung der Mitarbeiter gehe, darum, welche Arbeitsmethoden angewendet und welche Reinigungsmittel verwendet würden. „Hier werden die Auflagen seitens der Auftraggeber immer höher“, so Eisenmagen, „zum Beispiel in den Ausschreibungen der BBG, wo auf Zertifizierungs- und Umweltauflagen immer mehr Wert gelegt wird.“ Und das sei auch sehr stark im Sinne einer weiteren notwendigen Professionalisierung der Dienstleitung Reinigung zu sehen. „Es geht aber auch um die Effizienz der Leistung, sehr stark auch um qualitative Aspekte wie Health safety environment (HSE), die mehr in den Vordergrund treten als in der Vergangenheit. Besonders das Thema Nachhaltigkeit, auch nachhaltiger Ressourcen-Einsatz und welche Auswirkungen das auf den Auftraggeber hat, sind ganz wesentlich.“

Große professioneller organisiert als Kleine

Wie viel Professionalisierungsluft nach oben möglich ist, hängt aber auch von der Größe des Unternehmens ab. Größere Betriebe sind in der Regel professioneller organisiert als die 1- oder 10-Mann-Betriebe. Warum und inwiefern professioneller? „Wenn wir ISS hernehmen – wir haben einfach einen verstärkten Fokus auf Innovationen, auf Entwicklung und Konzepte der Dienstleistung, auf ,cleaning excellence’, wie wir es nennen“, erklärt Eisenmagen. „Es geht nicht nur um die reine Durchführung vor Ort, sondern auch um die konzeptionelle Ausführung, darum, welche Mittel wir einsetzen, wie wir unsere Mitarbeiter schulen und ausstatten, mit welcher Arbeitskleidung und welchem Equipment; wir arbeiten hier mit professionellen Partnern zusammen, die auch mit großen internationalen Lieferanten in Verbindung stehen. Das ist einem kleinen lokalen Betrieb in der Form vielleicht nicht zugänglich.“ Es werde oft gesagt, dass in einem größeren Unternehmen die Flexibilität nicht so groß sei. Doch das sehe er, Eisenmagen, auch anders: „Wir können auf mehr Ressourcen zurückgreifen, sei es im Bereich der Innovationen und der Anwendungstechnik wie auch im konkreten Einzelfall beim Kunden. Wir können Krankenstände ausgleichen und Ausfallszeiten leichter ersetzen als ein kleiner Betrieb, der nicht auf einen Ressourcenstand zurückgreifen kann.“

Dieser Zusammenhang mit der Betriebsgröße würde die durchaus gängige Annahme bestätigen, dass es in Europa, was die Professionalität der Dienstleistung Reinigung betrifft, ein Nord-Süd-Gefälle gibt. Denn im Süden Europas gibt es viel mehr Reinigungsunternehmen und dementsprechend auch mehr kleine und Kleinstbetriebe als im Norden. „In Frankreich, Italien und Spanien gibt es jeweils über 20.000 Reinigungsfirmen, in Deutschland, der größten europäischen Volkswirtschaft, nur 17.000, und England hat mit 14.500 ein Drittel weniger Reinigungsfirmen als die Südstaaten“, sagt Andreas Lill, Direktor des Europäischen Dachverbandes der Reinigungsbranche – EFCI, Brüssel (s. auch „Schlusspunkt“, S. 34). Daran sehe man indirekt schon den Unterschied.

Eisenmagen kann das aufgrund seiner internationalen Erfahrung bestätigen: „Es gibt in Europa nach wie vor ein Nord-Süd-Gefälle hinsichtlich Professionalisierung. Der skandinavische Markt, unser Kernmarkt auch von der Entwicklung des ISS-Konzerns her, ist sicher weiter entwickelt als ein spanischer, italienischer oder griechischer Markt, aber auch als der österreichische.“ Denn durch die eher größeren Anbieter in Skandinavien sei auch die Konsolidierung am Markt größer. Natürlich gebe es auch dort viele Klein- und Kleinstgesellschaften am Markt, aber deren Anzahl sei im Süden, auch in Österreich, wesentlich größer. „Durch den höheren Konsolidierungsgrad haben stärkere Akquisitionstätigkeiten stattgefunden, stärkerer Verdrängungswettbewerb, und auch die Forderung nach Professionalisierung war sicherlich zu Gunsten der größeren Gesellschaften“, so Eisenmagen. Österreich sieht er hier von der Entwicklung her im Mittelfeld, „aber noch eher dem Süden näher als dem Norden zuzurechnen.“

Akzeptanz und Qualität gehen einher

Nun kann man sich Betriebsgrößen nicht einfach von irgendwo „abschauen“, einen anderen, ebenfalls professionalisierungsrelevanten Aspekt aber sehr wohl: mehr Tagreinigung, wo auch wieder speziell der skandinavische Markt weiter entwickelt ist als der Süden, einschließlich Österreich. Eisenmagen: „Der Trend, die Dienstleistung sichtbar zu machen, sie auch für den Kunden und vor allem für den Endnutzer wahrnehmbar zu machen, ist sicher in Skandinavien noch stärker ausgeprägt als bei uns.“ Daher sei auch die Anerkennung der Reinigungsdienstleistung und ihr Image dort sicher höher und besser als in Österreich und vor allem als noch weiter im Süden von Europa. „Aber wir sehen auch, dass die Tagreinigung sich immer mehr durchsetzt, dass sie akzeptiert wird, dass die Reinigungskraft wahrgenommen und Teil des Betriebes wird, in dem sie gereinigt, dass hier also eine bessere Integration stattfindet. Wobei Akzeptanz mit Qualität einhergeht.“ Denn wenn die Dienstleistung wahrgenommen werde, gebe es auch Feedback, dann wird auch die Qualitätssteigerung gefordert und die Qualitätsmerkmale müssten geleistet werden“, sagt Eisenmagen. Ein Argument für die Dienstleistung in der Nacht, quasi im Verborgenen, oder am Abend nach den Bürostunden, habe immer gelautet, dass es effizienter sei, wenn der Bürobetrieb nicht gestört werde. Aber für die Wahrnehmung der Qualität und der Dienstleistung sei Tagreinigung natürlich wesentlich besser. „Es ist jedenfalls“, so Eisenmagen weiter, „konzernweit, auch in Österreich, unser Bestreben, die Arbeitszeiten unserer Mitarbeiter auszuweiten und Vollzeitarbeitsplätze zu schaffen bzw. den Trend zur Vollzeitkraft weiter zu forcieren.“ Man habe aufgrund der Marktanforderungen in Österreich sehr viele Teilzeitkräfte, und auch hier sehe er ein Gefälle von Norden nach Süden: „In Nordeuropa ist die Quote der Vollzeitbeschäftigten auch in der Reinigungsbranche höher.“

Gut ausgebildete Mitarbeiter

Dabei kann Professionalisierung der Dienstleistung vor allem auch über die Mitarbeiter stattfinden. Über gut ausgebildete Mitarbeiter natürlich. Und betreffend Strukturen für gute Ausbildung rangiert Österreich einmal nicht irgendwo in der Mitte zwischen Norden und Süden, sondern vorbildhaft ganz oben. So hat die EU-Kommission im Dezember 2012 eine Mitteilung mit dem Titel „Junge Menschen in Beschäftigung bringen“ herausgegeben, in der nicht nur auf das duale Ausbildungssystem in Österreich und Deutschland Bezug genommen wird, sondern auch auf die so genannte „Beschäftigungsgarantie“ in Österreich und Finnland. Und es gibt Bestrebungen, dieses duale System auch in anderen Ländern einzuführen. „Das wird zwar nicht eins zu eins von heute auf morgen möglich sein“, sagt Andreas Lill vom EFCI, „aber ich sehe einen ganz eindeutigen Vorteil für die Länder, die so etwas schon seit Jahren haben, wie Österreich, Deutschland und teilweise auch die Niederlande.“ Auch die Dänen und Schweden hätten etwas Ähnliches.

Doch was nützt eine beispielhafte duale Ausbildung, zumal für die Reinigung, wenn sie, wie in Österreich, von den Jugendlichen viel zu wenig an- und aufgenommen wird? „Das hat wiederum mit dem Ansehen und der Attraktivität der Branche zu tun“, so Lill. Für viele andere Länder wäre das jedenfalls ein Luxusproblem: „Österreich hat diese Ausbildung und findet nicht genug Leute, die meisten Länder aber haben gar nicht dieses duale Ausbildungssystem und finden schon deshalb keine – oder haben deshalb keine guten, ausgebildeten Leute, die dann eben produktiv arbeiten können.“ In vielen Ländern sei Aus- und Fortbildung in den Unternehmen organisiert, gerade dort, wo es nicht die duale Ausbildung gebe. „Oder zunächst einmal in Berufsschulen, doch da sind die Lehrlinge weit weg von der täglichen Arbeit und finden deshalb weniger gut den Zugang zu den Unternehmen“, so Lill.

Florian Eisenmagen von ISS zum Thema Mitarbeiter: „Genauso wie in die Technologie wollen wir vermehrt auch in die Mitarbeiter investieren – mit Schulung und Weiterentwicklung der Mitarbeiter erreichen wir Leistungssteigerungen, bessere Akzeptanz und im Endeffekt bessere Qualität bei den Kunden. Das ist nur möglich, wenn wir unseren Arbeitskräften einen entsprechenden Lohn bezahlen, der natürlich kollektivvertraglich geregelt ist. Es gibt kollektivvertragliche Verhandlungen und Steigerungen im Rahmen der Sozialpartnerschaft, die über jahrelange Erfahrung weiterentwickelt werden.“

Entwicklungsbedarf sehe er, Eisenmagen, aber auch dahingehend, „dass die Reinigungsdienstleistung für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, wovon wir ja einen sehr hohen Anteil haben, oft ein Einstieg ist in die österreichische Wirtschaft, in den Arbeitsmarkt ist und wir uns hier absolut auch gefordert sehen, dies weiter zu entwickeln. Wir investieren in die Mitarbeiter, auch in die Sprachkenntnisse, und wollen so, mit gerechter Entlohnung die den Marktkonditionen entspricht, die Mitarbeiter-Weiterentwicklung – und dadurch dann auch die Dienstleistung – professionalisieren.“

In Technologie investieren

Andreas Bake
Andreas Bake, GF Dr. Sasse: „Nur ein Wandel weg vom hohen Personalaufwand hin zur maschinenbasierten Leistungserbringung kann langfristig Einsparmöglichkeiten bringen.“

Und wie schaut es bezüglich Technik-Einsatz aus? Gibt es da noch Professionalisierungspotenzial? Eisenmagen: „Der Einsatz der Technik entwickelt sich ohnehin immer weiter. Wenn man den Maschinen-Benutzungsgrad von vor 20 Jahren mit heute vergleicht und auch die Quadratmeterleistungen, die heute mit Maschineneinsatz möglich sind, dann hat sich das stark weiterentwickelt. Auch das Verhältnis Personal zu Maschineneinsatz – wir haben vermehrten Maschineneinsatz.“ Aber den Personaleinsatz werde die Dienstleistung Reinigung immer fordern, wobei es natürlich auch darauf ankomme, in welchen Kundensegmenten man arbeite. „Wir arbeiten auch mit Partnern wie beispielsweise Ecolab zusammen, die – auch aufgrund unserer Anforderungen – auch sehr stark in die Entwicklung investieren, etwa wenn es um computergesteuerte Reinigung oder Robotereinsatz in der Reinigung geht“, so Eisenmagen. „Das ist alles noch in einem sehr frühen Stadium, aber wir gehen mit diesen Innovationen, schauen uns Einsatzmöglichkeiten in speziellen Kundensegmenten an, beispielsweise in der Flugzeugreinigung oder im Industriebereich, wo diese Dinge wahrscheinlich früher eingesetzt werden können als in einer normalen täglichen Unterhaltsreinigung im Bürobereich. Grundsätzlich geht diese Entwicklung weiter.“

Auch so weit, Personal durch Technik ersetzen zu können? Das, so Eisenmagen, würde nicht zwangsläufig zu Kostenreduktion führen, weil auch die Technologie weiterentwickelt werden müsse und auch der Maschineneinsatz etwas koste.

Andreas Bake, Geschäftsführer Dr. Sasse, zum Thema Technisierung: „Reinigung ist eine scheinbar einfache Dienstleistung im Bereich der Facility Services, deren Erbringung weitgehend auf händischer Arbeit mit hohem personellem Aufwand beruht. Dieser personelle Aufwand ist der höchste Kostenpunkt in einem stark umkämpften Marktsegment. Und lediglich ein Wandel weg vom hohen Personalaufwand hin zur maschinenbasierten Leistungserbringung kann hier langfristig Einsparmöglichkeiten bringen.“ Veränderte Anwendungstechnik in Verbindung mit angepassten und optimierten Organisationsabläufen erbringe Wirtschaftlichkeit, etwa vergleichbar mit der Einführung von Dampfmaschinen vor über 200 Jahren.

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