gesundheitswesen

Dualität ist gefragt: Roboter und Menschen gemeinsam

Entwicklungen im Gesundheitswesen: Personalsituation, Einsatz von KI, Outsourcing. Dazu ein Gespräch mit Michael Kazianschütz, Bereichsleiter Wirtschaft / Logistik, Leiter Stabsstelle Supply Chain Management am LKH-Univ. Klinikum Graz., und Melitta Novotny, Abteilungsleiterin Reinigung im LKH-Univ. Klinikum Graz

Reinigung aktuell: Wir haben drei Bereiche, die wir hier ansprechen wollen. Das eine ist der Personalbereich, das Zweite ist der Bereich Robotics und KI und der dritte Bereich ist das Thema Outsourcing / Insourcing. Zur Personalsituation im Bereich Krankenhausreinigung: Wie stellt sich die Situation dar? Wir haben seit zwei Jahren eine leichte oder schwerer werdende Rezession, auch mit steigenden Arbeitslosenzahlen. Hat das einen Einfluss auf Ihre Personalsituation?

Michael Kazianschütz: Es gibt für mich drei Zeitrechnungen – vor Corona, während Corona und nach Corona. Warum? Weil ich in meinem ganzen Bereich (Anm.: 5 Abteilungen), also nicht nur in der Abteilung Reinigung und Servicedienste, sondern auch in den anderen Abteilungen, für die ich verantwortlich bin, die Erfahrung gemacht habe, dass man vor Corona händeringend Personal gesucht und keines gefunden hat und man gute Angebote setzen musste, um Bewerberinnen und Bewerber zu „umgarnen“. Während Corona hat sich das Blatt dann langsam, aber sukzessive gewendet, nämlich in die Richtung, dass es plötzlich wieder en vogue war, sich bei einem öffentlichen Unternehmen zu bewerben, das einen sicheren Arbeitsplatz garantiert. Dies wurde auch in Hearings deutlich von den Bewerber*innen kommuniziert.

Nach Corona war dann eine gewisse Grundvolatilität gegeben, jetzt aber, aufgrund der konjunkturellen Lage  –  Zollthematik, die Industrie stagniert bzw. baut ab – geht es wieder in die Richtung, dass wir deutlich mehr an Bewerbungen bekommen; neuerlich steht das Sicherheitsthema im Fokus  – ein sicheres Gehalt, was wird sein, wenn man älter wird etc. 

Ein Beispiel ist eine aktuell offene Stelle bei uns im Reinigungsdienst: mit 12 Bewerbungsgesprächen. 

Melitta Novotny: Problematisch ist jedoch auf jeden Fall die sprachliche Verständigung vieler Bewerber:innen. Es melden sich sehr viele willige Mitarbeiter:innen, aber beim Vorstellungsgespräch werden leider teilweise die einfachsten Fragen nicht verstanden. Auch wenn eine als tüchtige Kraft schon in der Reinigung gearbeitet hat, ist diese Sprachproblematik gerade in den sensiblen Patientenbereichen fast ein Ding der Unmöglichkeit, denn wenn es da zu einer prekären Situation kommt und die Mitarbeiterin versteht die Pflege nicht, ist das naturgemäß nicht hilfreich.

Roboter Franzi 2.0 im Arztkittel-Design unterwegs
Clown-Roboter „Horsti“ Im Kinderzentrum
Reinigung aktuell: Wie groß ist der Kostendruck auf das Gesundheitswesen und welche Auswirkungen hat das zum Beispiel auf mehr Outsourcing?

Michael Kazianschütz: Der Kostendruck, die Anspannung ist enorm. Wir haben das Thema, dass nicht nur im Bund Geld an allen Ecken und Enden fehlt. Wir haben glücklicherweise, wenn ich von meinem Bereich sprechen darf, die Hausaufgaben in den letzten Jahren, so denke ich, sehr gut gemacht und uns gut aufgestellt, auch was Innovationen per se anbelangt. Stichwort Robotik beispielsweise, wo wir schon eine kleine Flotte bei uns im Einsatz haben, nicht nur in der Reinigung, sondern auch darüber hinaus, im Logistikbereich zum Beispiel, aber auch strukturell. Wir haben zum Beispiel im Logistiktunnel einen ersten Autonomen Mobilen Roboter (AMR) heuer neu in Betrieb genommen, der Paletten transportiert und wo wir – soweit die Strategie – aus den Erfahrungen des Einsatzes der Reinigungsroboter profitiert haben bzw. diese Erfahrungen dann auch bei der Umsetzung dieses noch größeren Piloten genutzt haben. Wir haben bei uns am Klinikum in Summe sieben Kilometer an Tunnel-Systemen, aufgeteilt auf drei verschiedene Tunnel, und einer davon ist der Logistik-Tunnel mit rund zwei Kilometern, wo bspw. unsere Elektroschlepper unterwegs sind; hier transportieren wir die Waren von A nach B vom Versorgungszentrum Richtung der jeweiligen Kliniken bis zum „point-of-use“ – die sogenannte „last mile“ des Transportes bewerkstelligen im Übrigen in vielen Fällen zuverlässig unsere internen und externen Reinigungsmitarbeitenden. Das LKH-Univ. Klinikum Graz ist flächenmäßig übrigens das größte Krankenhaus Mitteleuropas mit 340.000 Quadratmetern – dies entspricht etwa 69 Fussballfeldern, auf denen ca. 40 Gebäude im Pavillionsystem angeordnet sind.

Doch zurück zum Thema Kostendruck: Wir merken diese Anspannung natürlich, und damit wird natürlich auch das Thema Outsourcing wieder aktueller, weil es einfach ein Stück weit kostengünstiger ist, die Dienstleistung Reinigung fremdzuvergeben, als eigenes Personal zu beschäftigen. Davon ausgenommen sind bei uns sensible Bereiche.

Bereichsleiter Wirtschaft/Logistik Dipl. KHBW Michael Kazianschütz MBA MSc mit dem ersten Autonomen Mobilen Roboter (AMR), sowie mit DI (FH) DI Dr. Michael Grasser MBA MPA (Ltg. FA IT)
AMR im Einsatz
Reinigung aktuell: Es gibt in Österreich nur eine gute Handvoll Firmen, die Krankenhausreinigung anbieten. Das ist ein ziemlich harter Closed Job. Gibt es da irgendeine Tendenz, neue hinzuzunehmen, oder scheitert das immer an der Referenz?

Michael Kazianschütz: Mir wäre es recht, wenn es mehr Player am Markt zur Auswahl gäbe. Das Thema Referenzen ist eben ein vorrangiges, weil man natürlich nicht eine Firma beauftragen möchte, die noch kein Krankenhaus serviciert hat. Zudem kommen oft spezielle Anforderungen, hier werden oft besonders geschulte Personen benötigt.

Reinigung aktuell: Thema Robotics oder KI – wie sind Ihre Erfahrungen? Was nützt es? Wie schaut es von den Kosten her aus, wie betreffend Leistung? Und wie wirkt sich das aufs Personal aus?

Michael Kazianschütz: Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, waren durchwegs positiv, auch was das Thema Akzeptanz anbelangt. Ich glaube, wir haben auch einen sehr guten Zeitpunkt gewählt, den Zeitpunkt rund um Corona, wo es schwierig war, Mitarbeitende zu bekommen, auch bei den Fremdfirmen, und wir de facto kaum Alternativen hatten. Dieser Zeitpunkt war eben auch deswegen wichtig, weil das Thema Akzeptanz gegenüber dem Einsatz von Robotern schon ein Riesenthema war. Wir setzen hier auf Dualität, auch in dem erwähnten Tunnelsystem, wo ein autonomer Roboter Paletten auf Trollys hebt und sie autonom ins Lager transportiert, und zwar neben bzw. gemeinsam mit den „echten“ Kolleg*innen.

Ich habe mir Ähnliches bei Porsche in Zuffenhausen angesehen, dort wird  seit den 90er Jahren auf Dualität gesetzt, fahrerlose Transportsysteme kommen ebenso für Transporttätigkeiten in Frage wie Transporte durch Mitarbeitende. Ich habe mir damals gesagt, was bei Porsche funktioniert, kann auch in der KAGes funktionieren, wollte es aber nicht strategisch gleich großflächig umsetzen, sondern im Kleineren anfangen und schauen, wie wir bestmöglich Erfahrungen sammeln können. Und so sind wir auf die Reinigungsroboter gekommen und haben sukzessive fast jährlich einen zusätzlichen Roboter gemeinsam mit unseren Fremdfirmen in Betrieb genommen. Wobei die Strategie war, keinen Roboter – außer jenen im Tunnel – selbst anzukaufen, sondern unsere Fremdfirmen dazu zu motivieren, in Robotik zu investieren. Wir drücken hier auch nicht aufs Gas und verlangen gleich eine Kostensenkung, sondern wir wollen gemeinsam Erfahrungen machen, wobei mittel- und langfristig aber sehr wohl das Ziel ist, dadurch Kosten einzusparen. Ein ergänzendes Beispiel: Wir haben auch einen – noch kabelgebundenen – Roboter für die Fensterreinigung im Einsatz. Das hat früher einiges an Kosten für Industriekletterer gebracht. Jetzt steuert ein Mitarbeiter über sein Mobiltelefon bzw. eine App den Roboter, was deutlich weniger kostet als ein Industriekletterer, und es muss sich auch kein Mitarbeiter in Absturzgefahr begeben. Da schlägt auch mein Herz als ehemaliger Sicherheitsbeauftragter durch.

Roboterfamilie am LKH-Univ. Klinikum Graz mit Führungskräften (vlnr: DI (FH) DI Dr. Michael Grasser MBA MP, Dipl. KHBW Michael Kazianschütz MBA MSc, BDir. Mag. Gebhard Falzberger, Ing. Christian Sixt MBA MSc
Reinigung aktuell: In welchen Bereichen im Krankenhaus laufen bei Ihnen die Roboter?

Melitta Novotny: Einige Roboter laufen natürlich auch im Patientenbereich auf den Gängen, in den Ambulanzbereichen, in den großen Hallen. Im Hörsaalzentrum haben wir einen relativ neuen Roboter, der sich auch autonom befüllt und wieder entleert. Und auf der Kinderklinik haben wir auch einen Roboter, der auf den Gängen und in den großen Hallen fährt.. Patientenzimmer sparen wir derzeit noch bewusst aus.

Reinigung aktuell: Aber Tagesbetrieb?

Melitta Novotny: Ja, Tagesbetrieb bzw. im Hörsaalzentrum läuft er zeitig in der Früh – bereits ab 6 Uhr.

Reinigung aktuell: Und die Roboter werden von Mitarbeitern betreut? Es müssen ja auch mal die Sauglippen ausgetauscht werden.

Melitta Novotny: Ja, sie werden von Mitarbeitern betreut – auch gereinigt und desinfiziert. Und natürlich werden die Mitarbeiter über eine Handy-App auch darüber informiert, wenn der Roboter irgendwo steht und nicht weiterkommt, denn auf den Gängen im Patientenbereich passiert es schon mal, dass sich irgendjemand einen Spaß daraus macht, den Stoppknopf zu drücken. Da kommt dann die Meldung per Handy zu den betreuenden Mitarbeitern.

Beim Einsatz der Roboter haben wir uns auch hinsichtlich „Namensgebung“ und Folierung etwas gedacht, etwa beim allerersten, „Franzi 1.0“, den wir seit 2022 im Einsatz hatten, dann „Franz 2.0“, der sich bereits selbst mappt – ganz im Sinne des Design-Thinkings quasi foliert und zum Einsatz gebracht und als Dr. Franzi tituliert. Seit dem heurigen Valentinstag haben wir ihm ganz romantisch eine „Franziska“ zur Seite gestellt, ein weiterer Roboter. Und im Kinderzentrum haben wir „Horsti“, den wir als Clown foliert haben. Alles im Sinne der Akzeptanz. Das geht so weit, dass die Pflege in Eigeninitiative auf Instagram zum Beispiel „Horsti im Einsatz“ postet. 

Roboter Franzi 2.0 mit Dipl. KHBW Michael Kazianschütz MBA MSc, HFK Katrin Pepper, Prim. Klaus Vander, Melitta Novotny
Reinigung aktuell: In welchen Bereichen außer der Reinigung nehmen Sie noch Outsourcing-Dienste in Anspruch? Auch im Logistikbetrieb, Security, Küche?

Michael Kazianschütz: In unterschiedlichen Bereichen. Security auf jeden Fall, wobei das nicht  in meinen Bereich fällt. Was in meinen Bereich fällt, ist zum Beispiel die Spüle der Küche, die fremdvergeben ist, oder auch die Abfallfraktionierung und teilweise die Transportlogistik. 

Reinigung aktuell: Vermutlich soll der Einsatz von Robotern bei ihnen das Finden der richtigen Leute ersetzten und die Effizienz steigern, oder …?

Melitta Novotny: Gewisse Ecken, Kanten und Vertiefungen werden noch nicht so gut gereinigt, wie wir uns das vorstellen. Auch muss bspw. in den Wartebereichen mit den vielen Sesseln händisch nachgereingt werden. Da kommt der Roboter nicht ganz bis zu dem Rand hin, damit auch die Leisten und die Ecken staubfrei und sauber sind. Hier brauchen wir natürlich auch unsere Mitarbeiter*innen, und den Roboter sehen wir als additive Unterstützung.

Reinigung aktuell: Wenn Sie gefragt würden, was Ihnen der Einsatz des Roboters bringt, was wäre Ihre kurze prägnante Antwort?

Melitta Novotny: Der Einsatz des Roboters bringt uns eine gute, effiziente Reinigung gegenüber dem Wischreinigen, weil weniger Schlieren entstehen. Und ich würde sagen, auch gesundere Mitarbeiter*innen, weil Hunderte von Quadratmetern nicht mehr händisch gewischt werden müssen. Von Seiten der Ergonomie her ist es auf jeden Fall ein großes Plus.

Michael Kazianschütz: Und wesentlich zu erwähnen ist natürlich auch die Aussicht darauf, das Ganze günstiger zu machen. Der Reinigungsroboter ist natürlich ein schönes „Spielzeug“ und ein innovativer Ansatz, aber unterm Strich muss es sich – aus betriebswirtschaftlicher Sicht – irgendwann auch rechnen. Wobei man es strategisch angehen muss. Mittel- und langfristig rechnen, konkret dass man Leistungsverzeichnisse anpasst und Kosten letzlich reduziert.

Reinigung aktuell: Wird am LKH-Univ. Klinikum Graz selbst gekocht oder von einem Dienstleister, der die Küche betreut?

Michael Kazianschütz: Wir kochen selbst nach dem Cook and Chill Verfahren in der hauseigenen Küche und versorgen nicht nur unsere Patient*innen, sondern auch über 3 Speisesäle unsere Kolleg*innen.

Reinigung aktuell: Aus welchem Grund? Ist da kein Gedanke, auch diesen Bereich auszulagern?

Michael Kazianschütz: Das war eine Grundsatzentscheidung im Rahmen der Inbetriebnahme unseres neuen Versorgungszentrums vor etwa 10 Jahren. Da haben wir eine neue Küche geplant, und es wurde entschieden, nur die Spüle fremdzuvergeben.

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