Podiumsdiskussion zum Thema Vergabe im Rahmen des Reinigungstages – mit Christian Höger, Högers Rotstift, Patrick Scheck, GF Kling Wagenhofer, Frank Pertl, IFM Universität, Wien, Gerhard Zotter, GF BBG.
Moderation: Christian Wolfsberg
Christian Wolfsberg: Wenn ein Privatkonzern einen Reinigungsauftrag erteilt, kann es uns als Steuerzahler egal sein, wer den Zuschlag kriegt und ob das gut gemacht wird oder nicht. Im öffentlichen Bereich, wo es um unser aller Geld geht, kann uns das nicht egal sein. Ziel dieser Diskussion ist nun, das Ganze etwas zu verbessern. Denn: Es wird die Reinigungsstunde um 24 Euro angeboten, damit ist man noch nicht im Lohn und Sozialdumping, aber um 24 Euro arbeitet ein Betrieb mit Verlust. Oder er erfüllt die Leistung nicht. Und diese Zuschläge gibt es auch im öffentlichen Bereich. Die erste Frage gliedert sich in zwei Bereiche. Erstens: Kaufen Sie unter 24 Euro ein oder bieten unter 24 Euro an? Und das zweite: Das kann dann nur bedeuten, dass dort verdient wird, wo nicht gereinigt wird, oder?

Christian Höger: Der Stundensatz ist die eine Sache. Der kleinste gemeinsame Nenner in der Gebäudereinigung sind die Leistungsstunden. Das heißt, wenn Sie ein Kalkulationsblatt haben, wo die Leistungsstunden über die kollektivvertraglich vorgegebenen Quadratmeterleistungen ermittelt werden, und die dann noch auf Plausibilität prüfen, ergeben sich für jeden Bieter die Leistungsstunden. Und mein Ansatz ist es, diese Leistungsstunden dann auch in der Praxis zu prüfen. Das heißt, die Ausschreibung ermittelt die Leistungsstunden, und im Objekt werden diese Leistungsstunden dann regelmäßig dahingehend geprüft, ob sie auch wirklich im vollen Umfang erbracht wurden.
Wolfsberg: Zum Prüfungsbereich kommen wir ohnehin später. Aber es geht einfach um die Frage: Sind wir auf dem gleichen Wissensstand? Nämlich dass da, wo ein Auftrag – auch im öffentlichen Bereich – um 24 Euro und teilweise sogar darunter angenommen wird, eine Minderleistung stattfinden muss?
Höger: Bei mir geht es eher um Klarheit. Wenn Sie die Anforderungen des Auftraggebers klar formulieren, so dass der Anbieter ganz klar weiß, was von ihm erwartet wird, dann regelt der Markt auch den Stundensatz automatisch. Für mich ist wichtig, dass alle Beteiligten genau wissen, was voneinander erwartet und verlangt wird.
Wolfsberg: Herr Pertl, als Kunde – geht da etwas unter 24 Euro? Oder kriegen Sie da nicht mehr die volle Leistung?
Frank Pertl: Ich bin seit Jahren ein Gegner davon, dass man nur 24 Euro Stundenlohn zahlt. Nicht weil ich so sozial bin, sondern weil dieser Preis nicht haltbar ist. Und wie Sie richtig sagen wir, wir zahlen für eine Nichtleistung, wenn wir unter 24 Euro anbieten. Deswegen versuchen wir seit Jahren, auch mit internen und externen ExpertInnen zusammen, die Qualität hervorzuheben. Wir versuchen, den Preis zwar als wichtigen Bewertungspunkt herzunehmen, aber vor allem auch die Qualität. Und mir es am liebsten, In Zukunft auch „Innovation“ reinzunehmen, technische Ideen der Reinigungsunternehmen, um die Reinigungsqualität auch zu erbringen, die wir fordern.
Wolfsberg: Herr Scheck, bieten Sie um 24 Euro die Stunde an?

Patrick Scheck: Ganz klar nein. Wir müssen auch kaufmännisch denken. Das heißt, die Leistungsstunden sind eine Sache, die ergeben sich durch die ÖNORM, die ganz wichtig ist, aber der Stundensatz ist mindestens genauso wichtig, denn wir müssen ja von irgendwas leben. Wir können kein Nullsummenspiel betreiben, sondern müssen etwas erwirtschaften, und daher sind die 24 Euro bei weitem nicht tragbar.
Wolfsberg: Herr Zotter, 24 Euro die Stunde …?
Gerhard Zotter: Wir haben starke regionale Unterschiede, ein Ost-West-Gefälle. Die Schnittbetrachtung ist über diesem Betrag, österreichweit. Insofern, glaube ich, kann ich mich großteils Ihnen allen auch anschließen. Um es mit Goethe zu sagen: ,Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.’ Das hat schon dem Faust geholfen. Das ist so ein bisschen das grundsätzliche Mindset, dass wir in der BBG haben.
Wolfsberg: Herr Pertl, wieso müssen Sie nicht über die BBG ausschreiben? Die Uni ist ja Bundessache.
Pertl: Richtig, wir sind von Bundesmitteln finanziert. Wir genießen aber Autonomie, wir können über die BBG ausschreiben, müssen aber nicht. Und wir machen das so, dass wir es einmal über die BBG machen, dann haben wir eine interne Vergabestelle oder wir machen wir es extern über eine Rechtsanwaltskanzlei. Wir versuchen, uns da ständig weiterzuentwickeln und nehmen von allem etwas mit. Da kommt dann auch Innovation in die Ausschreibung.
Wolfsberg: Wir haben diese Diskussion in Wahrheit seit Jahren, letztlich sind wir wieder bei einem Billigst-Bieterverfahren gelandet. Wir haben heute gehört, dass die Preise angeblich sinken, aber das ist wahrscheinlich der Inflation geschuldet. Der Stundensatz ist aber immer noch eines der Grundkriterien, und wenn jemand um 24 Euro die Stunde anbietet, ist das kein Dienst an der Öffentlichkeit und es ist auch kein Dienst am Unternehmen. Wieso wird es trotzdem gemacht?
Höger: Ich hatte bei meinen Ausschreibungen noch nie 24 Euro. Und was ich wahrnehme, ist, dass meine Kunden oder viele Auftraggeber eigentlich gar nicht billig wollen, sie wollen Verlässlichkeit, Sie wollen eine merkbare oder spürbare Qualität. Sie wollen Kommunikation. Das Thema Billigstbieter oder Bestbieter stellt sich für mich gar nicht. Wenn wir mit dem Auftraggeber Kriterien entwickeln, die für alle Beteiligten klar sind, dann, wie ich schon sagte, regelt der Markt den Preis sowieso automatisch. Und der ist nicht bei 24 Euro, sondern bewegt sich momentan zwischen 28 und 33 Euro. Das mag mag vordergründig teuer erscheinen, aber wenn Sie überlegen, die ganzen Reklamationen, der Ärger, die Nacharbeiten, der interne Aufwand beim Kunden – wenn Sie das alles berücksichtigen, ist Klarheit niemals teurer. Teuer ist nur Unklarheit.
Wolfsberg: Glauben Sie, dass das die Realität im Geschäftsleben ist?
Höger: In meinem ja. Ich mache das fast alles so.
Wolfsberg: Wie sehen Sie das, Herr Scheck?
Scheck: Ich sehe das ähnlich. Wenn man als Dienstleister ein Objekt oder eine Ausstellung bearbeitet, muss man auch planen, wie lange diese Ausschreibung läuft, wie viel ich da investieren kann. Normale Bundesbeschaffungs-Ausschreibung für fünf Jahre – da weiß ich, dass ich den Auftrag fünf Jahre haben werden, wenn nichts Großartiges passieren wird, und muss auch entsprechend planen. Was man dann auch nicht vergessen darf, sind die Kosten für die Objektleitung, Kosten für Reklamationsmanagement usw usf. Aber ich gebe Ihnen schon recht, dass Ausschreibungen, die nicht vom Bund kommen, besser gesehen werden als jene von der BBG, weil man da meistens den Eindruck hat, dass so ein aalglatter Teppich drüber ist, wo gewisse Dinge nicht berücksichtigt werden. Gerade die Bundesbeschaffung als größter Auftraggeber Österreichs hat auch eine riesengroße Verantwortung, und das vermisst man leider. Das ist auch ein Grund, warum wir zum Beispiel nicht mehr mitmachen bei Ausschreibungen der Bundesbeschaffung.
Wolfsberg: Die Preise bei der öffentlichen Vergabe liegen bei 24 Euro und teilweise darunter. Nun wird mir quasi erklärt, mit Ausnahme von Herrn Scheck, dass das nicht der Fall ist. Also gibt es diese Preise oder gibt es sie nicht?

Pertl: Diese Preise hat es auch an der Universität gegeben. Und die Qualität war desaströs. Seit Jahren versuche ich, diese Firmen rauszubekommen. Es gibt teilweise Altverträge, die das gar nicht so leicht machen. Wir haben es geschafft. Bei den Firmen, wo wir auch mehr zahlen. wissen wir, dass die Qualität da ist. Wir versuchen es ja anders zu machen, wir schauen gemeinsam mit den Firmen, in welche Richtung wir uns bewegen wollen. Ein Beispiel: In einem Vierpersonenbüro gibt es nur mehr einen Bereich, wo im Kleinen Mülltrennung stattfindet. Früher hatte jeder bei seinem Schreibtisch eine eigene Mülltrennung, und das ist ja auch Zeit. Mit dieser Zeit kann besser gearbeitet werden. Wir haben so umgestellt, dass in einem Gang mit Büros jeden zweiten Tag Büros gereinigt werden, aber die Reinigungskraft ist immer da, falls etwas passiert. Al al along spart man Zeit. So versuchen wir, mit einem guten Preis es so zu machen, dass die Firma etwas davon hat und wir auch unsere Budgetziele einhalten.
Wolfsberg: Sauberkeit ist subjektiv. Aber es gibt Dinge, die man überprüfen kann, die geleisteten Stunden etwa und auch die Plausibilität eines Angebots. Wie wird das von wem beim Angebot gemacht, nämlich die Plausibilität der Leistung zu überprüfen? Und Teil zwei der Frage: Wie kann man das bei der Leistungserbringung überprüfen?
Höger: Die Plausibilitätsprüfung ist meiner Meinung nach das Herzstück einer Ausschreibung. Denn das ist der Moment, wo Theorie auf Wirklichkeit trifft. Die Plausibilität ist kein Kontrollinstrument, sondern nur das Ergebnis einer gemeinsamen Verständigung zwischen Ausschreibendem und Bieter, sprich: dass der Auftraggeber genau weiß, was er bekommt und der Bieter genau weiß, was er liefern muss. Und wir erkennen dann sehr schnell, ob nur versucht wird, den Buchstaben der Ausschreibung zu erfüllen oder ob auch der Geist dahinter verstanden wurde.
Wolfsberg: Wie macht ihr das bei der BBG?
Zotter: Rechtsrichtig. Vom Gesamtpreis angefangen, von den Einheitspreisen, Stundensätze, Abweichungen vom Maschineneinsatz. Wir haben vielleicht das unglückliche Thema ÖNORM und Kollektivvertrag, da, glaube ich, liegt auch ein bisschen ein Mangel, der nicht in in unserem Bereich liegt. Und dann natürlich das Thema Testreinigungen, wir haben das in Wien einmal gemacht, und ja, da sind alle durchgefallen. Ich respektiere, was hier gesagt wird, Ihre Kritik und Ihre Wahrnehmung ist absolut zur Kenntnis und auch ernstzunehmen. Ich möchte aber auch in aller Deutlichkeit sagen, dass wir diese Wahrnehmung nicht zu 100 Prozent teilen. Gestatten Sie mir als Geschäftsführer der BBG, für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Lanze zu brechen, die wirklich eine Topleistung abgeben. Wir beobachten auch die Ausschreibungen anderer Institutionen. Wir lernen auch davon. Wir unterscheiden ja auch, ob wir für einen Einzelkunden Ausschreibung machen, das Parlament ist ja auch nicht irgendein Kunde, der hat auch eine sehr hohe Autonomie und da besteht eine hohe Zufriedenheit. Bei großen Mengenausschreibungen, standardisiert mit mehreren Objekten, haben wir sicherlich als zentrale Beschaffungsstelle eine gewisse Herausforderung. Das gestehe ich Ihnen allen zu.
Wolfsberg: Die Frage ist auch, ob bei der Leistungserbringung der Vergebende und der Kunde nicht unter einer Decke stecken, nämlich dass der Kunde auch weiß, dass um den Stundensatz, um den er die Leistung einkauft, diese nicht machbar ist und ergo von Vornherein eine Minderleistung akzeptiert. Gibt es das?
Höger: Das ist gar nicht möglich, weil die Bewertungskriterien in der Ausschreibung ganz klar formuliert sind. Jeder Bieter kennt die. Wenn Sie so etwas haben sollten, sind die Bieter die ersten, die aufschreien. Also das ist kategorisch auszuschließen. Wenn es eine saubere Ausschreibung ist, so wie es die BBG macht oder auch ich oder auch andere Kollegen hier im Haus, geht das formal gar nicht, denn Sie haben auch bei öffentlichen Ausschreibungen den Rechtsberater dabei, und der achtet als Externer darauf, dass es zu keinen Missverständnissen oder Absprachen kommt.
Wolfberg: Wie wird die erbrachte Leistung beim Kunden überprüft?
Höger: Da gibt es viele Möglichkeiten. Das beginnt bei der klassischen Qualitätskontrolle, die über die definierten Leistungsziele abgefragt wird ….
Wolfsberg: Aber zum Beispiel bei einem Zuschlag mit 24 Euro brauche ich ja gar keine Kontrolle mehr machen, weil ich schon von Vornherein weiß, dass das nicht geht …
Höger: Leistungsstunden sind zwei Säulen. Die eine Säule ist, dass einer überhaupt genügend Leistungsstunden zur Verfügung hat, damit er nicht gegen Lohn- und Sozialdumping verstößt und die kollektivvertraglichen Vorgaben einhält, um die Leistungen, die mit dem Kunden vereinbart sind, einzuhalten. Und die zweite Säule ist: Was macht die Reinigungskraft in dieser Zeit? Und da geht es um Schulung, Kommunikation, Equipment, Unterstützung. Da gibt es eine ganze Reihe an Möglichkeiten, die man dann in einer Qualitätskontrolle ebenfalls prüfen kann. Aber zu 90 Prozent ist es Kommunikation. Das ist bei jedem Qualitätscheck der oberste Punkt, denn es geht immer um die agierenden Menschen.
Wolfsberg: Das zu niedrige Einkaufen ist letztlich unser Steuergeld, das zu keiner Leistung führt. Und es ist nicht egal, ob die Toiletten in einem Gymnasium sauber sind oder nicht, geschweige denn im Gesundheitswesen. Ich unterstelle niemandem einen Betrug, aber wir haben uns zigmal den Stundensatz ausrechnen lassen, und bei 24 Euro geht sich eben gerade noch aus, dass kein Lohn- und Sozialdumping betrieben wird.

Zotter: Ich sagte schon, die Schnittbetrachtung liegt über diesem Betrag, und das österreichweit. Und ich glaube, es ist auch okay, wenn man sich an uns abreagiert. Ich möchte aber auch sagen, dass wir sehr viele positive Rückmeldungen nicht nur von den Unternehmen haben, sondern auch von unseren Kunden. Also ich tu mich schwer mit Verallgemeinerung oder mit Aussagen aufgrund von Hörensagen. Bringen Sie mir Evidenzen und Fakten, dann schaut man sich das an.
Wolfsberg: Um es ins Positive zu kehren: Gibt es zu wenig Kriterien, um eine qualitativ höherwertige Ausschreibung zu machen? Vor vielen Jahren gab es noch nicht ausreichend viele Meister pro Beschäftigte. Mittlerweile haben alle Unternehmen ihre ISO Zertifizierung und die richtige Anzahl an Meistern usw. Gibt es zusätzliche Qualitätskriterien, die in eine Ausschreibung eingebaut werden können, damit wir wegkommen von diesem Billigstbieterprinzip?
Pertl: Das ist genau das. Das Vergaberecht, so wie es jetzt ist, ist nicht mehr kaufmännisch. Ich habe vor 30 Jahren die erste Ausschreibung gemacht, und zwar auf der Seite der Bieter, das war eine kaufmännische Sache. Heute ist es eine juristische Sache. Du kannst nichts mehr „hineinprobieren“ an Innovation, weil jeder Beistrich, den man falsch setzt, beeinsprucht wird. Dass man dann hinkommt auf einen Billigstbieter, wenn so ein großes Unternehmen wie die BBG sagt, dass sie nicht dauernd vor dem Bundesvergabegericht stehen wollen, das verstehe ich auch irgendwie. Dann geht man eben her und macht 0815 – das, wo am wenigsten passieren kann. Und da kommen dann die Firmen zum Zuschlag, die mit 24 Euro und günstiger anbieten, ganz klar. Ein Qualitätskriterien kann ja subjektiv sein, das heißt, man muss erklären, wieso man die Entscheidung getroffen hat. Das macht es für viele, die ausschreiben, wirklich schwierig. Da traut sich fast keiner mehr drüber. Auch ich habe immer auch Juristen dabei, die im Hintergrund sagen, „aufpassen, wenn das nicht bestandsfest wird, dann haben wir einen Einspruch“. Das macht es echt schwierig. Die üblichen Qualitätskriterien hinsichtlich Meister / Meisterinnen und die ISO Zertifizierung haben die großen Firmen alle schon. Wir müssen jetzt bei Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Innovation ansetzen, auch das muss als Bewertungskriterien hinein. Da sollte man sich drübertrauen. Es wäre mein Wunsch an die BBG, hier ein bisschen mutiger zu sein.
Scheck: Warum steht die BBG so im Fokus? Weil das Ganze meiner Meinung nach zu groß geworden ist. Vor über 10 Jahren, wie ich mit BBG-Ausschreibungen begonnen habe, war bei der BBG das Ganze noch in einem Team zusammengefügt – ein Team von fünf, sechs Personen hat die Ausschreibung begleitet, von der Datenerhebung bis zum Zuschlag. Mit denen konnte man reden. Die haben zwar nichts beeinflusst, aber man hat sich zumindest verständigen können. Mittlerweile ist das in der BBG dezentralisiert. Man wird gute Gründe dafür gehabt haben, nur wurde das Ganze in eine falsche Richtung gelenkt. Und das hat man natürlich bei anderen Consultern, die auch noch zuhören können, nicht. Ja, ich glaube, die BBG ist zu groß geworden. Und: Es braucht natürlich auch Leute dahinter, die das Fachverständnis haben, die tagtäglich mit der Materie zu tun haben, die sich auskennen. Mir fehlt das bei der Bundesbeschaffung. Es gibt natürlich noch ein paar mit einer gewissen Ausbildung, aber das sind die wenigsten. Vor allem diese Dezentralisierung bei der BBG hat das Ganze nur noch schlimmer gemacht. Das, glaube ich, ist ein ein Punkt, wo man ansetzen muss.
Wolfsberg: Und Sie meinen, dass das Vergabegesetz auch „verjustiziert“ wurde?
Scheck: Das Vergabegesetz ist nicht angreifbar, also zumindest von den wenigsten von uns hier im Raum. Aber die Idee dahinter, wie man eine Ausschreibung richtig machen kann, wie man den Bieter oder die Gemeinschaft der Bieter mehr ins Boot holen kann, das kann man nur durch persönliche Gespräche. Man muss die Leute zusammenbringen, und der zu große Apparat der Bundesbeschaffung macht das halt sehr, sehr schwer.
Wolfsberg: Herr Höger, scheiden Sie grundsätzlich gewisse Angebote mangels Plausibilität aus? Oder sagen Sie auch, wenn der Kunde um 24 einkaufen will, dann darf er das? Es ist ja nicht verbietbar. Es gibt ja auch Referenzkunden. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass ein Unternehmen ein Gymnasium in Klagenfurt als Referenzkunde nimmt.
Höger: Wenn einer wirklich so niedrig anbieten sollte, dann klären wir auf. Und dann fragen wir ganz konkret nach, wie sich sein Stundensatz zusammensetzt. Die Parameter sind immer die gleichen, es geht immer um dieselben Einzelpositionen, die zusammengezählt werden, woraus sich dann der Stundensatz ergibt. Aber wenn der Bieter sagt, es sei ihm als Referenz wichtig, muss man das wahrscheinlich in Absprache mit der Rechtsabteilung und dem Bundesvergabegesetz hinnehmen. Dann bin ich aber genau bei dem Punkt, wo ich zuerst war: Dann prüfen wir die Leistungsstunden, weil dann gibt es auch keine Trickserei mehr.
Wolfsberg: Wer zahlt diese Überprüfung?
Höger: Das ist automatisiert. Die Leistungsstunde an sich ergibt sich aus dem Kalkulationsblatt heraus. Der Anbieter hat seine Zeiterfassung und teilt uns jedes Monat mit, wie viele Stunden er im Objekt war. Das ist der eine Teil. Und der zweite Teil ist dann, ob das Reinigungsergebnis auch den Erwartungen und den Anforderungen des Kunden entsprochen hat.
Wolfsberg: Das heißt, letztlich liegt dann die Überprüfung beim Kunden?
Höger: Nein, der Auftragnehmer stellt uns diese Zahlen zur Verfügung, und wenn uns die Zahlen komisch vorkommen oder sie nicht nachvollziehbar sind, werden wir sie stichprobenweise prüfen.
Wolfsberg: Herr Pertl, wie macht ihr das mit der Überprüfung?
Pertl: Soll ich jetzt sagen, wir vertrauen dem Bieter? (Gelächter im Publikum, Anm.) Natürlich haben wir Kontrollen, die wir ankündigen. Wir haben auch unangekündigte Kontrollen. Wir bewerten nach Schulnotensystem. Wir haben uns da natürlich etwas einfallen lassen, aber auch in Eigenregie. Manchmal holen wir uns einen externen Sachverständigen, der das noch einmal auf einem ganz anderen Level macht. Aber im operativen Tagesablauf kontrollieren wir stichprobenartig. Die Firmen wissen das. Wir kommen auch immer wieder auf Dinge drauf, die nicht funktionieren. Dann gibt es Pönalen, die wir auch ziehen. In letzter Konsequenz kündigen wir die Verträge und suchen uns neue Partner. Ich will nur noch zum Vergabegesetz sagen bzw. dazu, dass man das nicht ändern könne: Ich glaube schon, Gesetze können novelliert werden. Wie gesagt, mir wäre es wirklich lieber, wenn es wieder kaufmännisch würde, kaufmännische Leistung. Ich kalkuliere ordentlich, mit 24 Euro die Reinigungsstunde kann man nicht leben, wie wir schon gehört haben, ich akzeptiere es aber auch, wenn ich verloren habe, und gehe nicht zum Bundesverwaltungsgerichtshof und klage irgendeinen Beistrich ein.
Scheck: Die Bundesbeschaffung ist nicht dafür ausgelegt, hunderte Objekte zu kontrollieren. Und es ist seit Jahren so, dass der Bieter oder der Auftragnehmer selber seine Audits macht. Es ist im Prinzip leider so, dass die Qualitätskontrollen über die BBG nicht funktionieren. Das ist schade. Der Kunde schreibt per Mail, dass seit drei Wochen nicht gut gereinigt wurde, und die Mail, die dann zurückkommt von der BBG, ist eine Vertragsstrafe, Punkt XY. Was ja rechtlich richtig sein mag, aber das ist natürlich bei kleineren Consultern nicht der Fall, mit denen macht man sich aus, was man tut, man schaut sich das an und dann kann man vielleicht auch eine Lösung finden.
Wolfsberg: Das heißt, die größeren Ausschreibenden, unter anderem die BBG, sollten zu kleineren Losen kommen?
Scheck: Auf alle Fälle. Oder die Ausschreibungen anders Taktieren vom Datum her. Ich weiß schon, das sind Verträge auf fünf Jahre, aber sie sollten vielleicht in der Masse nicht so groß, sondern eher kleiner werden. Das löst vielleicht das Problem, dass man die Ausschreibung besser gestalten kann, aber nicht die Qualitätskontrolle dahinter.
Wolfsberg: Gibt es Ansätze für eine Verbesserung der Situation?
Zotter: Ich glaube, man kann von jedem dazulernen und jede Idee aufgreifen. Aber mit Verlaub – dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht die entsprechende Ausbildung und Fachexpertise hätten oder dergleichen, das ad notam, es ist Ihre Meinung, die als solche zu respektieren ist, aber die Faktenlage ist eine andere. Ad Reinigungskonzept: Wir versuchen immer wieder, neue Qualitätskriterien einzuarbeiten. Wir schauen auch, was das für Wirkung hat – wir analysieren das – und wie wir dann den Transfer auf diese Standard-Ausschreibungen schaffen. Und das wird Ihnen jetzt vielleicht nicht gefallen: Wir wollen noch größer werden. Die budgetären Nöte werden noch dramatischer. Das ist ein Faktum. Und jetzt muss man die Balance schaffen. Ich sage nicht, dass wir alles richtig und perfekt und gut machen. Aber schlechtreden lasse ich mir die Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf keinen Fall. Kritik ist ausdrücklich erwünscht. Wir lernen auch von Ausschreibungen der Uni Wien und von der Stadt Wien, wir überlegen uns Qualitätskriterien, versuchen dann auch ein neues Qualitätskriterium. Worauf dann großer Widerstand kommt. Dann muss man das wieder rausberichtigen. Dann wird man dafür kritisiert, dass man die Berichtigung macht. Das ist halt der Prozess.
Ich möchte aber auch keineswegs schlecht über Ihre Branche reden. Das hätte sie sich alle nicht verdient. Kritik an uns? Ja, aber mir kommt es in den letzten Jahren schon verschärft konfrontativ vor, und das finde ich schade.
Wolfsberg: Welche konstruktiven Ideen gibt es aus dieser Diskussionsrunde?
Höger: Ich versuche mit meinen Kunden im Gespräch und im Objekt, da wo die Arbeit passiert, Qualitäts- oder Bewertungskriterien zu erarbeiten, weil jedes Projekt andere Schwerpunkte hat. Das passiert nicht am Schreibtisch. Wichtig ist, dass man das praxisnah macht.
Zotter: Herr Pertl hat es schon angesprochen: Innovation, Nachhaltigkeit und Umweltgerechtigkeit, das sind Themen, die wir bei Einzelausschreibungen mittlerweile versuchen einzubringen. Was mich jetzt beschäftigt, ist eine verstärkte Integration von sozialintegrativen Betrieben. Auch weil sie eine Ex-Lege-Sonderstellung haben. Das ist, wenn man die Inklusion dieser Zielgruppe ernst meint, sicherlich eine Überlegung. Vielleicht werden wir den Markt in absehbarer Zeit damit konfrontieren, um das einmal auszuloten. Roboterreinigung ist heute auch schon Thema gewesen, wir verfolgen da einiges.
Wolfsberg: Weitere Ideen?
Pertl: Innovation hab ich schon erwählt. Und noch einmal: Wir sollten mutiger in die neuen Zeiten gehen. Und ich glaube, wir müssen auch das Vergaberecht entsprechend anpassen bzw. in den Ausschreibungen die Texte entsprechend anpassen. Wir trauen uns drüber. Wir haben eine neue Ausschreibung mit Robotik, also bitte anschauen und überlegen, Stichwort Innovation.
Wolfsberg: Herr Scheck, Sie haben das Schlusswort.
Scheck: Wir Dienstleister haben die Verantwortung für Abertausende Reinigungskräfte, die in Österreich tagtäglich ihren Job tun. Und es ist natürlich auch ganz wichtig, dass man eben solche Diskussionen führt, damit man sich annähert. Und ich glaube, es war ganz wichtig, dass wir das heute auch ausgesprochen haben. Und ja, wir hoffen, dass sich da in nächster Zeit etwas tut, dass wieder mehr Firmen und mehr Unternehmen sagen: Ja, das möchte ich machen.

