schlusspunkt

Der gefühlte Unterschied

Warum die Professionalität der Reinigung im Norden höher ist als im Süden.

Andreas Lill
Andreas Lill

Ohne es mit konkreten Zahlen belegen zu können, glaube ich, dass es ein Nord-Süd-Gefälle in Europa gibt, was die Professionalität der Dienstleistung Reinigung betrifft. Speziell in Skandinavien, aber auch in Österreich und Deutschland, die ich zum Norden dazuzähle, geht es in der Reinigung professioneller zu als in Ländern des Südens wie Spanien, Italien, Griechenland oder Portugal. Das liegt meiner Meinung nach vor allem auch daran, dass es im Süden Europas noch viel mehr kleine und Kleinstbetriebe gibt als im Norden. Und die größeren Betriebe sind professioneller organisiert als die 1- oder 10-Mann-Betriebe. Zum Beispiel in Frankreich, Italien und Spanien gibt es jeweils über 20.000 Reinigungsfirmen, in Deutschland, der größten europäischen Volkswirtschaft, nur 17.000. England hat mit 14.500 ein Drittel weniger Reinigungsfirmen als die Südstaaten. Daran sieht man indirekt schon den Unterschied.

Darüber hinaus hat es sicher auch mit dem Stellenwert, dem Ansehen der Reinigung zu tun. Dieses Ansehen ist grundsätzlich überall kein besonders gutes, aber ich glaube, dass es im Norden, gerade in den skandinavischen Ländern, etwas mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht als im Süden, was sicher auch mit der vermehrten Tagreinigung zu tun hat. Laut den Zahlen des letzten europäischen statistischen Überblicks des EFCI1 liegt die Tagreinigung in Norwegen bei 80%, in Finnland bei 75% und in Schweden bei 70%. Das heißt, die Menschen sehen öfter, gewollt oder ungewollt, Reinigungstätigkeiten während ihres Berufslebens, und das ist, je weiter man in den Süden schaut, immer weniger der Fall, weil dort meistens noch früh morgens oder spät nachmittags gereinigt wird.

Zum einen also würde ich höhere Professionalität mit höherer Akzeptanz in der Bevölkerung in Verbindung bringen. Zum anderen aber auch mit besserer Arbeitsorganisation innerhalb der Unternehmen, eventuell auch derselben Reinigungsleistung mit weniger Menschen. Aber auch das, ohne es mit Zahlen untermauern zu können. Wenn die Reinigungskräfte durch Tagreinigung länger im Kunden-Unternehmen sind, braucht es auch weniger Kräfte für dieselbe Tätigkeit bzw. weniger können mehr Stunden machen. Und das erhöht auch die Attraktivität der Branche. Denn leider ist es oft so, dass Reinigungskräfte, die nur zwei Stunden morgens und zwei spät nachmittags arbeiten, die Branche wechseln, sobald sie etwas besseres im Sinne von etwas Längerfristigem bekommen und mehr Stunden am Tag arbeiten können. Da müsste die Branche handeln, zumal der geografische Wandel auch bei uns ankommen wird. In der Reinigungsbranche dauert das ein bisschen länger, weil die Arbeitskräfte eher geringfügig qualifiziert sind und es davon noch genug gibt, aber das wird nicht mehr lange so sein. Beispiel Norwegen: Dort werden mit Abstand die höchsten Löhne bezahlt, aber nicht nur, weil das Lohnniveau dort generell höher ist als etwa in Italien, sondern auch, weil die Firmen sonst keine Leute mehr finden. Insofern spielt die Demografie auf lange Sicht sicher eine Rolle, die von den Betrieben jetzt schon bedacht werden sollte.

Professionalität hat natürlich auch mit dem Einsatz von modernen Maschinen zu tun – wobei man aber nicht behaupten könnte, dass im Norden modernere Maschinen eingesetzt würden als im Süden. Es wird wohl die Kombination der genannten Faktoren sein, die den Unterschied ausmacht.

1 The Cleaning Industry in Europe, an EFCI survey, Edition 2012 (data 2010). Die Studie kann bei der European Federation of Cleaning Industries für 180 E erworben werden unter: EFCI/FENI, Rue de l’Association 27, 1000 Brussels, Belgium, www.efci.eu 


Andreas Lill ist Direktor des Europäischen Dachverband der Reinigungsbranche – EFCI, Brüssel


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