„Entscheidend ist, dass wir nicht nur im Umsatz wachsen, sondern vor allem auch im Sinne der Qualitätsführerschaft.“ Sagt Alexander Kraus, Vorstand des VSÖ – Verband der Sicherheitsunternehmen Österreichs, im Interview mit Reinigung aktuell.
Reinigung aktuell: Fangen wir mit der Branche im Generellen an. Wie geht es der Security-Branche?
Alexander Kraus: Na ja, durchwachsen. Sieht man sich die Zahlen der gesamten Branche an, stellen wir nach wie vor fest, dass Sicherheit ein gefragtes Themengebiet in allen Organisationen ist. Somit sind wir sehr differenziert aufgestellt. Aber, und so ehrlich müssen wir sein, in Zeiten wie diesen, und das mussten wir auch schon in den letzten Jahren beobachten, ist die Branche sehr getrieben von Preisentscheidungen auf der Kundenseite. Und das hilft uns gerade nicht, wenn wir im VSÖ versuchen, uns entsprechend durch Qualität zu positionieren.
Reinigung aktuell: Welche Auswirkungen hatte die Pandemie? Wir haben von Security-Dienstleistern, die mehrere Segmente abdecken, gehört, dass die Situation damals eine sehr gute war, weil man Ausfälle in einem Sektor durch einen anderen Dienstleistungssektor habe ausgleichen können. Wie war das bei Ihnen?
Kraus: Bei G4S war es ähnlich. Wir haben natürlich aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und Kundensegmenten auf der einen Seite die Angebote des Staates nutzen müssen, um die Beschäftigten in Beschäftigung zu halten – Flughäfen wären hier als Beispiel zu nennen oder auch Museen, die geschlossen worden sind – dort konnten wir das Personal nur durch Kurzarbeit halten. Andererseits konnten wir die geänderten Anforderungen auch nutzen, insbesondere dort, wo unsere Dienstleistung in den systemkritischen Infrastrukturen gefragt war, wie in den Spitälern oder Teststraßen. Obwohl wir während der Pandemie als österreichweit in unterschiedlichen Segmenten tätiges Unternehmen Einbußen bis zu einem gewissen Grad ausgleichen konnten, war dies keinesfalls vollständig möglich.
Reinigung aktuell: Und die Branche ist jetzt wieder auf Kurs?
Kraus: Wir sind als Branche und auch als Unternehmen wieder auf Kurs, aber mit einer ordentlichen Delle nach Covid. Die Rückkehr in einen Normalbetrieb hat gedauert, aber mittlerweile können wir wieder Wachstum im Umsatz verzeichnen, der jedoch auch geprägt ist von steigenden Personalkosten, die wir natürlich weitergeben müssen. Wir hatten in den letzten Jahren auch gegen Ende der Pandemie schon relativ hohe Lohnabschlüsse zu verdauen, und diese beeinflussten auch den Umsatz. Entscheidend ist jedoch, dass wir nicht nur im Umsatz wachsen, sondern vor allem auch im Sinne der Qualitätsführerschaft, die wir im VSÖ gemeinsam mit den größten privaten Sicherheitsunternehmen tragen, zurück auf Kurs kommen, und auch in den Ausschreibungen Qualität wieder als wesentliches Kriterium finden.
Reinigung aktuell: Ist die Sicherheitsbranche auch in der unabhängigen Schiedskommission bei öffentlichen Ausschreibungen involviert?
Kraus: Ja, auch für die Sicherheitsbranche erstellt die unabhängige Schiedskommission Gutachten zu Preisgleitklauseln in öffentlichen Aufträgen und Verträgen und nutzen wir diese, wenn möglich, auch zur Vereinbarung von Wertsicherungen in privatrechtlichen Verträgen.
Reinigung aktuell: Das heißt, die Herausforderungen sind auf der einen Seite in der Preisschiene zu finden und auch im Personalbereich?
Kraus: Beides. Wir befinden uns derzeit in einer strukturell bedingten Rezession, und man sieht schon, dass der Personalbedarf etwas leichter zu decken ist. Das ist aber auch geprägt von einem sehr starken West-Ost-Gefälle. Im Osten haben wir in den städtischen Räumen eine höhere Arbeitslosenrate, und oftmals ist es schon so, dass Menschen, die erstmals in Österreich einer Beschäftigung nachgehen, auch eine Integration und einen Einstieg in ein geordnetes berufliches Leben bei uns finden. Im Westen hingegen – Salzburg, Tirol, Vorarlberg – sind wir mit einem ganz anderen Umfeld konfrontiert; dort herrscht in Wahrheit Vollbeschäftigung. Und gerade jetzt in den Wintermonaten und dem Start der Wintertourismus-Saison ist der Personalbedarf bei uns gleichbleibend hoch, es ringen jedoch mehrere Betriebe oftmals um die gleichen potenziell verfügbaren Beschäftigten. Der Preis ist ein großes Thema, insbesondere weil natürlich auch Kundinnen und Kunden durch die Preisspirale getrieben sind und versuchen, in der eigenen Lieferkette einzusparen. Das wiederum führt oftmals zu Neuausschreibungen, die dann stärker auf den Preis fokussieren zu Lasten der Qualität.
Reinigung aktuell: Was würden Sie sich wünschen für die Branche? Was wäre für die Branche gut?
Kraus: Da gibt es einiges. Man darf sich vor allem auch in Richtung Politik das wünschen, was wir seit Jahrzehnten fordern, nämlich ein Bewachergesetz oder eine Novelle der Gewerbeordnung, wie auch immer die rechtliche Verankerung schlussendlich ausgestaltet wird. Wir müssen Branchenstandards, die in vielen Ländern der Europäischen Union heute schon Gang und Gäbe sind, auch in Österreich umsetzen, sodass Mindestqualifikationen und definierte Standards österreichweit einheitlich von allen Branchenteilnehmerinnen und Branchenteilnehmern verpflichtend einzuhalten sind.
Reinigung aktuell: Und das, obwohl Österreich als überbürokratisiertes Land gilt? In der Bewachungsbranche ist das nicht so?
Kraus: Wir haben schon auch unsere bürokratischen Hürden. Wenn wir beispielsweise an die notwendigen Zuverlässigkeitsüberprüfungen denken, die aktuell von den einzelnen Bundesländern durchgeführt werden – hier würden uns ein gesamtösterreichischer Zugang und einheitliche Standards jedenfalls helfen. Das würde aus meiner Sicht auch mit einer Entbürokratisierung möglich sein. Viele Prozesse und Dienstleistungen, die sich heute in einem Bürgerservice wiederfinden, wurden standardisiert. Für Unternehmen gibt es da aus meiner Sicht schon noch Nachholbedarf. Auch hierfür brauchen wir eine gesetzliche Grundlage. Die Forderung nach einem Bewachergesetz ist bereits eine langjährige, die nach wie vor auf Umsetzung wartet.
Reinigung aktuell: Woran liegt das?
Kraus: Das müssen Sie die Politik fragen. Wir haben einige Legislaturperioden erlebt, in denen auch in den Regierungsprogrammen die Forderungen bereits verschriftlicht waren. Es gab also schon eine Einigung über eine entsprechende Notwendigkeit, aber es ist eben nicht zur Umsetzung gekommen. Ich hoffe und ich glaube fest daran, dass es jetzt soweit sein wird. Es gibt Fortschritte, es gibt Gespräche, zu denen auch der VSÖ eingeladen ist, seine Expertise einzubringen. Als G4S und als VSÖ wünschen wir uns die rasche Umsetzung dieser Mindeststandards.
Reinigung aktuell: Die Reinigungsbranche ist ja ein Handwerk, zwar mit wenig Lehrlingen, aber zumindest mit Prüfungen und Meisterprüfungen. Ist das in der Bewachung auch so?
Kraus: Nein, das haben wir in der Bewachungsbranche nicht. Es gab einmal die Idee, soweit ich das jetzt aus der Geschichte kenne, einen Lehrberuf zu etablieren. Dazu ist es bis dato nicht gekommen. Ich glaube, wenn wir den ersten Schritt einmal gehen und für unser Personal Mindestqualifikationsstandards festschreiben, dann ist der Nährboden gegeben, auch mehr daraus zu machen. Zunächst ist es jedoch wichtig sicherzustellen, dass Mindestqualifikationen, zu denen sich die VSÖ-Mitgliedsunternehmen bereits heute verpflichten und sich freiwillig auf deren Basis zertifizieren lassen, zum branchenweiten Standard werden.
Reinigung aktuell: Das Bewachergesetz wäre der eine Wunsch, und weitere?
Kraus: Als VSÖ wünschen wir uns auch einen stärkeren Fokus auf Qualitätskriterien in Ausschreibungen, wie wir dies in anderen Ländern Europas sehen. Es gibt öffentliche Ausschreibungen, die zu 100% auf den Preis abstellen. Selbst wenn in einer Ausschreibung zu 80% der Preis zählt und nur 20% auf die Qualität entfallen, ist der Qualitätsanteil noch immer gering. Ich würde mir wünschen, dass wir à la longue die Gewichtung der Zuschlagskriterien umdrehen – 20% Preis, 80% Qualität. Dann würden wir auch dem gerecht, was die Branche letztendlich braucht. Der Fokus auf Qualität erhöht auch das Ansehen in der Öffentlichkeit.
Reinigung aktuell: Wie wäre diese Qualität objektiv darstellbar?
Kraus: Ich denke, auch da kann man natürlich lange diskutieren. Es gibt auf der einen Seite viele Zertifizierungen, die heute in Europa Standard sind, ISO-Zertifizierungen und EN-Normen, die Sie heute etwa für Notrufzentralen und für die systemkritische Infrastruktur finden. Und gleichzeitig, denke ich, braucht es auch einen Blick darauf, wie tatsächlich das Geschäft in den jeweiligen Ländern, nämlich in dem Fall in Österreich, gelebt wird. Werden Auffälligkeiten festgestellt, zum Beispiel Unternehmen, die Lohn- und Sozialdumping betreiben, die Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand, sei es Finanzamt oder ÖGK, nicht nachkommen, die Zuverlässigkeitsüberprüfungen nicht durchführen, dann bedarf es Sanktionen. Als Branche sollten wir die Messlatte darauf legen, aufgrund unserer Erfolge öffentlich wahrgenommen zu werden, und nicht nur wenn es Anlass zur Sorge gibt.
Reinigung aktuell: Die Ausschreibungen können ja die ISO-Zertifizierungen und andere Dinge enthalten. Das heißt, diejenigen, die diese Qualifizierungen nicht haben, wären auszuschließen. Passiert das jetzt oder nicht?
Kraus: Mit einer durchschnittlichen Gewichtung von 20% sind Qualitätskriterien relativ niedrig bewertet. Natürlich gibt es auch Ausschreibungen, die sehr konkret auf die jeweilige Situation des Unternehmens und des Umfelds abstellen, und dafür auch Qualitätspunkte vergeben werden. Beispielsweise wird versucht festzustellen, welche Kompetenz in den jeweiligen Organisationen, die an den Ausschreibungen teilnehmen, vorhanden sind. Gerade dort, wo man heute versucht, Technik und Mensch besser zu verzahnen, also Sicherheitskonzepte anzubieten, die neben der personellen Sicherheitsdienstleistung auch Technik mit einbinden, sieht man, dass die ausschreibende Stelle sehr wohl in der Lage ist zu definieren, welche Kompetenz sie von ihrem Partner in Bezug auf die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen in Zukunft brauchen wird. Daran wird ersichtlich, dass es Möglichkeiten gibt, auch abgesehen von ISO-Zertifizierungen und EN-Normen Qualitätspunkte zu definieren und zu vergeben, sofern dies gewünscht ist. Solche Beispiele aus dem privaten Bereich könnten auch der öffentlichen Hand als Inspiration dienen.
Reinigung aktuell: Wie sehr ist KI ein Thema?
Kraus: Ich glaube, KI ist grundsätzlich in jeder Branche ein Thema, vor dem wir uns meiner Meinung nach auch nicht fürchten müssen. Wir haben einen Arbeitskräftemangel; wir wissen auch, dass die Anforderungen, die wir in der Sicherheitsdienstleistung erbringen müssen, immer herausfordernder werden.
Das bedeutet, dass die Einbindung neuer Technologien in unsere Systeme, in unseren Kundenangeboten ein Tool ist, diesen Herausforderungen zu begegnen. Wenn wir als Beispiel die Video-Analyse heranziehen, dann sehen wir, dass Artificial Intelligence schon heute die Erkennung von Gefahren verbessert. Nur die Kombination von Mensch und Technik wird aus meiner Sicht langfristig erfolgreich sein. Sicherheit ist ein Vertrauensgeschäft; Artificial Intelligence alleine wird dieses Vertrauen nicht aufbauen, kann aber definitiv helfen, Kundenwünsche noch zielgerichteter zu erfüllen.
Reinigung aktuell: Gibt es noch etwas, das Sie gerne anbringen würden?
Kraus: Wirklich wichtig ist für mich, dass wir es schaffen, uns als Branche entsprechend weiterzuentwickeln. Es braucht rechtliche Grundlagen, die einerseits klare Standards für die Aus- und Weiterbildung definieren, welche beruflichen Qualifikationen die Einzelperson mitbringen muss, welche Voraussetzungen für Unternehmen gelten, etwa die Gewerbeberechtigung, aber auch die Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen, und andererseits entsprechende Überprüfungen und Sanktionen für Fehlverhalten vorsehen. Nur so wird es uns gelingen, die Branche der Sicherheitsdienstleister in der öffentlichen Wahrnehmung positiv zu stärken. Wir sollten von schönen Erfolgsgeschichten in den Nachrichten lesen können, nicht nur durch Vorfälle wie jene, die wir vom abgesagten Taylor Swift-Konzert noch in Erinnerung haben, für Schlagzeilen zu sorgen.
