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„Extrem wichtiger Beitrag zur Krisenbewältigung“

Die Coronakrise hat wohl jede Branche fest im Griff. Auch Security-Dienstleister mussten rasch reagieren und ihr Portfolio anpassen.

Text: Erika Hofbauer

Ujbien Shehu
Ujbien Shehu

Die Krise hatte und hat einen deutlichen Impact auf die Dienstleistungsbranche. „Zu Beginn der Krise waren die nachgefragten Dienstleistungen deutlich auf die Corona-Situation bezogen“, erläutert etwa Ujbien Shehu, Direktor Sicherheitsberatung bei G4S Secure Solutions. Das hieß im Klartext: „Dienstleister waren auf einmal damit konfrontiert, dass Teile ihrer Dienstleistungen nicht mehr in Anspruch genommen wurden. Unser Unternehmen ist zum Beispiel stark im Bereich Sicherheit in Museen, im Kultur- und Eventsektor und auch bei der Parkraum- und Verkehrsüberwachung präsent. Diese Bereiche waren von der Corona-Pandemie fast zur Gänze betroffen. Aber es gab auch Bereiche wie beispielsweise Sicherheitsaufgaben bei kritischer Infrastruktur, wo hingegen Bedarf an zusätzlichen Leistungen aufkam.“ Hier habe konkret auf Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen wie Abstandhalten, Tragen von NMS-Masken, Personenzählung oder Einhalten der Kapazitäten in Betrieben geachtet werden müssen. Ein Bereich, der neu ins Portfolio dazu gekommen sei, so Shehu weiter: „Die berührungslose Fiebermessung. Gerade in sensiblen Bereichen wie Leitstellen oder Operationsräumen, wo Mitarbeiterausfälle sofort kritisch werden, kristallisiert sich aktuell diese Maßnahme – gepaart mit geschultem Sicherheitspersonal – als Fokus heraus.“

Auch die IT-Sicherheitsbranche habe sich verändert, berichtet Daniel Stregl, Geschäftsführer der redPuls IT & Security Solutions GmbH: „Wir konnten – aufgrund unseres Fokus‘ auf Facility Security – die heuer verstärkten Kundenanfragen zu IT Security gut abwickeln. Es mussten bei Firmen Heimarbeitsplätze geschaffen werden, die es in der Form – noch – nicht gab.“ So brauche es für ein sicheres Homeoffice nicht nur die Hardware und eine stabile Internetleitung, sondern auch Awareness-Schulungen zur Sensibilisierung der Mitarbeiter gegenüber Cybergefahren. 

Viele Ausfälle

Raimund Prais
Raimund Prais

Auch Raimund Prais, Vertriebsdirektor der Hel-Wacht Holding GmbH, ortet deutliche Spuren, die die Corona-Pandemie im Sicherheitsbereich hinterlassen hat: „Da unser Aufgabengebiet ein sehr weites Spektrum umfasst, wurden wir teilweise hart getroffen. Auf der anderen Seite konnten wir aber als sogenannter Systemerhalter neue Aufgabengebiete anbieten.“ Durch die Schließung von Geschäften und Shoppingmalls habe man von einem Tag auf den anderen Dienstleistungen im Bereich Doorman, Kaufhausdetektive bzw. Sicherheitspersonal in Kaufhäusern verloren. „Aber auch Bürohäuser brauchten die Leistungen von Portieren nur in eingeschränktem Ausmaß“, so Prais. Ebenso seien Aufträge des öffentlichen Bereichs (manche Gebäude wurden geschlossen) reduziert worden: „Um unsere Mitarbeiter nicht zu verlieren, haben wir mit der Kurzarbeit die Zeit des Lockdowns überbrückt. Das leitende Personal hat seine Aufgaben aus dem Homeoffice erledigt.“

Martin Wiesinger
Martin Wiesinger

Martin Wiesinger, Vorstand des Verbandes der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ) und Geschäftsführer der Securitas Sicherheitsdienstleistungen GmbH, beschreibt die seit Monaten andauernde Situation als ähnlich herausfordernd: „Je nach Schwerpunkt der Sicherheitsunternehmen – Flughafensicherheit, Eventsecurity etc. – haben wir durch Covid-19 geringe bis hohe Umsatzeinbußen zu beklagen. Die Verluste konnten teilweise befristet durch zusätzliche Einsatzgebiete wettgemacht werden. Dies ist jedoch kein nachhaltiges Wachstum.“ Am Beginn der Krise, berichtet Wiesinger, habe es zunächst große logistische Probleme gegeben, die Mitarbeiter mit entsprechender Schutzausrüstung aufgrund mangelnder, weltweiter Verfügbarkeit auszustatten. „Darüber hinaus hätten relativ kurzfristig hohe Investitionen in Back-Up Lösungen für kritische Systeme getätigt werden müssen, zum Beispiel bei den Notrufzentralen.

Neue Nachfrage

Was die Sicherheitsdienstleister ebenfalls unisono feststellen: Von der Krise „profitiert“ hat wohl keiner so wirklich. „Die Verluste aufgrund der Lockdowns im Freizeit-, Kultur- und Eventsektor sowie Investitionsstopps im Bereich von Sicherheitssystemen konnten teilweise wieder durch neue Aufträge im Bereich der kritischen Infrastruktur kompensiert werden“, so G4S-Sicherheitsmanager Shehu. Für eine genauere Analyse wolle er jedoch erst relevante Zahlen, die vermutlich erst nächstes Jahr vorliegen würden, abwarten.

Hel-Wacht Vertriebsdirektor Prais versucht eine Beurteilung: „Ein deutliches Plus sehen wir bei der Aufschaltung von Alarmanlagen an unsere Alarmzentrale. Viele Hausverwaltungen haben die Zeit auch genutzt und sich für die Digitalisierung ihrer Aufzugsnotrufsysteme entschieden. Auch konnten wir für die Zutrittskontrolle in Krankenhäusern Sicherheitspersonal beistellen.“ Dabei werde der Besucherstrom durch das externe Personal geleitet, das auch das Screening durchführe, aber: „Das Hauptproblem lag ganz klar bei der Disposition von einer Vielzahl von Ab- und Zusatzbestellungen. Die Dienstpläne mussten immer wieder korrigiert werden. Dies war eine echte Herausforderung für unsere Personalabteilung und hat die Flexibilität unserer Mitarbeiter auf eine harte Probe gestellt.“

Beim Thema Zutrittskontrollen sieht auch VSÖ-Vorstand Wiesinger die größten Veränderungen durch die Krise: „Das reicht von der Ausgabe von MNS-Masken, Fiebermessen bis zur entsprechenden Dokumentation. Nicht zu vergessen, dass wir dafür zu sorgen haben, durch die Steuerung der Personenströme – das so genannte Queue Management – die Abstandsregeln zu koordinieren. Das hat uns auch zu Innovationen wie dem „Pandemieterminal“, einer Self-Service Lösung zur Körpertemperaturmessung mit Thermalkameras und Erheben des Gesundheitsstatus, gebracht.“ Darüber hinaus kämen Personenzählsysteme zum Einsatz, um zum Beispiel höchstzulässige Personenzahlen in Räumen sicherstellen zu können.  

Daniel Stregl
Daniel Stregl

Das Thema Zutrittskontrolle war auch für redPuls-Geschäftsführer Stregl heuer besonders augenfällig, wiewohl eine Differenzierung zu erkennen war: „Die klassische Zutrittskontrolle wurde immer nur im Bezug auf Covid-19 bestellt, also vermehrte Videoüberwachungen, überhaupt dort, wo der Personenverkehrsstrom kurzfristig zugenommen hat wie beispielsweise bei Gemeinden, auf öffentlichen Plätzen oder bei Verkaufsstellen. Alarmanlagen und biometrische Systeme bzw. Schrankenanlagen stagnierten hingegen.“ Coronabedingt haben sich auch für den IT Security-Experten neue Geschäftsfelder ergeben, wie er erzählt: „So sind IT Lösungen gefragt, die den Personenverkehr in Geschäften ausgleichen („In-Store Analytics”), die Besucheranzahl generell begrenzen („Video Analytics“), oder es wurden gleich Ampel-Lösungen für Geschäfte installiert, um die Anzahl der maximalen Kunden im Geschäft gering halten. Und natürlich war das berührungsfreie Messen der Körpertemperatur Schwerpunkt“, so Stregl: „Der Mindestabstand und ein Mund-Nasen-Schutz sind manchmal nicht genug, vor allem im öffentlichen Raum, in speziellen Unternehmen oder in kritischen Umgebungen wie zum Beispiel in Kliniken oder im produzierenden Nahrungsmittelgewerbe. Hier werden höhere Ansprüche gestellt.“

Kombi-Angebote

Was wird an Sicherheit unterstützenden Maßnahmen bleiben? G4S Sicherheitsberatungs-Direktor Shehu: „Automatisierte und berührungslose Fiebermessung wird im Bereich der Sicherheit über die COVID-Zeit hinaus ein Thema bleiben. “ Was man jetzt schon erkennen könne, so Shehu, sei das große Feld der Remote Security: „Was wir aufgrund der niedrigen Frequenz in den Betrieben sehen, ist, dass Einbrüche im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wieder steigen. Auch in anderen Ländern bemerken wir eine ähnliche Tendenz.“ Man setze daher stark auf den Bereich Videotechnik und Technologien, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeiteten: „Wenn es zum Beispiel verdächtige Bewegungen auf einem Betriebsgelände gibt, kann man da durch KI-gestützte Kameras schon viel abdecken.“ Wichtig sei jedoch auch die Kombination und Integration der technischen Lösungen mit personellen Ressourcen. Videoüberwachung alleine, ohne Reaktion durch geschulte Mitarbeiter, einer 24/7 Alarmzentrale und Sicherheitspersonal, das im Bedarfsfall schnell vor Ort sein könne, sei nicht sinnvoll.

Hel-Wacht Vertriebsdirektor Prais geht nicht von grundsätzlich großen Veränderungen im nächsten Jahr aus, denn: „Wir mussten immer flexibel, schnell und gut ausgebildet sein. Außerhalb der Betriebszeiten werden wahrscheinlich elektronische Sicherheitsmaßnahmen zunehmen, aber während der Betriebszeiten wird der Einsatz von Sicherheitspersonal bestehen bleiben, denn: Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens, die gesehen werden, geben mehr Sicherheitsgefühl als eine Video- oder Alarmanlage.“ Generell glaube er aber, „dass wir weder Gewinner noch Verlierer dieser Krise sind, und ich freue mich – wie jeder Mensch in diesem Land wohl auch – auf Normalität.“ 

Veränderungen

Für redPlus-Geschäftsführer Stregl ging dieses Jahr bislang weder deutlich in die eine noch in die andere Richtung: „Grundsätzlich ist das Thema Hygiene und Sicherheit bei der Bevölkerung mehr verankert alt je zuvor. Damit verbunden ist auch die Akzeptanz technischer Hilfsmittel.“ Ohne viel Vertriebstätigkeiten seien von den Kunden zusätzliche Sicherheitsanforderungen angekauft worden, um in weiterer Folge Geschäfte, Lokale und auch kritische Infrastruktur öffnen zu können bzw. offen zu halten, erzählt Stregl. Was davon auch in der Zukunft bleiben werde? „Das kommt darauf an, wie lange sich die Unsicherheit mit Covid-19 hält. Ich finde, dass es immer ganz gut ist, wenn der Mensch mit technischen Hilfsmitteln die Chance bekommt, sich vor ,dem Bösen‘ – seien es Personen oder Viren – schützen zu können.“

Was für VSÖ-Vorstand Wiesinger dauerhaft bleiben wird, sind die verstärkten Zutrittskontrollen und Pandemielösungen: „Insgesamt hat die Branche Verlierer, die an der Kippe zum Konkurs stehen, und Gewinner, die im Stammgeschäft nicht so stark betroffen waren und Zusatzgeschäft gewonnen haben. Generell haben die Sicherheitsdienstleister einen extrem wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet. Ohne die Mobilisierungsfähigkeit und Flexibilität des Bewachungsgewerbes wäre ganz viel im Bereich des Wirtschafts- und Gesundheitswesens so nicht möglich gewesen“, ist Wiesinger überzeugt.

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