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„Es geht auch um faire Entlohnung“

Das AMS hätte wesentlich weniger Probleme, Stellen zu besetzen, wenn es Tagesreinigung wäre. Sagt Martin Sobotka, Abteilungsleiter des AMS-Service-Center im 22. Bezirk, im Interview zum Thema Reinigung und Arbeitsmarkt.

Reinigung aktuell: Herr Sobotka, Ihre Abteilung betreut unter anderem auch alle Reinigungsfirmen in Wien? 

Martin Sobotka: Ja, überall, wo Bedarf an Personal besteht, gehen meine Mitarbeiter zu den Betrieben und Kunden und akquirieren offene Stellen, wir inserieren auf unserer AMS-Homepage und schauen natürlich in unserem Bestand nach, möglichst geeignetes Personal zu finden. Wir organisieren auch Jobbörsen in den Betrieben, oder Firmen kommen zu uns und suchen mit uns Mitarbeiter direkt vor Ort aus, die wir einladen. Wir versuchen natürlich auch noch, Förderungen anzubieten. 

Reinigung aktuell: Es ist ja oft so, wenn Aufträge wechseln, dass die Arbeitnehmer dann quasi nur mehr die Bekleidung wechseln, also der Auftraggeber ist ein anderer, aber das Personal bleibt das gleiche. Aber wie ist bei Ihnen das Procedere in den Fällen, wo das Personal tatsächlich freigesetzt wird?

Sobotka: Diese Personen melden sich bei uns arbeitslos, wir fragen, wo und was genau sie gearbeitet haben – Unterhaltsreinigung, Sonderreinigung, Fensterreinigung oder Sonstiges –, das wird dann kategorisiert, und dann wird sofort ab dem ersten Tag versucht, eine offene Stelle zu finden oder gleich mit der Person etwas Passendes zu besetzen. 

Reinigung aktuell: Wie oft gelingt das?

Sobotka: Bei Vollzeitbeschäftigung können wir eine Stelle sehr rasch besetzen. 

Reinigung aktuell: Das AMS hat also keine Probleme, für Leute, die Reinigungsarbeit suchen, eine Stelle zu finden?

Sobotka: Es gibt immer wieder Probleme in speziellen Nischen bzw. mit speziellen Stundenzahlen. Alles, was Vollzeit oder Tagesreinigung ist, ist ganz einfach zu besetzen, aber wo es um geteilte Dienste geht, insbesondere von 6 bis 9:30 und dann wieder von 16 bis 18:30 Uhr, da wird es schon schwieriger. Da stoßen wir natürlich auch an unsere Grenzen, schnell oder rasch zu besetzen. Oder Urlaubsvertretungen zum Beispiel. Im Sommer, wenn die StammarbeiterInnen auf Urlaub gehen, bekommen wir Aufträge, wo es heißt, man brauche für 2 Monate eine Urlaubsvertretung – manche Firmen brauchen sogar 50 Urlaubsvertretungen. Und da kann es sich, wenn es nicht rechtzeitig angemeldet wird, schwierig gestalten. Denn mit 15 Wochenstunden ist leider jemand mit einer geringfügigen Beschäftigung und einem etwaigen Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe-Bezug finanziell besser dran.

Reinigung aktuell: Das heißt, Tagreinigung wäre optimal?

Sobotka: Die Tagesreinigung wäre natürlich etwas, das wir uns wünschen würden, weil es für alle Beteiligten viel einfacher ist. Man sieht bei großen Ausschreibungen in der Unterhaltsreinigung, gerade wenn es Ministerien und sonstige Institutionen sind, dass sie die Tagesreinigung nicht ausschreiben. Wir hier im Haus des AMS in der Wagramerstraße haben die Tagesreinigung und möchten damit auch zeigen sowie auch andere AMS-Häuser überzeugen, dass es funktioniert, sprich: dass dass man das logistisch auch so aufbauen kann, dass die Reinigungskraft uns nicht stört und wir sie bei der Arbeit nicht stören. Wir hätten wesentlich weniger Probleme, Stellen zu besetzen, wenn es Tagesreinigung wäre. 

Reinigung aktuell: Vielfach wird von den Unternehmen geäußert, die Mindestsicherung sei quasi eine soziale Hängematte, welche die Leute vom Arbeitsmarkt abhalte. Was sagen Sie dazu? Sie haben ja auch selbst gerade gesagt, wenn wenige Stunden angeboten werden, werde es schwierig.

Sobotka: Die Mindestsicherung beträgt 890 Euro, und ich kenne niemanden, der von 890 Euro gut leben kann. Es geht um faire Entlohnung, denn sobald fair und gut entlohnt wird und der Arbeitsplatz ein guter ist, gehen die Menschen auch gerne arbeiten, davon bin ich überzeugt. Geld ist nicht mehr alles, das hat sich verändert, viele Unternehmen arbeiten jetzt mit Freizeitangeboten, und die Leute nehmen das auch gerne an, zum Beispiel zeitliche Flexibilität. Aber Entlohnung ist natürlich ein großer Punkt, und wenn es von einem Kollektivvertrag bis zur Mindestsicherung nicht mehr viel Unterschied macht, dann wird es natürlich schwierig. 

Reinigung aktuell: Thema Behindertenausgleichstaxe: Die Unternehmen ärgern sich, dass das eine Kopfsteuer ist, die bei großen Betrieben irre Beträge ausmacht. Was sagen Sie dazu?

Sobotka: Pro 25 Mitarbeiter eine Behindertenplanstelle, das ist für Unternehmen mit 4000 – 5000 Mitarbeitern natürlich immens viel. Da muss man sich auch fragen, ob es überhaupt so viele geeignete Menschen mit Behinderung am Markt gibt. Aber hier bedarf es auch noch ganz viel Aufklärungsarbeit. Denn es gibt in vielen Unternehmen noch immer irrtümlich die Meinung, dass sie, wenn sie einen behinderten Menschen einstellen, diesem nicht mehr kündigen können. Faktum ist: Begünstigt behinderte Personen mit einem Feststellbescheid haben einen erhöhten Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass das Unternehmen vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung des Behindertenausschusses beim Sozialministeriumservice einholen muss. Wurde der Bescheid vor Antritt des Dienstverhältnisses gelöst, tritt der Schutz nach 4 Jahren in Kraft, wird der Bescheid nach Antritt des Dienstverhältnisses gelöst so tritt der Schutz nach 6 Monaten in Kraft. Der Kündigungsschutz wirkt nicht während der ersten 6 Monate, bei Auslaufen eines befristeten Dienstverhältnisses, bei Kündigung durch die Dienstnehmerin, durch den Dienstnehmer bzw. vorzeitigem Austritt, bei einvernehmlicher Auflösung sowie bei fristloser Entlassung. Aber wir können gut fördern, wir können Lohnzuschüsse leisten, wenn man eine Person mit Behinderung einstellt. Wir wollen einfach aufzeigen, dass Menschen mit Behinderung viel Wertvolles am Markt leisten können.

Reinigung aktuell: Von welchen Behinderungen sprechen wir hier?

Sobotka: Landläufig stellt man sich da immer jemanden vor, der nicht mobil ist, zum Beispiel Rollstuhlfahrer, oder Menschen mit extremer Seh- oder Hörschwäche, also blind oder taub, oder mit nur einem Arm. Dabei gibt es eine Vielzahl anderer Behinderungen, Zuckerkrankheit zum Beispiel und alles Mögliche, das dazu beiträgt, die relevanten Prozente an Behinderung zu erreichen, wo die Betroffenen aber bis zum Pensionsantritt arbeiten können. Solche Fälle gibt es x-fach. Und wir bieten da sehr viel an, indem wir mit Unternehmen diese Personen aussuchen, wir laden Unternehmen zu uns ein, oder Personen stellen sich in Unternehmen vor und sprechen mit ihnen darüber, was möglich ist und was nicht. Es gibt Arbeitsassistenzen, die helfen, den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass es funktionieren kann. Jedenfalls ist uns ganz wichtig, hier Aufklärungsarbeit zu leisten.

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