Christof Paterno, Vertriebsleiter FM bei Dienstleister WISAG
Christof Paterno, Vertriebsleiter FM bei Dienstleister WISAG

Tagesreinigung: „Der Störfaktor wird überschätzt“

Reinigungsarbeiten in Gebäuden finden hierzulande vorwiegend in den frühen Morgenstunden sowie am späten Nachmittag – in den so genannten Randzeiten – statt. Grund dafür ist hauptsächlich die Sorge, diese Arbeiten könnten die betrieblichen Abläufe stören. Reinigung aktuell sprach mit Christof Paterno, Vertriebsleiter FM bei Dienstleister WISAG, über diese Problematik und welche Lösungen es dafür geben könnte.

Text: Erika Hofbauer

Über Tagesreinigung wird seit langem viel gesprochen, aber in der Praxis erfreut sich Tagesreinigung tendenziell nicht außergewöhnlicher Beliebtheit. Wie das? Christof Paterno, Vertriebsleiter FM bei Dienstleister WISAG, der sich auch in seiner Masterarbeit mit dem Thema beschäftigt hat: „Der Störfaktor von Tagesreinigung wird prinzipiell überschätzt. Tagreinigungstätigkeiten sind häufig mit der Sorge verbunden, sie könnten betriebliche Abläufe stören – insbesondere durch Lärm wie z. B. durch Staubsaugen oder auch generelle Ablenkung durch die Präsenz von Reinigungspersonal. In der Praxis zeigt sich jedoch ein differenzierteres Bild: Zwar gibt es anfangs häufig beidseitige Berührungsängste oder Unsicherheiten, doch diese können in vielen Fällen durch Schulung, Kommunikation und Gewöhnung leicht entschärft werden.“ Befragungen hätten ergeben, dass sich Büromitarbeiter in der Praxis eigentlich kaum durch Tagreinigung gestört fühlten – viele sogar überhaupt nicht. Anfangs bestehende Befürchtungen, insbesondere zu Lärm, bestätigten sich nur selten nachhaltig. Im Gegenteil: Die Sichtbarkeit des Reinigungspersonals könne Vertrauen schaffen, da Reinigungsleistungen direkt wahrgenommen würden, sagt Paterno. Reinigungskräfte müssten allerdings höheren Anforderungen gerecht werden: „Sie sind stärker exponiert, müssen professionell mit Beobachtung, sozialem Feedback und auch gelegentlichen Konflikten umgehen.“

Klares Bild einer Gegenüberstellung

In Paternos Masterarbeit (siehe Textkasten) zeigt die Gegenüberstellung von Tagreinigung und Randzeitenreinigung ein klares Bild: In vielen qualitativen Dimensionen wie Service- und Reinigungsqualität, Flexibilität, Personalbindung, Unternehmensidentifikation und Arbeitszufriedenheit schneidet die Tagreinigung besser ab. Die unmittelbare Reaktionsfähigkeit auf Kundenwünsche, die reduzierte Personalfluktuation, erweiterte Verdienstmöglichkeiten, ein geringerer Zeitdruck und eine größere Flexibilität, der Wegfall von Wegzeiten und geteilten Diensten und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Reinigungskräfte werden als zentrale Vorteile gesehen. Allerdings bringt Tagesreinigung auch Herausforderungen mit sich: höhere Anforderungen an Personal – Stichwort: Sprachkenntnisse, soziale Kompetenzen -, störanfälligerer Betrieb, kompliziertere Vertretungslösungen und teilweise erhöhte Kosten durch Serviceausweitungen. 

Koordination zwischen Nutzern und Reinigungspersonal sowie gegenseitiges Verständnis, das ist entscheidend für ein reibungsloses Miteinander.

Apropos Kosten – welches Bild zeigt sich hier? Paterno: „Wirtschaftlich betrachtet, kann eine Tagreinigung kostenneutral sein, häufig entstehen Mehrkosten durch erweiterte Leistungen im Zuge einer Umstellung. In meiner Analyse der Kostenstruktur von Tagesreinigung konnten sowohl dienstleister- als auch kundenseitig keine direkten Kosteneinsparungen festgestellt werden.“ 

Geringere Personalfluktuation

Dienstleister würden vor allem von der geringeren Personalfluktuation und damit verbundenen indirekten Kosteneffizienzen profitieren. Ebenso sei der Organisationsaufwand, speziell bei unterweisungsintensiven Tätigkeiten, aufgrund geringerer Fluktuation reduziert. Gesamt könne hier nicht von einer signifikanten Ersparnis ausgegangen werden. Oftmals argumentierte Einsparungen durch verkürzte Heiz- oder Beleuchtungszyklen bzw. durch einen reduzierten Bewachungsumfang konnte Paterno im Rahmen seiner Arbeit nicht nachweisen: „Tatsächliche Einsparungen durch eine saisonal verkürzte Beleuchtungsdauer sind derartig gering, dass sie in der Debatte kein taugliches Argument darstellen.“ 

Für welche Objekte geeignet?

Wenn ein Betrieb die Umstellung von Randzeiten- auf Tagesreinigung plant, was sollte dabei beachtet werden? „Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die Planung. Um Gelingen und Akzeptanz einer Systemumstellung in der Praxis bestmöglich zu fördern, sollten Nutzer frühzeitig informiert und einbezogen werden, Vorbehalte und Sorgen ernst genommen und gemeinsam ausgeräumt werden“, erklärt Paterno. In der operativen Durchführung sollten störende Tätigkeiten wie Staubsaugen möglichst zu Randzeiten erfolgen. Koordination zwischen Nutzern und Reinigungspersonal sowie gegenseitiges Verständnis, sei entscheidend für ein reibungsloses Miteinander. Tagesreinigung sei in vielen Objekten Normalität, weil Reinigung dort immer so gehandhabt worden sei, beispielsweise aufgrund von betrieblichen Compliance-Regelungen. Aktive Umstellungsprozesse hingegen seien selten. Die Implementierungsmöglichkeiten von Tagesreinigung und der damit verbundene Aufwand seien standortabhängig: „In Bereichen mit starren Betriebsabläufen, wie Produktionsstandorten, ist eine Systemumstellung sicher mit höherem Aufwand und Widerstand verbunden als beispielsweise in Bürobereichen.“ 

Tagesreinigung ist laut Experten Paterno vor allem für Objekte mit einem höheren Kontingent an Reinigungsstunden und mehreren tätigen Reinigungskräften geeignet. Im Retail-Bereich zeigt die Schichtmodellanalyse seiner Thesis kurze Schichtmodelle, die eigentlich ausschließlich in den Morgenstunden angesiedelt sind. Eine Umstellung im Einzelhandel auf Reinigungstätigkeiten während der Öffnungszeiten würde sicherlich eine der Herausforderungen bei der Etablierung von Tagesreinigung sein.

Es bedarf noch einiges an wirkungsvollen Steuerungs-maßnahmen, damit sich das Thema Tagreinigung (besser) durchsetzt.

Beispielhaftes Skandinavien

Es bedarf jedenfalls noch einiges an wirkungsvollen Steuerungsmaßnahmen, damit sich das Thema Tagreinigung (besser) durchsetzt. Christof Paterno: „Der wirkungsvolle Steuerungsmechanismus für Arbeitsverhältnisse in der Branche ist sicherlich der Kollektivvertrag. Ein Vergleich mit skandinavischen Reinigungskollektivverträgen zeigt deutlich, dass die skandinavischen Standards gezielt auf die Minimierung der in meiner Thesis beschrieben Problemlagen der wirtschaftlichen und sozialen Benachteiligung ausgerichtet sind. Kollektivvertragliche Regelungen beeinflussen auch direkt die Arbeitszeitensteuerung. Unterhaltsreinigung findet zum allergrößten Teil in zuschlagsfreien Zeitfenstern statt. Beginn und Ende dieses Zeitfensters sind Randzeiten, die beispielsweise in Österreich intensiv für die Leistungserbringung genutzt werden.“ In Schweden werde dieses Zeitfenster durch den Kollektivvertag bewusst eingegrenzt, um die beschriebenen Problemlagen zu minimieren und Arbeitszeiten sozial verträglicher zu gestalten. Ebenso würden in mehreren skandinavischen Kollektivverträgen die Zeiten für einen Objekt- bzw. Arbeitsplatzwechsel als Arbeitszeit gerechnet“, sagt Paterno.


Tagesreinigung als Chance?

In Österreich werden in der Reinigungsbranche bereits seit mehreren Jahren die Möglichkeiten von Tagesreinigungsmodellen diskutiert. Im Rahmen von Diskussionen über die teilweise problematischen Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften im Bereich der Unterhaltsreinigung wird immer wieder die sogenannte Tagesreinigung als Verbesserungsoption genannt und deren Forcierung gefordert. WISAG-Manager Christof Paterno ging in seiner Masterarbeit (Titel: Tagesreinigung als Chance? Eine Untersuchung zu den Vor- und Nachteilen von Tagesreinigung) der Frage nach, wie sich die Lage der Arbeitszeiten von Reinigungskräften im Bereich der Unterhaltsreinigung in Österreich strukturiert, und auch, ob sich die Umstellung der Unterhaltsreinigung von Randarbeitszeiten auf Tagesreinigung aus Experten-Perspektive vorteilhaft oder nachteilig auswirkt.

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