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Die Wetter­interpreten

Ohne den Vorhersage-Service der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) wäre ein verlässlicher Winterdienst nicht denkbar. Wobei dieser Service nicht, wie viele glauben mögen, nur noch automatisiert abläuft, sondern immer noch hauptsächlich zwischen Mensch und Mensch.

Text: Hansjörg Preims

Klaus Stadlbacher
Klaus Stadlbacher, Leiter der Fachabteilung Wettervorhersage der ZAMG

Die Winterdienstleister sind eine der wichtigsten Kundengruppen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien. „Speziell im Winter ist es sogar die größte Kundengruppe, zumal es hier darum geht, die Kunden direkt durch einen Vorhersage-Meteorologen zu betreuen“, sagt Mag. Klaus Stadlbacher, Leiter der Fachabteilung Wettervorhersage der ZAMG. Das heißt, während viele andere Kunden automatische Produkte wie etwa Grafiken bekommen, spielt sich der Winterdienst hauptsächlich wirklich zwischen Mensch und Mensch ab, speziell – und als wichtigster Service – durch die ausgegebenen Schnee- und Glatteiswarnungen für den Raum Wien.

„Da ist überhaupt kein Automatismus dahinter“, sagt Stadlbacher, „sondern es wird vom diensthabenden Meteorologen, sobald er sicher ist, dass Schneefall zu erwarten ist – mit einem Zeitvorlauf von 6 bis 2 Stunden – eine entsprechende Warnung an die Kunden verschickt. Die Warnung selbst wird per Fax und Email geschickt. Zusätzlich erhalten die Kunden per SMS die Information, dass die Warnung verschickt worden ist.“ Weiters gibt es dazu auch den Service einer Voice Mail, wo man über Handy den Inhalt der Warnung von einer automatischen Stimme vorgelesen bekommt.

Für diese Akut-Warnungen ist Wien in fünf Bereiche unterteilt, und für jeden Bereich wird angegeben, welche winterdienstrelevante Erscheinung zu erwarten ist, von wann bis wann das Ereignis dauert und ob es durchgehend ist oder ob mit Unterbrechungen gerechnet werden kann. Zusätzlich wird in der Warnung gegebenenfalls auch über Glatteis oder Schneeglätte, Schneematsch oder – wenn es starken Wind gibt –Schneeverwehungen informiert.

Schulungen zur Verbesserung des Verständnisses

„In vielen Fällen gibt es, nachdem die Warnung angekommen ist, auch telefonische Rückfragen, sodass mit den meisten Kunden dann auch noch persönlich am Telefon gesprochen wird“, so Stadlbacher. Das könne zwar auch eine gewisse Hektik auslösen, da in der Zeit eines Wetterereignisses eben viele gleichzeitig anrufen würden, aber es habe sich gezeigt, dass das persönliche Gespräch inhaltlich am meisten bringe und man auf diese Weise die Situation am besten erklären könne. „Wobei die Kunden auch unterschiedlich meteorologisch vorgebildet oder interessiert sind“, sagt Stadlbacher, „es gibt eine relativ hohe Bandbreite an Vorwissen.“ Ein Hobbymeteorologe verstehe die Informationen natürlich besser, einem anderen erkläre man die Wettersituation eben noch etwas genauer.

Als nicht unwesentlichen Punkt der Kundenbetreuung wird den Kunden weiters angeboten, direkt in die Vorhersagezentrale zu kommen, um sich schulen zu lassen, sprich: es wird ihnen genauer erklärt, was sie zu erwarten haben und auch wo die Unsicherheiten liegen. Das, so Stadlbacher, verbessere das gegenseitige Verständnis – „was umso wichtiger ist, als es ja um meteorologische Prognosen geht, die immer auch mit gewissen Unsicherheiten verbunden sind, Unsicherheiten, die wir natürlich so klein wie möglich halten wollen.“

Vorhersage-Präzision je nach Wetterlage

Wie genau sind nun die Wettervorhersagen möglich? Wo sind die Grenzen des Mach- bzw. Vorhersagbaren am Beispiel Wien? Stadlbacher: „Es mag banal klingen, aber die Präzision der Vorhersage hängt von den unterschiedlichen Wetterlagen ab. So gibt es in Wien, was Schneefälle betrifft, zwei klassische wetterbestimmende Phänomene: Das eine ist eine Kaltfront vom Westen her, wo man schon recht lange vorher Schneefälle auf Wien zukommen sieht, die dann sehr oft Schauercharakter haben. Der andere Fall ist das, was man als Vb-Wetterlage („V“ = röm. 5) bezeichnet, wo sich im Bereich des Golfs von Genua ein Tief bildet, das dann um die Alpen herum nach Norden – Nordosten zieht und dadurch für starke Schneefälle im Osten von Österreich und speziell auch in Wien sorgen kann. Während man also bei einer vom Westen her kommenden Kaltfront ziemlich genau und auch von Timing her sehr gut Vorhersagen treffen kann, wird bei Vb-Wetterlagen vom Süden her eine präzise Vorhersage für Wien schwieriger, weil es sehr stark davon abhängt, wie die tatsächliche Zugrichtung des Tiefs verläuft. Das Zentrum kann direkt über Wien oder auch 30-40 Kilometer weiter östlich vorbeiziehen, sodass in manchen Fällen Wien dann fast gar nicht betroffen ist.“ In einem Extremfall im letzter Winter sei es genau so gewesen: „In Ungarn gab es massive Schneefälle mit großen Verkehrsproblemen auf der Autobahn, und das Niederschlagsfeld hat am Ostrand von Wien geendet. Und es so genau vorherzusagen, dass die Westslowakei und Westungarn stark betroffen sind, aber Wien überhaupt nicht – das geht, wenn überhaupt, zeitlich nur ganz knapp bzw. bestenfalls 1-2 Stunden vorher.“ In dem Fall bleibe man prognostisch dann eben auf der sichereren Seite beziehungsweise kündige diese Schneefälle für Wien an, unter Umständen mit dem Hinweis, dass es nicht 100-prozentig sicher sei. „Bei diesen Wetterlagen vom Süden her ist also noch eine gewisse Unsicherheit gegeben, an der sich in absehbarer Zeit auch nicht all zu viel ändern wird.“ Selbst für den Meteorologen sei es nicht einfach dies genau einzuschätzen, so Stadlbacher. Im letzten Winter habe es ja überdurchschnittlich viele von diesen Wetterlagen gegeben, weshalb die Prognosen viel schwieriger gewesen seien als zum Beispiel für den Winter ein Jahr davor.

Temperatur besser vorhersagbar als Niederschlagsmengen

Prognostische Probleme kann es auch im Temperaturbereich von Null Grad geben. Denn hier machen ein oder zwei Grad mehr oder weniger schon den Unterschied aus, ob es schneit oder regnet. „Man weiß zwar, dass es den Niederschlag geben wird und auch wie viel es sein wird, aber es ist dann manchmal nicht ganz so leicht abzuschätzen, ob es wirklich Schnee sein wird. Meistens weiß man, ob es Regen oder Schnee ist, aber es gibt eben Grenzfälle, wo dies auch in einer kurzfristigen Prognose etwas unsicher sein kann“, so Stadlbacher. Diese Restunsicherheit habe man aber relativ gut im Griff. „In der Regel ist es so, dass man mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit  zum Beispiel sagen kann, dass es zwischen 14 und 20 Uhr 5-10 Zentimeter schneit, es gibt aber eben auch Tage, wo man das nicht ganz so sicher sagen kann.“ Dann werde es eben so kommuniziert, dass Schneefall „sehr wahrscheinlich“ sei, dass es aber auch regnen könne.

Wobei von den Größen her die Vorhersage der Temperatur viel leichter und besser möglich ist als der die präzisen Niederschlagsmengen. Stadlbacher: „Bei den Niederschlagsmengen hilft uns dann ein bisschen, dass es ab einer bestimmten Menge nicht mehr so wesentlich ist, ob es im Detail dann etwas weniger oder mehr ist, zum Beispiel ob es 10, 12 oder 15 Zentimeter Schnee sind. Deswegen wird der Niederschlag auch in Kategorien angegeben – leichte Belagsbildung bis 2 Zentimeter Schneehöhe, mittlere von 2-5 sowie 5- 10, 10-15 oder mehr als 15 Zentimeter.

Vorhersagequalität stark verbessert

Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial bei der Wettervorhersage? ZAMG-Experte Stadlbacher: „Zum einen konnte die Vorhersagequalität bereits in den letzten Jahren dadurch gesteigert werden, dass die Qualität der Modellrechnungen – berechnete Zustände der Atmosphäre in der Zukunft –, die dem diensthabenden Meteorologen als Unterlage dienen, stark verbessert wurde. Die Aufgabe des Meteorologen ist es, diese Modellrechnungen zu interpretieren und zu erkennen, was das im Spezielen für Wien bedeutet und welche Niederschlagsmengen man erwarten kann. Und hier gab es große Fortschritte, eben aufgrund der verbesserten Qualität dieser Modellrechnungen.“ Noch vor fünf Jahren habe man zum Beispiel die Zugbahnen der Vb-Tiefs vom Süden her noch viel unsicherer vorhersagen können als heute. Zum anderen komme vom Meteorologen selbst her Verbesserung durch Erfahrung, sprich: „Wenn jemand diesen Job schon lange macht und viele Winter in Wien und viele verschiedene Situationen erlebt hat, lernt er einfach persönlich daraus“, so Stadlbacher. Und nachdem die Letztentscheidung über das Verschicken von Warnungen beim Meteorologen bleibe, sei seine Erfahrung das einzige, was hier den Fortschritt bringe. „Viele glauben, man könne alle diese Dinge automatisieren und man brauche bei der Vielzahl an Modellen, die es gibt, den Menschen gar nicht mehr dazu. Aber gerade im Winterdienst – wie übrigens auch im Sommer die Gewittersituationen betreffend – geht es ohne den Menschen und seine Erfahrung nicht“, betont Stadlbacher. Und das werde sich auch nicht so rasch ändern.

Bedarfsorientierte Service-Pakete

Die Hauptkomponenten eines klassischen ZAMG-Service-Pakets für Winterdienstkunden sind

  • eine 5-Tage-Prognose (Modul 1), die einmal am Tag – klassisch zur Mittagszeit – ausgegeben wird und die den restlichen aktuellen Tag plus die nächsten fünf Tage beschreibt – quasi als Vorinformation, um auch etwas längerfristiger planen und entsprechend tätig werden zu können;
  • Akutwarnungen vor Schnee bzw. Glatteis (Modul 3), die immer dann ausgegeben werden, wenn konkret etwas bevorsteht bzw. man sich sicher ist, dass ein bestimmtes Ereignis eintreten wird, sowie
  • ein Internetzugang zum sogenannten „Wetterportal“ (Modul 2), in dem für den Kunden der aktuelle Wetterzustand auch flächig dargestellt wird.

„Die Module 1 und 3, also die 5-Tage-Vorschau und die Akutwarnungen, sind die Komponenten, die praktisch alle in Anspruch nehmen“, so Stadlbacher, „viele finden damit auch das Auslangen.“ Aber auch der Internet-Zugang zum „Wetterportal“ werde genützt. „Dieses Portal beinhaltet Informationen über die Temperaturverteilung, die Niederschlagsmenge und, ebenfalls sehr wichtig, die Niederschlagsart – Regen, Schnee, Schneeregen oder gefrierender Regen“, erklärt Stadlbacher. „Darüber hinaus sieht man in diesem Portal den aktuellen Wetterzustand, den Zustand einige Stunden zurück plus eine Vorhersage für die nächsten 4-5 Stunden. Man kann erkennen, wie groß die Niederschlagsfelder sind, wie lange das Schneeereignis dauern wird, wie weit die Niederschlagsfelder noch weg sind und wie sie sich bewegen.“ Allerdings sei es für die Nutzung eines solchen Portals erstens notwendig, die Nutzer einzuschulen, und zweitens mache dies eher nur für jene Winterdienstleister Sinn, „die von der Organisation her zentrale Steuerungsmöglichkeiten haben, sich auch zusätzlich etwas tiefgehender für das Wetter interessieren und auch die entsprechende Zeit haben, sich intensiver damit zu beschäftigen“, so Stadlbacher. Ohne spezielles Interesse oder ohne detaillierte Ahnung vom Wetter zu haben, bringe das „Wetterportal“ wahrscheinlich nicht unbedingt die gewünschten Zusatzinformationen.

Zusätzlich kann speziell für den Bedarf von Kunden mit besonderen Anforderungen, wie zum Beispiel der MA 48, zeitlich hochfrequente Wetterinformation – bis zu sechsmal am Tag – in Form eines „Winterdienst-Bulletins“ geboten werden, wo die Stadt Wien wiederum in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist: wie z.B. Innenstadtbereich, Bezirke nördlich der Donau usw. Für jeden dieser Bereiche wird für die nächsten Stunden angegeben, ob Schneefall zu erwarten ist, mit welcher Neuschneehöhe in etwa zu rechnen ist und ob der Schneefall durchgehend oder unterbrochen sein wird. Für kleinere Winterdienstfirmen ist das aber meist nicht so relevant, weil diese nicht 24 Stunden, sondern erst in der Früh räumen müssen.


„Service vom ersten bis zum letzten Schnee“

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien ist zuständig für Wien, Niederösterreich und das Burgenland. Darüber hinaus werden über Außenstellen in Innsbruck (für Tirol und Vorarlberg), Graz (für die Steiermark), Klagenfurt (für Kärnten) und Salzburg (für Salzburg und Oberösterreich) auch österreichweit Winterdienstkunden betreut. Die Betreuungs-Saison in Wien läuft im Normalfall von 1.November bis 31.März oder 15. April, kann aber auch verlängert werden oder früher beginnen denn: „Im Oktober oder im April passiert zwar selten etwas, aber sollte es – und das gilt für alle unsere Kunden – schon im Oktober oder noch im April schneien, wird das Informations-Service ohne zusätzliche Kosten einfach ein paar Tage früher gestartet oder um einige Tage verlängert“, sagt Mag. Klaus Stadlbacher, Leiter der ZAMG-Abteilung Wettervorhersage. „Das wird auch entsprechend dankbar angenommen. Es hängt aber auch von den Verträgen der Dienstleistungsfirmen mit ihren Auftraggebern ab, denn bei manchen beginnen die Verträge erst am 1.November, unabhängig davon, was vorher passiert. Von unserer Seite werden aber alle vom ersten bis zum letzten Schnee serviciert“, so Stadlbacher.


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