Die Einsatzmöglichkeiten von UV-Desinfektion bei empfindlichen Oberflächen erregen aktuell hohe Aufmerksamkeit. Welche Herausforderungen und Nutzen diese Lösungen bieten, darüber sprach Reinigung aktuell mit Michael Stelzl, Geschäftsführer der HYGIENICUM GmbH.
Text: Erika Hofbauer
Reinigung aktuell: Man hört immer häufiger von neuen technologischen Desinfektionsmöglichkeiten – auch im Gesundheitsbereich –, nämlich: Die UV-Oberflächendesinfektion. Damit – so sagen Anbieter – könne man unkompliziert mit Licht Bakterien, Viren und Keime entfernen. Was halten Sie davon?
Michael Stelzl: UV-Entkeimung ist im Prinzip keine „neue Technologie“. Sie wird in verschiedenen Bereich schon seit Jahrzehnten verwendet. Ein Beispiel dafür ist die Dekontamination von Trinkwasser. Im Bereich Luftentkeimung wird UV-Licht ebenso seit geraumer Zeit verwendet. Eine wesentliche Wirkung dabei ist nicht nur die direkte Einwirkung kurzwelliger Strahlung, sondern auch die kurzfristige Bildung von Ozon, welches ebenso desinfizierend ist. Ein einschränkender Faktor in der Oberflächendekontamination ist der Reinheitsgrad der zu desinfizierenden Oberfläche, da UV-Licht Schmutzreste nicht durchdringt. Eine gründliche Vorreinigung der Flächen ist daher eine zwingende Vorbedingung für den Wirkungsgrad. Ein weiterer Faktor ist die Erreichbarkeit der Flächen für UV-Licht. Spalten, Ecken und andere beschattete Oberflächenstrukturen werden von UV-Licht nicht erreicht und entziehen sich damit der Dekontamination. Diese Einschränkungen sind jedenfalls bei der Anwendung von UV-Licht als Desinfektionsmethode mit zu berücksichtigen. Bei richtiger Anwendung kann die Methode jedoch zu durchaus zufriedenstellenden Ergebnissen führen.
Eine ganz neue Entwicklung ist RobiDES, ein Reinigungsroboter (siehe Textkasten S. 16). Damit soll nicht nur die Umwelt geschont, sondern auch dem personellen Engpass beim Reinigungspersonal Rechnung getragen werden. Wie sehen Sie das?
Der Einsatz von Robotern in der Reinigung und Desinfektion ist eine vielversprechende Technologie und kann helfen, Personalengpässe auszugleichen und Belastungen durch Chemikalien für Reinigungspersonal zu reduzieren. In geschlossenen Anlagen werden schon seit langer Zeit automatisierte Reinigungssysteme verwendet (CIP-Reinigung – Cleaning in Place). Die Ausweitung auf offene Bereiche durch Roboter ist für mich nur ein logischer Folgeschritt.
Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Desinfektionsmitteln keine Selbstverständlichkeit ist.
Gibt es neue Entwicklungen in Sachen Oberflächen-Desinfektion in Gesundheitseinrichtungen?
Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Desinfektionsmitteln keine Selbstverständlichkeit ist. In dieser Zeit waren auch Mittel am Markt, denen wesentliche Wirkstoffkomponenten gefehlt haben. Zum Teil war das blanker Betrug. Listungen wie jene der ÖGHMP sind ein wesentlicher Bestandteil der „Vertrauenswürdigkeit“, da die Wirksamkeit gegenüber ausgewiesenen Organismen durch unabhängige Gutachten bestätigt ist. Wichtig dabei ist jedoch, dass bei den Anwendern auch ankommt, welche Hinweise wie zu interpretieren sind und wo auf Basis der Listung Wirkstofflücken zu erwarten sind. Ein Beispiel hierfür sind bakterielle Sporen und Viren. Der wichtigste Trend in der Desinfektion ist aus meiner Sicht daher der risikobasierte Einsatz, wozu im Hintergrund eine fundamentierte Risikoanalyse steht.
Die Zukunft liegt im Zusammenführen der Themen Wirksamkeit in Abhängigkeit von zu erwartenden Epidemien, ökologischer Fußabdruck und Mitarbeiterschutz.
Stichwort Produkte: Bemerken Sie hier einen Trend der Hersteller zu „optimierten“ Reinigungsmitteln? Also z.B. „noch schnellere Einwirkzeit“, „geringerer Reiniger-Einsatz – gleiches Ergebnis“, „3 in 1“?
Der wohl wichtigste Trend ist aus meiner Sicht neben der Wirksamkeit der ökologische Fingerprint von Reinigung und Desinfektion. Im Lebensmittelbereich beschäftigen wir uns schon seit langem mit Faktoren wie Reinigungsmittelrückständen auf Oberflächen und Abwasserbelastung. Ein Beispiel hierfür ist das Verbot, Quaternäre Amoniumverbindungen (QAV) auf Lebensmittel berührenden Oberflächen zu verwenden, wenn deren rückstandsfreie Entfernung durch Abwaschen nicht nachweisbar ausvalidiert ist. Versuche haben gezeigt, dass diese Substanzen nach 5-maligem Nachwaschen mit Wasser noch immer auf Nirostaflächen nachweisbar sind. Ein Übergreifen derartiger Überlegungen in den medizinischen Bereich ist mit Sicherheit zu erwarten. Einträge in Grundwasser werden in Zukunft auch stärker bewertet werden. Das zeigen die aktuellen Diskussionen über PFAS und TFAS (sogenannte Ewigkeitschemikalien). Insofern sind Einsparungen und Zusammenlegen von Reinigungs- und Desinfektionsschritten neben der Bewertung der Chemikalien selbst in Zukunft sicher bedeutend.
Blick in die Zukunft: Was wird in Sachen Oberflächendesinfektion in Gesundheitseinrichtungen an Bedeutung gewinnen?
Die Zukunft liegt aus meiner Sicht im Zusammenführen der Themen Wirksamkeit in Abhängigkeit von zu erwartenden Epidemien (Thema Vogelgrippe), ökologischer Fußabdruck und Mitarbeiterschutz. Natürlich steht im medizinischen Bereich das Thema Wirksamkeit und Schutz des Patienten im Vordergrund. Die anderen zuvor genannten Themen werden aber in Zukunft mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen und in eine gesamtheitliche Risikobewertung Eingang finden.
Reinigungsroboter RobiDES
Autonome Reinigungs- und Desinfektionssysteme sind erst vereinzelt am Markt erhältlich. Bei diesen handelt es sich meist um große Gerätschaften, die vor allem für große Oberflächen wie Gänge, leere Operationssäle etc. eingesetzt werden können. Für den Einsatz in Patientenzimmern mit kompletter Zimmereinrichtung sind kleinere Systeme gefordert. Hier setzt das Forschungsprojekt RobiDES, unter Projektleitung des OFI, an. Mit diesem Forschungsprojekt soll es jetzt gelingen, Betriebe bei der Entwicklung innovativer autonomer Hygienesysteme zu unterstützen. Ziel des Projektes ist die Entwicklung von intelligenten, neuartigen, kleinen und handlichen, autonomen Hygienerobotern. Diese sollen eine maximale Materialverträglichkeit bieten und Infektionskeime auf Oberflächen deutlich reduzieren. Dazu wird der Einsatz unterschiedlicher Wirkungsmechanismen erprobt, so auch UV/LED. Im Rahmen von RobiDES wird ein Prototyp eines neuartigen autonomen Hygieneroboters zur Desinfektion von patientennahen und -fernen Oberflächen entwickelt.
Das Forschungsprojekt RobiDES wird von der FFG gefördert und im Rahmen des Programmes COIN KMU – Innovationsnetzwerke durchgeführt. Neben dem Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI), sind HYGline GmbH, Lumitech Lighting Solution GmbH, Markas GmbH und RobArt GmbH, im Projektkonsortium.