Woditschka & Bungart
Woditschka & Bungart

Gewerbeordnungs­reform ante portas

Für die einen ein Versprechen, für die anderen eine Drohung.

Text Hansjörg Preims

Die Gewerbeordnung soll noch in diesem Herbst reformiert werden, versprach die Regierungsspitze im Sommer. Unter anderem soll ein einziger Gewerbeschein die Ausübung aller 440 freien Gewerbe ermöglichen, die reglementierten Gewerbe sollen durchforstet und die Genehmigung von Betriebsanlagen mit geringem Gefährdungspotenzial soll erleichtert werden.
Für die einen ein Versprechen – sie sehen in der Reform eine überfällige Liberalisierung –, für andere eher eine Drohung. Sie fürchten eine Aufweichung von Qualitätsstandards und den Niedergang des Handwerks. Jedenfalls solle bei dieser Liberalisierung nicht über das Ziel geschossen werden, fordert etwa Renate Scheichelbauer-Schuster, Bundesobfrau der Sparte „Gewerbe und Handwerk“ in der Wirtschaftskammer, in den „Niederösterreichischen Nachrichten“. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Liberalisierung der Gewerbeordnung“, es gebe ja ohnehin bereits 440 freie Gewerbe in Österreich und nur noch 81 Reglementierungen in ihrer Sparte, wo ein Befähigungsnachweis notwendig sei. Es gehe nur darum, „wie das passiert“, so Scheichelbauer-Schuster. Wir könnten nur mit Qualität punkten, aber ohne Qualifizierung gebe es keine Qualität, ein zu leichter Zugang zum Gewerbe würde einen Qualitätsverlust bedeuten.
Selbst im ÖVP-Wirtschaftsbund, der politischen Ex-Heimat von Reform-Antreiber Minister Reinhold Mitterlehner, macht man sich Sorgen um unsere Handwerksqualität und sieht sich zur Aussage veranlasst, „einen Kahlschlag verhindern“ zu wollen. Wer Gutes bewahren wolle, müsse einiges ändern, aber das heiße nicht gleich alles abschaffen, wird Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner in den ORF-News zitiert. „Genau anschauen“ müsse man sich die reglementierten Gewerbe. Österreich als ein kleines Land lebe stark von der Qualität, so Haubner, er poche daher auf die Beibehaltung der Meister und gebe zu bedenken: Wenn man das alles ausholze, wachse nichts mehr.
In Deutschland etwa habe die Liberalisierung der Handwerksordnung zwar zu einem momentanen leichten Anstieg bei den Gewerbeberechtigungen geführt, die neuen Firmen seien aber nicht lange auf dem Markt, mahnt Haubner. Mittlerweile gebe es in Deutschland wieder gegenteilige Überlegungen, daher wolle der Wirtschaftsbund, „dass sich beim Meister nichts verändert.“ (s. auch Kommentare  auf S. 38 und S. 54 zu den Konsequenzen der Abschaffung der verpflichtenden Meisterprüfung in Deutschland auf die Reinigungsbranche)
Auch auf Gewerkschaftsseite löst Mitterlehners Reformankündigung gespannte Skepsis aus. Die Politik müsse die hohe Arbeitslosigkeit reduzieren, ob allerdings die Liberalisierung von Gewerben der richtige Weg sei, bezweifle sie, sagt Ursula Woditschka, Gewerkschaft VIDA, Fachbereich Gebäudemanagement, speziell auch mit Blick auf das Gebäudereiniger-Gewerbe (s. Interview S. 35). Dadurch würden ArbeitnehmerInnen geradezu in die Selbstständigkeit hineingedrängt, und sie könne sich nicht vorstellen, „dass das die Lösung für unser Arbeitsmarktproblem ist.“


„Nicht die Lösung für unser Arbeits­markt­problem“

Ursula Woditschka, VIDA, Fachbereich Gebäudemanagement, zur Ankündigung einer Gewerbeordnungs­reform.

Ursula Woditschka
Ursula Woditschka

Wie haben Sie die Ankündigung der Politik, die Gewerbeordnung reformieren zu wollen, aufgenommen?
Zunächst erschien mir vieles berechtigt, aber man weiß ja von kleinen Liberalisierungen aus der Vergangenheit und man braucht sich nur die Zahlen aus der Wirtschaftskammer anschauen: Viele dieser Neuen Selbstständigen, die oft aus gut funktionierenden Systemen kleine Teile herausgenommen haben, sperren heute auf, morgen wieder zu. Das waren meistens ArbeitnehmerInnen, die sich verändern und vielleicht auch mehr verdienen wollten. Dafür gibt es aber natürlich keine Garantie. Und auch der Kunde hat weniger Sicherheit, dass er die Qualität bekommt, die er sich von einem etablierten Unternehmen kennt.

Rechnen Sie mit der Liberalisierung verschiedener Gewerbe?
Ich kann mir vorstellen, dass das der Hintergrund ist. Die Politik muss die hohe Arbeitslosigkeit reduzieren. Ob allerdings die Liberalisierung von Gewerben der richtige Weg ist, bezweifle ich. Dadurch werden ArbeitnehmerInnen geradezu in die Selbstständigkeit hineingedrängt. Das kann am Anfang funktionieren, weil es viele Förderungen gibt. Sobald diese Selbstständigen aber auf eigenen Füßen mit einem eigenen Kundenstock stehen sollten, funktioniert das oft nicht mehr. Die Selbstständigen würden wie die Schwammerl aus dem Boden schießen. Es wären dann viel zu viele. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Lösung für unser Arbeitsmarktproblem ist.

Sollte eine Liberalisierungswelle kommen, glauben Sie, dass auch das Reinigungsgewerbe davon betroffen sein wird?
Ich wünsche es mir nicht, kann es mir aber gut vorstellen. Denn auch bei anderen Berufen war es nicht vorstellbar gewesen, aber es ist passiert. Es würden dann wohl, wie gesagt, einfach kleine Teile herausgelöst aus dem bestehenden Gesamtsystem – der eine wäre dann vielleicht nur noch ein so genannter Spezialist für Teppichreinigung, der andere nur für Parkettböden. Man hätte dann also lauter kleine Teilchen und nicht mehr das Gesamte. Vorstellbar ist das leider alles. In Deutschland ist bereits Ähnliches passiert, dort hat man mit diesem System keine guten Erfahrungen gemacht. Dort möchte man das am liebsten wieder rückgängig machen, also sollte man hier nicht die gleichen Fehler machen.
Jedenfalls muss man sich diese Thematik unter mehreren Aspekten sehr genau anschauen, angefangen mit der Frage, welche Betriebslandschaft wir in Österreich haben. Das sind überwiegend Kleinst- und Kleinunternehmen. Ich glaube nicht, dass wir noch viel mehr davon brauchen. Arbeitslose – und das sind überwiegend ältere Menschen – in eine Selbstständigkeit hineindrängen, würde das Problem nur optisch lösen, denn dann hätte man statt 500.000 vielleicht nur mehr 300.000 Arbeitslose, aber diese 200.000 weniger wären dann an anderer Stelle sozial nicht mehr abgesichert.

Sie sprachen anfangs auch das Thema Qualität an. Fürchten Sie wirklich, dass eine Liberalisierung von Gewerben wie der Reinigung negative Auswirkungen auf die Qualität hätte?
Ich glaube schon, vor allem bei den Lehrberufen ist es ja so, dass man ein Handwerk von der Pike auf lernt, von qualifizierten Leuten, die das vorher auch schon von Grund auf gelernt hatten und jahrelange Erfahrung haben. Man wird staatlich geprüft und kann den Beruf dann hochqualitativ ausführen. Wenn man das alles nicht mehr oder nur mehr in geringem Ausmaß braucht, kann man viele Schäden anrichten: ein Nageldesigner etwa, wenn er den Aufbau eines Nagels, der Haut, die Funktionen und alles nicht oder nur mehr oberflächlich kennt. In der Reinigung genauso, wenn einer zum Beispiel nicht weiß, wie ein Teppich aufgebaut ist, wie der Unterboden ist usw. Es sind dann wirklich Gefahren für den Kunden zu befürchten, wenn die Qualität nachlässt. Der Preis ist natürlich ganz entscheidend. Doch was nützt es, wenn man billig einkauft, dann aber letztlich einen Schaden hat bzw. vielleicht sogar einen neuen Teppichboden braucht? Man könnte dann das nächste Mal wieder einen anderen Reiniger nehmen, hätte aber auch da nicht die Garantie, dass der es fachgerecht macht. Wenn es schon vom System her so ist, dass ein Kunde nicht mehr weiß, ob er einem Betrieb wirklich vertrauen kann, dann ist also auch beim Kunden Skepsis angesagt.
Und auch umgekehrt: Der Preisdruck ist jetzt schon enorm, und er würde dann noch größer werden – auf Kosten der Qualität. Ich glaube also, dass das eine Spirale nach unten wäre bzw. negative Auswirkungen in vielen Bereichen hätte.

Was würde eine Liberalisierung des Reinigungsgewerbes für den Kollektivvertrag bedeuten?
Der Kollektivvertrag würde zunächst einmal so weiterbestehen, dann aber – es wird ja immer umschrieben, für wen der  Kollektivvertrag gilt – würde man den Geltungsbereich vielleicht erweitern müssen. Das könnte sein, muss aber nicht. Denn der Kollektivvertrag gilt für alle Reinigungsgewerbe. Die Frage ist, unter welchem Titel sich diese Firmen dann anmelden, wie das auch die Wirtschaftskammer dann organisiert. Denn ausschlaggebend ist immer die Zugehörigkeit in der Wirtschaftskammer bzw. in welchem Zweck die Firma eingeordnet wird. Das müsste man sich jedenfalls alles sehr genau anschauen. Da gibt es sicher viele Begleiterscheinungen, von denen man jetzt noch gar nicht weiß, wie man dann damit umgeht. Übers Knie brechen sollte man nichts. Aber noch hat ja niemand etwas in der Hand, wo Schwarz auf Weiß steht, wie es die Politik haben möchte. Vielleicht will man ja bewusst erst einmal Diskussionen anstoßen, um ein Stimmungsbild zu bekommen. Ich denke mir, wenn es dem Minister nur darum geht, weniger Firmenanträge hereinzubekommen, dann ist die Veränderung der Gewerbeordnung der falsche Weg. Sie könnte nämlich zu einem sprunghaften Anstieg bei Gerichtsverfahren führen. Merkt der Kunde, dass die Qualität nicht stimmt, wird es entsprechende Klagen geben. Und das wäre dann viel teurer und zeitintensiver.


Unglückliche Entwicklung

Zu den Konsequenzen der Abschaffung der verpflichtenden Meisterprüfung in Deutschland auf die Reinigungsbranche.

Text Johannes Bungart

Johannes Bungart
Johannes Bungart

Aufgrund einer sehr komplizierten und komplexen Rechtslage standen wir in Deutschland, vereinfacht dargestellt, vor der Wahl zwischen einer einheitlichen Mindestlohntarifpolitik oder dem Verbleib in der Anlage A unserer Handwerksrolle. Zusammengefasst war die Frage, Tarifeinheit oder verpflichtender Meisterbrief. Hätten wir diese komplizierte Konstruktion, die im deutschen Recht verankert ist, nicht gehabt, hätten alle Argumente für die Beibehaltung der verpflichtenden Meisterprüfung gesprochen.
Heute bedauern Teile der Regierungskoalition die damalige Entscheidung, da sie dazu geführt hat, dass die Zahl der Auszubildenden drastisch reduziert wurde, ebenso im Bereich der Meisterprüfung. Gleichzeitig ist die Zahl der Unternehmensgründungen sehr stark angestiegen, was aber nicht zu den gewünschten zusätzlichen Arbeitsplätzen geführt hat, sondern ausschließlich Solo-Selbstständige produziert hat.
Diese Solo-Selbstständigen, die keine nennenswerten Sozialversicherungsbeiträge zahlen, gründeten Unternehmen und schlossen sie anschließend schnell wieder. Sie verwechselten Umsatz mit Gewinn, es führte zu nennenswerten Steuerausfällen – eine sinnlose Aktion mit hohen Fluktuationen.
Nennenswerte positive Aspekte sind nicht eingetreten. Die Zahl der Nachunternehmer ist gestiegen, die nunmehr in der Handwerksrolle eingetragenen Unternehmen „wildern“ in verbliebenen meisterpflichtigen Handwerken. Für die Zollbehörden ist die Verfolgung untertariflicher Bezahlungen schwieriger und zeitintensiver geworden.
Irgendein kluger Mensch hat einmal gesagt: „Erhaltet die Strukturen, denn die Strukturen erhalten Euch“. Dies ist unseren politisch Verantwortlichen erst nach dieser unglücklichen Entwicklung bewusst geworden, und ich bin sicher, dass diese Entscheidung so nicht noch einmal getroffen werden würde. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der aktuellen unsicheren politischen Lage, auf die ich im einzelnen nicht eingehen will.

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