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„Genau das richtige Maß finden“

Das Thema Öffentliches Auftragswesen ist für die Unternehmen auch ein Lernprozess. Eine Lernkurve, die sich lohnt, wie Hannes Hofer, Geschäftsführer der Bundesbeschaffung GmbH, im Gespräch mit Christian Wolfsberg und Hansjörg Preims erklärt.

Herr Hofer, der 2009 von der BBG vollzogene Paradigmenwechsel von der Produkt- zur Händlerausschreibung für chemische Reinigungsmittel, -materialien und -maschinen ist nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Die Hauptkritik lautet, dass es ungleiche Wettbewerbsbedingungen gebe, indem der Händler, der als Clearing-Stelle fungiert und für die BBG fakturiert, als gleichzeitiger Mitbewerber von den anderen alles weiß, diese aber weder vom ihm noch voneinander etwas wissen – obwohl ihnen das angeblich versprochen worden sein soll. Was sagen Sie dazu?
Diese Befürchtung könnte es nur für die kommenden Ausschreibungen geben. Hier lautet ein Grundprinzip für uns als ausschreibende Stelle, dass wir ständig auch dazulernen wollen, an unseren Ausschreibungsstrategien arbeiten und sie auch verändern, wenn es dem Ziel dient, einen möglichst fairen und lauteren Wettbewerb durchzuführen – und natürlich auch für die Öffentliche Hand weiter Effizienz zu gewährleisten. Dass es gewisse Vorteile für jeden derzeitigen Lieferanten bei zukünftigen Ausschreibungen gibt, ist keine Besonderheit dieses Vertrages. Wir werden uns aber systematisch mit dem Thema beschäftigen und jede Art von Information und Inputs von Lieferanten, die während der Vertragslaufzeit zu uns kommen, in den Prozess der optimalen Ausschreibungsstrategie einfließen lassen. Wobei es im Sinne von möglichst fairen Wettbewerbsbedingungen für die Bieter sicher auch wichtig sein wird, sie mit den entsprechenden Informationen auszustatten, damit sie ein kalkulierbares Angebot abgeben können. Das ist die Ansage von unserer Seite.

Welche sind nun konkret die Vorteile der Händlerausschreibung gegenüber einer Produktausschreibung?
Unserer Erfahrung nach gibt es gerade im Bereich der chemischen Reinigungsmittel eine sehr starke Identifikation der Reinigungskraft mit bestimmten Herstellerprodukten. Daher erachten wir es nicht als sinnvoll, uns in einer Ausschreibung auf einen Hersteller zu fokussieren und in der Realität dann festzustellen, dass Produkte von diesem Hersteller nicht verwendet werden. Eine Händlerausschreibung dagegen bedeutet für unsere Kunden, dass sie aus einer Produktpalette unterschiedlicher Hersteller aussuchen können. Aber auch für die Hersteller hat das den Vorteil, dass viel mehr Hersteller ihre Produkte an die öffentliche Hand verkaufen können. Würden wir nur ein einziges Produkt für chemische Reinigungsmittel ausschreiben, wäre es für den, der die Ausschreibung gewinnt, natürlich optimal, für alle anderen aber schlimm, weil sie von diesem Markt ausgeschlossen würden.

Wann wird die nächste Händlerausschreibung der BBG für Reinigungsmittel, -materialien und -maschinen sein?
Der bestehende Vertrag läuft noch bis August 2013, Anfang 2013 wird bereits mit der Folgeausschreibung begonnen.

Öffentliche Aufträge können für kleinere Unternehmen sehr sprunghafte Umsatzentwicklungen bedeuten, sprich: einerseits große Auftragsvolumina, andererseits aber mit unbestimmtem Ablaufdatum bzw. unter Umständen nur für kurze Zeit – bis zur nächsten Ausschreibung. Wie gehen Sie damit um? Ist das nur etwas für Große?
Uns ist durchaus bewusst, dass wir mit 4,5 Millionen Quadratmeter Reinigungsfläche, die wir mittlerweile ausschreiben, eine sehr bedeutende Rolle als Anbieter einnehmen. Und würden wir die Aufgabe der BBG rein ökonomisch interpretieren, könnten auch wir zu der Lösung kommen wie viele sehr große Unternehmen, die nur einen einzigen Lieferanten haben wollen – und auch genau wissen, welche Unternehmen dafür in Frage kommen bzw. welche solche Volumina überhaupt bewältigen können. Aus Einkäufersicht gibt es aber zwei gute Argumente, warum wir das nicht machen. Erstens – bei einer gewissen Volumensgröße und entsprechender Nachfragemacht muss es ja das Ziel sein, auch nachhaltig kompetente Anbieter zu haben. Denn wenn wir in einem  Ausschreibungsverfahren permanent Bieter außen vor lassen, zerstören wir uns den Bietermarkt. Daran können wir als Einkäufer kein Interesse haben, wir wollen ja den Wettbewerb unter guten Bietern, damit diese dann automatisch zu einem guten Preis kommen. So sollte eigentlich jeder Einkäufer denken, egal ob im öffentlichen oder im privaten Bereich. Und bei uns kommt auch noch hinzu, dass wir als zentrale Beschaffungsstelle die Aufgabe, auch kleinere Betriebe zu berücksichtigen, sehr ernst nehmen. Deswegen schreiben wir auch sehr kleinteilig aus. Es ist zwar nicht jedes ausgeschriebene Gebäude ein eigenes Los, aber wir fassen Gebäude, die in einem gewissen Bereich beieinander liegen, so zusammen, dass auch kleine und kleinste Unternehmen mit anbieten können.

Laut KMU Forschung Austria scheuen sich Kleinbetriebe aber eher, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen – weil ihnen der administrative Aufwand zu groß sei, heißt es. Was sagen Sie dazu?
Als öffentlicher Auftraggeber haben wir die schwierige Aufgabe, einerseits faire Ausschreibungsbedingungen zu schaffen, auf der anderen Seite aber den administrativen Aufwand so gering wie möglich zu halten. Dazu muss man sagen: Den geringsten administrativen Aufwand hätte man bei einer direkten Auftragsvergabe an einen Lieferanten, für den man sich willkürlich entscheidet. Was aber einfach unfair wäre. Deswegen legt ja das Vergaberecht gerade auf die faire Auftragsvergabe so hohen Wert. Und das ist auch der große Unterschied zu einer privaten Auftragsvergabe, dass man sich bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht einfach einen bestimmten Lieferanten aussuchen kann, sondern dass es nachvollziehbare, durch das Vergabegesetz definierte Auswahlkriterien geben muss. Das bedeutet aber auch: Je fairer die Auswahlbedingungen definiert werden, umso aufwändiger sind die Ausschreibungsunterlagen und das Auswahlverfahren. Ein gewisser Aufwand ist also als Preis für die Fairness zu sehen. Wobei es unser Ziel ist, genau das richtige Maß zwischen einfacher Vergabe und fairer Vergabe zu finden. Das ist ein ständiges Suchen. Deshalb auch meine Botschaft an die Unternehmen, dass wir die Ausschreibungsunterlagen nicht leichtfertig so gestalten wie sie sind, sondern im Sinne größtmöglicher Fairness.

Die BBG vergibt nicht nach dem Billigstbieterprinzip, sondern bewertet den Preis nur mit 55, die Softfacts – die Qualität – mit 45 Prozentpunkten. Manche Mitbieter bemängeln allerdings die Nachvollziehbarkeit und Transparenz bei der Bewertung der Qualität. Wie erklären Sie sich das?
Das trifft aber nicht auf die BBG zu. Uns geht es um höchstmögliche Nachvollziehbarkeit der Bewertung. Die Bieter, die unsere Ausschreibungen kennen, sagen denn auch alle einhellig, bei der BBG seien diese Qualitätskriterien ganz klar quantifizierbar. Gibt es einen Objektleiter? Welche ISO-Zertifizierungen liegen vor? – das zum Beispiel sind ganz klare Kriterien, wofür ein Bieter Punkte bekommt oder nicht. Es ist bei uns nicht so wie bei einer Bewertungskommission, die darüber befindet, ob ein Angebot gut ist oder nicht, und keiner weiß, warum das so oder so abgegeben worden ist.

Haben Sie Tipps für die Dienstleister?
Grundsätzlich ist zu sagen: Das Thema Öffentliches Auftragswesen ist, um davon profitieren zu können, auch ein Lernprozess für die Unternehmen. Wer das erste Mal damit konfrontiert ist, kann es kompliziert finden, aber diese Lernkurve lohnt sich, denn man wird feststellen, dass die BBG eigentlich immer nach den gleichen Mustern und Schemen ausschreibt. Wir hören jedenfalls, dass die Unternehmen, die sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, durchaus Vorteile darin sehen. Und das ist auch für uns ermutigend.

Es gibt auch Kritik am Vergabegesetz, es tendiere sehr in Richtung „billig“, heißt es …
Die Tendenz, dass das Vergaberecht immer stärker nur in Richtung ökonomische Prinzipien geht, sehe ich nicht. Ich glaube vielmehr, dass das Vergabegesetz die Möglichkeiten für gute Ausschreibungen bietet. Wenn man verantwortungsbewusst ausschreiben will, dann kann man das auch tun. Wobei ich auch dazusage: Ein ökonomisch nachhaltig denkender Einkäufer ruiniert sich nicht seine Lieferanten, sondern denkt daran, dass der Bietermarkt bestehen bleiben muss.

Die BBG soll ja durch gebündelten Einkauf für die Republik Geld sparen. Wie hoch ist der Einsparungseffekt im Reinigungsbereich?
Bei einem Beschaffungsvolumen von 67 Millionen Euro, das wir im Reinigungsbereich im Jahr 2011 haben, weisen die Verträge der BBG allein im Reinigungsbereich eine Einsparung von 27 Prozent auf. Durchschnittlich können sich unsere Kunden 18 Prozent ihrer Beschaffungskosten einsparen, wenn sie Produkte und Dienstleistungen über die Verträge der BBG beschaffen. Wobei Einsparung auf mehreren Ebenen erzielt wird – gerade im Reinigungsbereich: einmal mit dem Preisvorteil durch Quadratmeter-Bündelung, aber auch dadurch, dass wir die Reinigungsqualität erhöht haben. Und zwar mit Qualitätskontrollen, die wir gemeinsam mit den Unternehmen durchführen und die dazu geführt haben, dass mit weniger Leistungsaufwand bzw. -einkauf eine höhere Reinigungsqualität erzielt wird. Diese Qualitätskontrollen führen auch zu mehr Transparenz sowie zu Rückmeldungen zu den Unternehmen, die dann auch viel gezielter zum Beispiel in Schulung investieren können. So können wir gemeinsam mit den Reinigungsunternehmen auch Produktivitätspotenziale erkunden und nutzen. Und nicht zuletzt ist dieser hohe Qualitätsanspruch auch das wirksamste Instrument gegen mögliche Dumping-Konkurrenz aus dem Ausland.

Die BBG wird immer größer, ursprünglich war es nur der Bund, dann durften auch Länder, Gemeinden und Bundes­institutionen bei der BBG einkaufen. Bedeutet das nicht auch immer weniger Wettbewerb bei öffentlichen Auftragsvergaben bzw. sollte es nicht auch hier mehr Wettbewerb geben?
Wir sehen uns gerade als öffentlicher Auftraggeber in einem permanenten Wettbewerb, auch mit Dienststellen, die selber Ausschreibungen durchführen. Denn die Gebietskörperschaften außerhalb des Bundes können ja frei entscheiden, ob sie die Dienstleistung der BBG nutzen, und sie zahlen auch etwas dafür. Wir bieten ihnen allerdings den Vorteil von vergaberechtskonformen und in jedem Fachbereich spezialisierten Ausschreibungsverfahren – auch im Reinigungsbereich –, sodass sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und betriebswirtschaftlich zu günstigeren Lösungen kommen können. Wir befinden uns aber auch im Wettbewerb mit Anwälten. Unser Ziel ist es, mit unseren Ausschreibungen eine Benchmark zu bilden. Wir geben hier ein gewisses Preisniveau für die Öffentliche Hand vor.

kommentare

Eine Antwort

  1. Anfangs drückte die BBG die Preise extrem. In den Ausschreibungen wurde ausdrücklich eine Reduzierung der bestehenden Preise um zumindest 20% verlangt. Andernfalls würde das Angebot vor jeder weiteren Überprüfung ausgeschieden.

    Als dadurch auch die Leistungsqualität extrem vermindert wurde, sich die Leistungsempfänger immer massiver beschwerten, hat die BBG nolens volens begonnen auch auf Qualität zu schauen. Die Preise waren im „Keller“ und blieben es.

    Als nächste Stufe wurden die Lieferanten mit „Dokumentationsaufgaben“ zusätzlich belastet, ohne der praktischen Möglichkeit, diesen Zusatzaufwand in die Preise einfließen zu lassen.

    Sehr große Firmen mit einer schon großen Administration konnten das einigermaßen verkraften. Kleinere Firmen verzichteten angesichts hunderte Seiten umfassenden Juristischen Ausschreibungstexten und riesigen, unübersichtlichen Exeltabellen überhaupt ein Angebot zu legen.

    Daraus ergab sich, das EINE Firma der Hauptlieferant wurde und damit auch die besten Kontakte zu Herrn H. Hofer pflegen konnte.

    Im Zuge der Objektbesichtigungen anlässlich von Ausschreibungen fiel mir auf, das in vielen von diesem Hauptlieferanten betreuten Objekten der Reinigungsgrad gravierend niedriger war als vogegeben und von der BBG von anderen Firmen eingefordert. In einigen Objekten haben die ansässigen Direktoren eine bessere Leistung eingefordert – diese Objekte wurden dann vom Hauptlieferanten nicht mehr oder zu einem stark erhöhtem Preis angeboten.

    Als „Vergabegrundlage“ wurde ein umfangreiches Punktesystem eingeführt. Mit einer anscheinend hohen Transparenz, weil man sich seine eigenen Punkte weitgehend selbst errechnen konnte. Dann gab es das Argument: >Sie haben zwar viele Punkte, aber die Firma „HRR“ (Fantasiebezeichnung) hat um einige Punkte mehr<. Wieso, wurde natürlich nicht transparent hergezeigt.

    Die BBG hat auch den Hauptlieferanten ausgiebig "gedrückt", was auch zu der flotten Absetzung das langjährigen Geschäftsführers beitrug.

    Herr H.Hofer spricht im Interview viel von Fairness und der Unterstützung der KMU's.

    Wie das zu verstehen ist, liest sich im vorletzten Absatz. Hier wird mit "Einsparungen" von 27% geworben!

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